Die ökonomische Theorie der Politik und der Verfassung

Schon auf der Tagung zum 100 Jahre Eisener-Gründungskongress Jubiläum des Vereins für Socialpolitik (VfS) 1972 wurde am Rande die ökonomische Theorie der Politik und der Verfassung erwähnt.

Dabei ging es, und geht es immer noch, darum dass (Erklärungs-)Prinzip der (egoistischen) Nutzenmaximierung, den homo oeconomicus, aus dem ökonomischen, wirtschaftlichen Bereich auch auf die Politik und die Verfassungsgestaltung zu übertragen.

Und schon damals wurden diese Bestrebungen mit dem Namen James M. Buchanan verknüpft.

Allgemein geht es bei diesem Deutungssystem auf politischer Ebene, Public Choice, darum, dass Politiker und Parteien versuchen würden und sollten für ihre Werte und Interessen, meist wird vor allem auf Interessen verwiesen, Nutzenkalkulierend vorzugehen. Also soviel muss ich/müssen wir investieren um gewählt zu werden, dass bringt mir/uns dann so und so viel.

Oder meine/unsere Wertvorstellungen können dann so und so weit zur Geltung kommen.

Also Einsatz für Wählerstimmen.

Das ist ja erst mal noch nicht verwerflich oder problematisch, sondern vernünftig.

Zumindest solange man nicht einfach nur seine Interessen, eventuell auch noch kurzsichtig, durchsetzen möchte.

Der homo oeconomicus steht aber nun gerade für das Verfolgen von Eigeninteressen.

Wenn es bei der ökonomischen Theorie der Politik nur darum geht, dieses Verfolgen von Eigeninteressen als das zentrale Prinzip der Politik zu erklären und auch als rational, normal darstellen zu wollen, ist man bei der „Profitisierung“ der Politik angekommen.

Dann sind Parteien und Politiker nur noch Interessensvertreter für ihr Klientel und/oder sich selbst, für die sich Politik vor allem rechnen muss. Also Profit bringen.

Werte wie faire Anteile und/oder zumindest Genug für alle solange es reicht, kommen in solchen „Theorien“ dann nicht mehr vor. Und solche Bestrebungen werden auch als irrational bezeichnet. Nur Eigen- /Teilgruppennutz wäre vernünftig.

Das spricht im Big 5 Schema der Psychologie vor allem die „Unverträglichen“ an.

Das macht ihre „Eigenart“ zum Normalen, Rationalen. Zum Vorbild. Dann braucht es nur noch das deklarative Weltbild, dass Eigennutzstreben durch den Markt durch unsichtbare Kräfte allen nutzt. Dabei ist es einfach aufzeigbar, dass genauso wenig wie man ein Auto verlässlich hinreichend oft in einer teuren Farbe bekommt, ohne das bestellt zu haben, dies für soziale, ökologische, sicherheits- oder zukunftsorientierten Zwecke der Fall wäre, wenn nicht hinreichend viele dies aktiv bestellen/tun/staatlich verpflichtend machen, erzwingen.

Aber der angebliche Automatismus des Marktes, ist eben eine klassische Scheinwahrung. Die sozialen Ansprüche anderer wären noch erfüllt. So bekommt man Gern- und Gutgläubige mit ins Boot, als Wähler. Das hatte schon Max Weber erkannt, als er in „… der Geist des Kapitalismus“ schrieb, Kapitalisten würden Werte anderer nur so weit erfüllen, wie es sich rechnet. Und wenn der Schein schon reicht: Voll „ökonomisch“.

