Ein paar Überlegungen zu Leistungsbilanzen

Nach dem komparativen Vorteil von David Ricardo ist es für einen Staat auch dann vorteilhaft nicht alle Güter im eigenen Land herzustellen, selbst wenn er alle Güter billiger produzieren könnte als andere Länder. Denn wenn er sich auf das Gut spezialisiert, für das er den größten Vorteil gegenüber anderen hat und für den der Absatzmarkt groß genug ist, ist das die gewinnbringendste Option.

Selbst die Ordoliberalen der ersten Stunde schon waren von dieser Theorie so begeistert, dass sie daraus schlossen, dass man in einem freien Gütermarkt auf Leistungsbilanzabweichungen keine Aufmerksamkeit verschwenden müsste, da diese sich sowieso von selbst ausgleichen würden.

Wohl gemerkt war hier nie die Rede vom freien Kapitalmarkt. Denn die Ordoliberalen erster Generation waren sehr gegen Vermachtung der Wirtschaft. Deshalb sollte der demokratisch legitimierte Staat immer stärker bleiben als alle Wirtschaftsmächte zusammen. Denn mit wirtschaftlicher Macht kann man politische Freiheit, vor allem in Staaten ohne soziale Absicherung zumindest erschweren. Politische Chancengleichheit erfordert finanzielle Mindestmittel. Man kann nur die wählen, die zur Wahl stehen. Also politische Freiheit erfordert den Schutz vor dem politisch motivierten Missbrauch wirtschaftlicher Macht.

Man sollte daher der Vermachtung des Marktes entschieden entgegentreten. Welche Sicherheitssysteme gibt es dafür in den WTO- Verträgen? Oder bei TTIP? Oder bei CETA? Oder beim EU- Binnenmarkt? Oder im Eurosystem? Da gibt es auch noch nur eine Währung, bei einem komplett freien Kapitalverkehr. Wer stellt da sicher, dass man sich politische Freiheit noch lange leisten kann?

Bei freiem Kapitalverkehr kann man sich doch mit einem Leistungsbilanzüberschuss zunächst mehr oder weniger alles im anderen Land kaufen bevor sich die Bilanzen durch Wechselkursanpassungen angleichen. Also wirtschaftliche Macht in einem anderen Land. Die kann man dann, ohne soziale Sicherheit dort, usw. nutzen um die politische Freiheit in diesem Land zu untergraben. In Systemen gleicher Währung wie dem Eurosystem geht das ganz ohne automatischen Stopmechanismus.

Auch kann es wohl kritisch sein, wenn man zu große Anteile, der für die Grundversorgung und die Sicherheit notwendigen Wirtschaftsbranchen im Ausland hat. Das macht kurzfristig abhängig.

Also einfach darauf warten, dass sich alles von alleine regelt ist aktuell grob fahrlässig oder gar böswillig. Nicht jeder mag politische Freiheit, zumindest nicht für (alle) anderen.

Bei einer Weltwährung wie dem Dollar, muss man aber auch noch beachten, dass andere Staaten ihren Handel mit Drittstaaten meist nur über den Dollar abwickeln können. Fast alle Staaten der Erde brauchen also einen Bilanzüberschuss mit den USA.

Die Frage ist nur wie hoch der sein darf , bevor es für die USA kritisch wird. Wer prüft das aktuell? Und ist die USA (also die politische Macht nicht die wirtchaftliche) nicht auch sicherheitspolitisch von entscheidender Bedeutung für uns. Wer prüft diese Fragen unvoreingenommen bei uns?

Wir brauchen endlich wieder eine ideologiefreie Analyse der aktuellen wirtschaftlichen und politischen Lage in Europa und der Welt. Die österreichische Schule unter Herrn Böhm- Bawerk, konnte da immer gute Ansätze liefern. Seit Herrn Hayek würde ich das dort nicht mehr so sehen. Und der wurde dann auch noch zu einem Vertreter der zweiten Generation der Freiburger Ordoliberalen. Und die 3.Generation der Ordoliberalen mögen eigentlich die Public Choice Theorie von Herrn Buchanan lieber.
Hier ist das alles mit mehr Quellenverweise dargelegt:  https://www.researchgate.net/publication/321952717_Das_aktuelle_europaische_Interesse_an_der_ordoliberalen_Tradition

Na hoffen wir mal, dass dem die politische Freiheit, auch für andere, wichtiger war, als wirtschaftliche Macht bzw. individuelle Freiheit auch zur Erreichung wirtschaftlicher Macht …

Und Herrn Hayeks Vorstellung vom Markt hat eine meiner Meinung nach gefährliche Komponente: Ihm war die Chance auf etwas noch besseres wichtiger als die Sicherung eines Mindestniveaus. Er wollte grenzenlose Freiheit für die Chance auf mehr, ohne dabei zu berücksichtigen, dass bestimmte Mindestlevel nicht unterschritten werden dürfen, vor allem keine, welche das Gesamtsystem gefährden, wie zum Beispiel der Klimawandel in extremer Form. Dafür kann es eben nur eine Lösung geben, welche die wirtschaftliche und individuelle Freiheit entsprechend einschränkt, solange diese bei der Erreichung dieses Ziels nicht hilfreich ist. Bei Fragen der sozialen Sicherheit gilt das gleiche. Man sollte weder die Grundversorgung aller noch einiger für die persönliche Chance, oder die einer Gruppe nach noch mehr für einen selbst oder dem Erhalt von mehr als nötig oder zumindest von mehr als des fairen Anteils opfern. Zunächst zählt unter diesen Bedingungen die Grundversorgung aller. Das war es was auch die erste Generation der Ordoliberalen wollte. Herr Müller- Amarck „der Vater“ unserer Sozialen Markwirtschaft wollte sogar, dass der Level der Umverteilung politisch entschieden wird und nicht nur dem Markt überlassen wird. Natürlich besteht da die Gefahr, dass das Verhältnis zwischen Investitionsquote und Konsum unschön wird. Oder das auf Kosten der nächsten Generation gelebt wird. Oder das Präferenzen einiger Gruppen unfair zum tragen kommen. Aber deswegen, darf es trotzdem nicht zu einer Vermachtung des Marktes oder zu einer Abhängigkeit der politische Freiheit von der wirtschaftlichen Macht kommen. Und der politische Handlungsspielraum darf zumindest nicht zuweit eingeschränkt werden.
Man weiß eben nie was einmal nötig sein wird, zur Erreichung anständiger und vernünftiger politischer Ziele …