Nur spätestens beim „Schein“, kollidiert man dann schnell mit der Nachhaltigkeit der Eigennutzbestrebungen. Der „Schein“ der zu vielen anderen schadet hält selten lange. Daher ist „strategische Fairness und Solidarität“ auch für „Unverträgliche“ wichtig. Die „Gern- und Gutgläubigen“ werden dann auch für die zum Problem. Wobei man das „strategisch“ nicht unbedingt dazuschreiben sollte. Das heißt dann nur so weit wie nötig. Da stößt dann der „Gern- und Gutgläubige“ wieder an seine Grenzen. Das alles genau stimmig Vorauszuberechnen ist wohl selbst für „Unverträgliche“ eher keine Option, da zu teuer, vor allem wenn man sich doch verrechnet hat. Da bietet sich dann eine unbedingte „Fairness- und Solidaritäts-“ Flatrate auf ökonomischen Niveau an um davor seine Ruhe zu haben. Soweit war auch schon Hayek bei seinen Empfehlungen für sein „Klientel“ und seiner Begeisterung für die „Freiheit auf Mehr“.

Also liebe von Natur aus „Unverträgliche“ für die hinreichende Ruhe nicht vergessen, dass der ausgleichende und nachhaltige Automatismus des Marktes nur eine Ausrede war und ist.

Um Nichts oder eben so wenig wie möglich abgeben zu müssen, an diejenigen die bei den Tauschgeschäften oder beim Erben schlechter weggekommen sind.

Und genau darum ging es schon in der attischen Demokratie, wie Aristoteles schön dargelegt hatte.

Und darum geht es auch in den neuen Demokratien seit der US- Amerikanischen wieder.

Den Abwehrreflex der eher unverträglichen Reichen, Besserverdienenden und Standort-Privilegierten (auch) mit Scheinargumenten wie „das ist prinzipiell ungerecht“ mehrheitsfähig zu machen.

Oder eben die Gefahr der „Tyrannei der Mehrheit“ welche für gerade Genannte bei Umverteilung schon sehr früh beginnt, durch eine „geordnete“ Verfassung zu bändigen.

Oder eben durch die ökonomische Theorie der Verfassung oder aktueller formuliert durch die streng individualistische Sozialvertragstheorie, eben direkt von Herrn Buchanan.

Nach dem 2.Weltkrieg, und der damaligen Einsicht, dass zum nachhaltigen Frieden, dass zumindest tolerierbar nachhaltig faire Teilen, Priorisieren und Regulieren gehört, und zwar nicht nur zum Schein, entstand mit dem FEE schon wieder der erste Freimarkt-ThinkTank für unsere lieben „Unverträglichen“.

Und spätestens ab den 1970ern wurden diese in Wissenschaft und Medien leider wieder tonangebend.

Die Begeisterung in der damaligen EWG, Anfang der 1970er, für die wirtschaftlichen und individuellen Freiheiten, und für deren Erzwingung, dürfte vor allem auf diesen Einfluss zurückgehen.

Nachdem schon Max Weber mahnte Deutschland habe wirtschaftlich auf Grund seiner Lage einen zu großen Standortvorteil und Keynes nach dem Krieg betonte, dass Deutschlands Wirtschaftskraft allen nützen könnte, wenn man darauf hinreichend aktiv hinsteuert. Und nachdem bis Anfang der 1970er Deutschland immer nur etwas gegen seinen Überschuss tat, nachdem es durch haltbare Drohungen mit Aufwertung von außen dazu gezwungen wurde, kam man dann innerhalb Europas zuerst auf die tolle und überraschende Idee durch ein „Zwangssystem wirtschaftlicher Freiheit“ den andern Staaten Schutzmaßnahmen als „haltbare“ Drohungen zu nehmen, nachdem mit Bretton- Woods die Abwertungsoption auch schon gerade vom Tisch genommen wurde. Und dann kam auch noch eine gemeinsame Währung, was die Marktumverteilung noch enorm stärker zu enthemmte, hinzu. Über die Euro- Zentralbank kann man zwar „gemeinsam“ einiges machen, aber eben nur wenn man es mit deren vertraglichen Zielen nicht so genau nimmt und dort jemand entsprechend „gewilltes“ hat.

Die ökonomische Theorie der Verfassung ist in der EU eben voll durchgeschlagen und TTIP, CETA und die Investitionsschutzverträge gehen eben in eine ähnliche Richtung, wenn auch nicht so „offensichtlich zwanghaft“.

Also das Streben nach Eigennutz schon in den Verfassungsregeln. Wie es darum in den USA steht kann man schön bei der US- Historikerin Nancy MacLean in „Democracy in Chains“ nachlesen.

Freier Wettbewerb um so viel wie möglich und demokratischer Umverteilungsschutz mit Verfassungsrang.

Da kommt man aber langsam ins Grübeln, ob unsere aktuellen „Unverträglichen“ nicht die Nachhaltigkeit, nicht nur ökologisch, sondern auch auf den Blick auf ihre eigene sichere Zukunft vergessen. Eben die „strategische Solidarität“.

Und vor allem die „strategische Handlungsfähigkeit“.

Es ist eben ein entscheidender Unterschied, ob man ein proprietäres, vermögensabhängiges Wahlsystem einführt, um sich vor der „Umverteilungstyrannei der Mehrheit“ zu schützen. Oder ob man einfach den staatlichen Handlungsspielraum fürs Umverteilen und Besteuern beschränkt. Ab und Zu werden auch die „Unverträglichen“ mal was umverteilen oder besteuren müssen. Zum Beispiel wenn von außen oder innen zu viel mit schlechter Absicht in Besitz genommen wurde oder wenn man sein Militär besser ausrüsten muss. 2/3 Mehrheitspflicht ist dann nicht hilfreich und wird sehr sicher irgendwann zu einem gefährlichen „Nein“ führen. So was ist dann eher was für diejenigen „die die aktuelle Gesellschaft ruinieren wollen“ (Schmoller). Von innen oder außen. Und eben für die „Inkonsequenten“ (wieder Schmoller). Die Gern- und Gutgläubigen lassen grüßen. 🙂

Natürlich haben die „unverträglichen“ Vermögenden bei einem Klassenwahlrecht noch das Problem, dass die Mehrheit der Reichen auch mal „verträglich“ sein könnte oder eben inkonsequent. Oder „verräterisch“. Da hilft dann nur die Einführung eines „Goldenen Buches“ für das Wahlrecht und damit eine offene Oligarchie.

Wenn man „Kapital als Ideologie“ von Piketty liest, bekommt man auch nochmal dargelegt, dass diese proprietäre Ideologie auf dem Vormarsch ist. Wenn auch eher ohne Warnung vor „Goldenen Büchern“ und „Ruinierungsfreudigen“.

Aber es bleibt eben dabei: Wenn man gemeinsam wirtschaften, einen gemeinsamen Markt, haben möchte muss man sich auf fair hinreichendes Teilen, Priorisieren und Regulieren einigen. Sonst kann man nicht gemeinsam wirtschaften, keinen gemeinsamen Markt haben. Dann muss man sich auf ein fair hinreichendes Trennen einigen. Und wenn das auch nicht geht, muss man sich mit einem fair hinreichenden Anteil, eben nach eigener Definition mit universell moralischen Selbstanspruch, von denjenigen mit denen man sich nicht einigen konnte einseitig trennen. Zumindest für den nachhaltig nötigen Anteil, aber auch nicht für zu viel mehr, auch mit fairer Gewalt. Das ist natürlich nicht immer so einfach. Und notfalls fair intervenieren für das (aktuell) nicht Teilbare, wie die Erde, muss man dann trotzdem auch noch. So ist es eben. Da hilft auch kein Schönreden oder „Andersglauben“.

„The rich man“ vs. „The poor man“ aus „The Limits of Liberty“ von James M. Buchanan

„How can the rich man (or the libertarian philosopher) expect the poor man to accept any new constitutional order that severely restricts the scope for fiscal transfer among groups?“ (Seite 224)

„Wie kann der reiche Mann (oder der libertäre Philosoph) erwarten, dass der arme Mann irgendeine Verfassungsregel akzeptiert, welche in weitem Umfang den Handlungsspielraum für finanzielle Transfers zwischen Gruppen einschränkt?“

„Suppose that the rich man offers to transfer to the poor man one-third of his asset, with a gross income of $33,333, in exchange for the latter’s agreement to reduce the size of the governmental budget to zero.“ (Seite 225)

„Nehmen wir einmal an, dass der reiche Mann dem armen Mann anbieten würde ihm ein Drittel seines Vermögens, mit einem jährlichen Bruttoeinkommen von $33.333, zu überlassen, falls dieser im Gegenzug zustimmen würde das Regierungsbudget auf null zu reduzieren.“

Diese beiden Sätze sind wohl die beiden entscheidenden in Herr Buchanan’s Buch.
Was kostet es den reichen Mann, der wohl symbolisch für alle Reichen, mit solchen Ambitionen stehen kann, sein Vermögen und seine Einkünfte daraus aus dem demokratischen Machtbereich zu befreien?

Ein Drittel?

Das wird wohl dem ein oder anderem reichen Mann, mit solchen Ambitionen, noch zuviel sein.

Eine der Kern Aussagen von Prof. Buchanan ist ja, zumindest nach meinem Verständnis, dass man Verfassungenregeln nicht nach Werten, wie zum Beispiel durch die moralphilosophische Originalposition von Aristoteles über Kant bis John Rawls, versuchen sollte gemeinsam herauszuarbeiten, sondern, da man da sowieso keine Einigung drüber erzielen könnte, durch Verhandlungen nur solche Regeln, und ohne Regel kein staatlicher Handlungsspielraum, in die Verfassung aufnehmen sollte, beziehungsweise drin lassen sollte, welchen jeder freiwillig zustimmt.

Also auch der reiche Mann, der demokratische Zugriffsmöglichkeiten auf sein Vermögen und die Einkünfte daraus komplett ablehnt. Und das wird natürlich nur passieren wenn „die Armen“ ihm was dafür anbieten können.

Und „freiwillig zustimmen“ ist nicht mit dem Kant’schen „freiwillig zustimmen können“ zu verwechseln. Letzteres steht für die ethische Frage, wann man zustimmen könnte. Ersteres einfach nur dafür, wann man meint davon hinreichend zu profitieren. Wiederum zumindest nach meinem Verständnis.

Also alles Verhandlungssache. Und eine Frage wie viel wer weiß und was man für Vorteilhaft für sich hält. Das lädt natürlich dazu ein mehr oder weniger deutlich durch Verschleierung zu täuschen.

Und genau dafür scheint die Historikerin Frau Prof. Nancy Maclean vom der Duke University in den USA nun im Nachlass von James M. Buchanan an der George Mason Universität ebenfalls in den USA nun Beweise oder zumindest Hinweise gefunden zu haben. Und diese hat sie 2017 in ihrem Buch „Democracy in Chains“ veröffentlicht.

Herr Buchanan, er ist 2013 verstorben, hatte an, u. a. von den Koch- Brüdern finanzierten, Institutionen an dieser Universität geforscht und war zum Beispiel auch Mitglied der Mont Pelerin Society, welche von F. A. Hayek gegründet wurde.

Und von Herrn Hayek stammt eben auch jener Aufsatz „Die wirtschaftlichen Voraussetzungen föderativer Zusammenschlüsse“ aus dem Jahr 1939, der sich auch nochmals in der 2.Auflage dessen Buches „Individualismus und wirtschaftliche Ordnung“ von 1976 als letztes Kapitel befindet.

Da hatten schon sowohl Wolfgang Streeck als auch Dirk Jörke und später auch ich, darauf hingewiesen, dass Herr Hayek dort die Möglichkeit einer Schaffung eines gemeinsamen verfassungsrechtlich verankerten freien Wirtschaftsraums ohne gleichzeitig neue supranationale, durch einfache Mehrheitsentscheide, sozialpolitisch handlungsfähige Institutionen entstehen zu lassen als eine gute Möglichkeit zur Etablierung eines Verfassungsraumes zur Garantie wirtschaftlicher Freiheiten und der (fast) freien Verfügungsgewalt über eigenes privates Eigentum bei gleichzeitiger Zurückschrumpfung des demokratisch legitimierten Handlungsspielraums maximal auf Nachtwächterstaats- Niveau, geschildert hatte. Oder um es mit den Worten von Dirk Jörke zu beschreiben, der Vorteil aus Hayek’scher Sicht wäre, dass „durch eine supranationale Konstitutionalisierung wirtschaftlicher Prozesse, demokratische Mehrheiten − etwa mit Forderungen nach Steuererhöhungen, öffentliche Schulden oder Arbeitsschutzmaßnahmen − ins Leere laufen [würden]“ und „dass sich auf der supranationalen Ebene kein gemeinsamer demokratischer Wille herausbilden könne, dafür seien die nationalen Kulturen und Egoismen zu stark ausgeprägt. „

Deshalb halte ich es für sehr wichtig, dass wir in Deutschland noch vor der nächsten Bundestagswahl einmal über James M. Buchanan und den Einfluss seiner ehemaligen Forschungskollegen in Deutschland in hinreichendem Umfang diskutieren.

Denn sehr viele Wirtschaftsethiker und Ökonomen in Deutschland berufen sich, zumindest teilweise, auf Herrn Buchanan, ebenso haben oder hatten einige ehemalige Forschungskollegen von ihm nicht gerade uneinflussreiche Positionen inne (kann man in meinen Beiträgen nachlesen).

Und wenn man bedenkt wie viele „Verfassungsbremsen“ im Moment als angeblich alternativlos und für die Bürger vorteilhaft, zumindest für genügend nützliche, beworben werden, z. B. die Sozialabgabenbremse, drängt sich solch eine Diskussion noch mehr auf. Nicht zuletzt, da laut Herrn Jörke auch schon bei der Schuldenbremse Herr Buchanan einer der geistigen Väter gewesen sei.

Und wir sollen auch über die Ähnlichkeit der Situation in den USA zu Zeiten des Roosevelt’schen New Deals, mit denen in der EU aktuell diskutieren. Und über die Frage wer hier wirklich in der Rolle des „reichen Mannes“ oder „armen Mannes“ ist, und dass man aufpassen sollte, dass man sich nicht aus vermeintlichem eigenen Vorteil zur Zustimmung für staatliche sozialpolitische Beschränkungen in der Verfassung verführen lässt, die man nicht tatsächlich als moralisch ethisch gerechtfertigt ansehen kann.

Erstes YouTube Video dieser Plattform „RKSLP“ online: „Sozialpolitischer Handlungsspielraum“

Zum Thema „Beschränken des demokratisch legitimierten (sozial-) politischen Handlungsspielraums“ ist jetzt auch eine Bildschirmpräsentation als Video bei YouTube online.

Darin geht es um die hier im Blog schon ausgiebig behandelten Fragen:

Welche Beschränkungen sind nötig und sinnvoll?

Wer versucht, aus welcher Intention heraus, Beschränkungen in die Verfassung, direkt oder durch internationale Verträge, einzubauen oder zu entfernen?

Was kann man unterstützend oder abwehrend tun?

Zu den Beiträgen von Prof. Dr. Hartmut Kliemt

Erwiderung zu den Blogbeiträgen:
http://wirtschaftlichefreiheit.de/wordpress/?p=21227
und
http://wirtschaftlichefreiheit.de/wordpress/?p=25393

Direkt an Herrn Kliemt gerichtet:

Ich habe gerade einmal ihre beiden Kommentare zum Buch „Democracy in Chains“ von Nancy MacLean gelesen.

Zunächst beklagen Sie sich dort (http://wirtschaftlichefreiheit.de/wordpress/?p=21227), dass „im akademischen Bereich alle guten Sitten der faktenorientierten Debatte zu verkommen scheinen“. Und dann schreiben Sie „dass sie im Gegensatz zum zuvor Gesagten keine ernsthafte intellektuelle Auseinandersetzung verdient“.

Das Buch von Frau MacLean beinhaltet alleine 60 Seiten Fußnoten bei einer Gesamtseitenanzahl von 334. Ihre Kommentare dagegen enthalten nur Aussagen wie „stinkt der Fisch vom intellektuellen Kopf“, „sich trauen, strategisch sinnentstellende Manipulationen“, „jegliche akademische Respektabilität absprechen“, „Nancy the Fancy“. Inhaltlich beschweren Sie sich nur, dass Herr Buchanan im Buch als jemand dargestellt werden würde, der ein „elitärer,
rassistischer Verschwörer sei, der über fünfzig Jahre daran arbeitete, die amerikanischen Republikaner in den ‚Neoliberalismus‘ zu führen“. Zitate aus dem Buch nennen Sie zur Untermauerung dieser Aussage keine und weitere Fakten auch nicht.

Vor allem ihren Ausdruck „sich trauen“ finde ich in Bezug auf dieses Buch sehr passend.

Ihr Blogbeitrag stammt von Mitte 2017 und bis jetzt hat sich kaum in Deutschland mal jemand „getraut“ sich mit dem Inhalt dieses Buches auseinander zu setzen.

Also dann eben wieder ich:

Frau MacLean war durch Sichten von Unterlagen, welche anscheinend bis dahin noch nicht wissenschaftlich ausgewertet wurden, aus dem Vermächtnis von Herrn Buchanan zu der Überzeugung gelangt, dass es eine finanzstarke und einflussreiche libertäre Bewegung um James Buchanan, die Koch- Brüder und zumindest Teile der Mont Pelerin Society (Genf, Schweiz) gab und auch ohne Herrn Buchanan weiterhin gibt, welche die freie Verfügungsgewalt eines jeden einzelnen über seinen Besitz als höchst schützenswertes Ziel ansieht. Deshalb möchten sie die Mehrheit so
weit wie möglich daran hindern, durch staatliche Maßnahmen, wie soziale Sicherheit und vor allem Umverteilung, ihren Besitz in Anspruch zu nehmen.
Und dazu würden sie versuchen schrittweise, bei jeder von der Mehrheit akzeptierten Gelegenheit, so weit wie möglich die Verfassung entsprechend zu beschränken. Z. B. bei der Schuldenbremse, und Ziele zur Sozialabgabenbremse oder Besteuerungsbremse. Immer bei jedem Schritt soviel wie mehrheitlich geht, da diese Bewegung nicht auf transparentem, direktem Weg die Mehrheit für ihre Ziele begeistern konnte.
In dieser Situation hat sich Frau MacLean dafür entschieden, ihre Fakten- basierte Überzeugung das hier etwas wirklich schlechtes von historischem Ausmaß im Gange ist, schnellstmöglich der Öffentlichkeit in Buchform mitzuteilen, wohl wissend, dass Sie sich wegen der kürze der Zeit wissenschaftlich angreifbar machen könnte und auch ihre Karriere aufs Spiel setzten könnte.

Alleine dies Verdient schon größtmöglichen Respekt und ist als vorbildhaft zu bezeichnen.

Wenn man zu solch einer Überzeugung gelangt, auch noch basierend auf bis dahin ungesichteten Unterlagen, ist es wichtig dies möglichst schnell öffentlich kundzutun. Damit solche Dinge öffentlich diskutiert werden können.

Und zumindest ich teile jetzt ihre Sorge, dass Sie hier eine Bewegung im Gange war und auch noch ist, welche ein schlechtes, ideologisches und unsoziales Ziel verdeckt verfolgt.

Und Sorgen kann man, wenn sie denn unbegründet sind, nur dadurch aus der Welt räumen, in dem man Sie Fakten-basiert wiederlegt und nicht die Autorin und ihren Arbeitgeber verunglimpft.

Und da die Aussagen des Buches, wie Sie wissen sollten, durch die enge Verbindung Buchanan’s mit Herrn Viktor Vanberg (phatta.de the Vater 🙂 ) vom Walter Eucken Institut und über dessen Sohn Georg (Mason the Sohn 🙂 ) auch für Deutschland und die EU von höchster Bedeutung sind, finde ich es völlig unverständlich und schädlich, dass es hierzulande zu keiner Diskussion über den Inhalt des Buches und über die Zielrichtung der Tätigkeiten des Walter Eucken Instituts gekommen ist.

Mit Schweigen kommt man da nicht weiter. Wir sollten uns trauen offen und frei (in den Grenzen die der Anstand vorgibt) zu diskutieren.

Hier versuche ich, nach bestem Wissen und Gewissen meinen Beitrag dazu zu leisten: rkslp.org

Also ran ans Werk mit Anstand und Vernunft, hört doch mal einer auf unseren Präsidenten, auf dass dessen (sozial-) politischer Handlungspielraum nicht zur Blaupause für die verfassungsgegebenen Handlungsfreiräume unserer zukünftigen
Bundesregierungen wird.

HoHoHo

Die Vanbergs, Mont Pelerin und das Buch „Democracy in Chains“

Kennt jemand Georg Vanberg?

Der war bis 2018 Präsident der US- Public Choice Society und ist aktuell Professor für Politikwissenschaften an der Duke University (USA).

Dort lehrt und forscht auch Frau Nancy MacLean, Autorin des Buches „Democracy in Chains“.

Sie ist Historikerin und hat schon mehrere Bücher veröffentlicht.

In dem aktuellen Buch geht es um die Entstehung und den Einfluss einer libertären (Neoliberale im Sinne von Hayek und Mises) Bewegung rund um den Ökonomen James M. Buchanan, dieser war vor allem an der George Mason University (USA) tätig, und mit den Koch Brüdern (US- Milliardären).

James Buchanan war ein Vertreter der Public Choice Theorie, nach welcher kurz gesagt, der politische Handlungsspielraum von demokratisch gewählten Repräsentanten per Verfassungsänderung eingeschränkt werden soll, damit nicht die Mehrheit, oder Koalitionen von Teilgruppen ihre Interessen auf Kosten von Minderheiten durchsetzen können. Und auch die Verfolgung von Eigeninteressen der Repräsentanten selbst soll durch solche Verfassungsbeschränkungen entschärft werden.

Das wirkt ja auf den ersten Blick nicht unvernünftig. Ist gibt ja auch schon in hoffentlich jeder Verfassung demokratischer Staaten Schutzklauseln für Minderheiten vor potentiell schändlichen Bestrebungen der Mehrheit bzw. der gewählten Repräsentanten (da ist dann auch die Mehrheit zu schützen).

Nicht wenige Libertäre sehen aber nun aus unterschiedlicher Intention heraus auch die freie Verfügungsgewalt eines jeden einzelnen über seinen Besitz als schützenswertes Ziel an. Deshalb möchten sie die Mehrheit so weit wie möglich daran hindern, durch staatliche Maßnahmen, wie soziale Sicherheit und vor allem Umverteilung, ihren Besitz in Anspruch zu nehmen.

Und Frau MacLean war nun durch Sichten von Unterlagen, welche anscheinend bis dahin noch nicht wissenschaftlich ausgewertet wurden, aus dem Vermächtnis von Herrn Buchanan zu der Überzeugung gelangt, dass es eine finanzstarke und einflussreiche libertäre Bewegung um James Buchanan, die Koch- Brüder und zumindest Teile der Mont Pelerin Society (Genf, Schweiz) gab und auch ohne Herrn Buchanan weiterhin gibt, welche genau diese Libertäre- Grundhaltung teilen.

Und da diese Bewegung nicht auf transparentem, direktem Weg die Mehrheit für ihre Ziele begeistern konnte würde sie es nun verschleiert versuchen.

Und in dieser Situation hat sich Frau MacLean dafür entschieden, ihre Fakten- basierte Überzeugung das hier etwas wirklich schlechtes von historischem Ausmaß im Gange ist, schnellstmöglich der Öffentlichkeit in Buchform mitzuteilen, wohl wissend, dass Sie sich wegen der kürze der Zeit wissenschaftlich angreifbar machen könnte und auch ihre Karriere aufs Spiel setzten könnte.

Alleine dies Verdient schon größtmöglichen Respekt und ist als vorbildhaft zu bezeichnen.

Wenn man zu solch einer Überzeugung gelangt, auch noch basierend auf bis dahin ungesichteten Unterlagen, ist es wichtig dies möglichst schnell öffentlich kundzutun. Damit solche Dinge öffentlich diskutiert werden können.

Und zumindest ich teile jetzt ihre Sorge, dass Sie hier eine Bewegung im Gange war und auch noch ist, welche ein schlechtes, ideologisches und unsoziales Ziel verdeckt verfolgt.

Womit wir wieder bei Herrn Georg Vanberg wären.

Der hatte sich über den Stil des Buches und die Darstellung von Herrn Buchanan in MacLean‘ s Buch beschwert und dann geschrieben, dass die wahren Ziele von Herrn Buchanan unter anderem diese gewesen seien (Zitat aus der Washington Post: https://www.washingtonpost.com/news/volokh-conspiracy/wp/2017/07/14/duke-professor-georg-vanberg-on-democracy-in-chains/ ):

„If a social institution improves the welfare of individuals as they see it, it should be possible to secure individuals’ agreement to it. Conceptually, at least, unanimity rule therefore becomes the proper criterion for evaluating social institutions. Only those institutions that can secure the agreement of all individuals affected by them are legitimate. As Buchanan put it, “if politics in the large, defined to encompass the whole structure of governance, is modeled as a the cooperative effort of individuals to further or advance their own interests and values, which only they, as individuals, know, it is evident that all persons must be brought into agreement” (Buchanan 1986/2001: 220f.). In short, the very foundation of Buchanan’s project is the principle that political arrangements should make all individuals better off, and do so by their own assessment. „

Also kurz gesagt, schreibt er, dass nur solche politischen Vereinbarung für alle gelten sollen dürfen, denen jeder aus freier Überzeugung zustimmt. Also ein Einstimmigkeitsprinzip.

Das ist aber auch gleichbedeutend mit der Aussage, dass jeder nur die Verfassungsregeln, wie Besteuerung, akzeptieren müssen sollte, welche er auch selbst für angemessen hält. Zumindest solange er sich solch eine Uneinigkeit leisten könnte.

Nur hat Herr Georg Vanberg dies etwas verdeckter zum Ausdruck gebracht.

Also hat er die Überzeugungen von Frau MacLean in diesem Punkt nur untermauert.

Der Vater von Herrn Georg Vanberg ist übrigens Herr Viktor Vanberg ( https://de.wikipedia.org/wiki/Viktor_Vanberg)

Der hatte mit Herrn Buchanan zusammen an der George Mason University geforscht, ist oder war Mitglied der Mont Pelerin Society, ist Mitglied des Walter Eucken Instituts in Freiburg und vertritt in seinem Buch „Wettbewerb und Regelordnung“ die selbe Ansicht.

Wenn man bedenkt wie einflussreich die Mitglieder dieses Instituts sind
(Lars Feld, Nils Goldschmidt, Michael Wohlgemuth) und welche inhaltlichen Positionen die vertreten, würde ich mir wünschen, dass auch einmal in Deutschland jemand prüft, wer hierzulande, aus welcher Intention auch immer heraus, versucht Einfluss auf die Politik und öffentliche Meinung zu nehmen, offen oder verdeckt, um Verfassungsbeschränkungen zu verankern. Von dem Vorschlag unseres Wirtschaftsministers eine Sozialabgabenbremse einzuführen hat zum Beispiel wohl noch kaum einer etwas gehört.

Aber auch die EU Wirtschaftsverfassung und auch die WTO- Verträge sollte man unter diesen Gesichtspunkten nochmal ganz genau prüfen. Ganz zu schweigen von TTIP und Co.

Denn in der EU- Wirtschaftsverfassung sind ja gerade alle kollektiven sozialpolitischen Entscheidungen von der Zustimmung aller abhängig, da dafür zunächst diese Verfassung angepasst werden müsste. Einen gemeinsamen sozialpolitische Handlungsspielraum gibt es nämlich aktuell nicht. Nur den Zwang für alle Mitgliedstaaten sich gegenseitig wirtschaftliche und individuelle Freiheiten zu gewähren, unabhängig von den sozialen Kosten.

Demokratie braucht Transparenz, die nötige Handlungsfreiheit und Beschränkungen zum Schutz des Wohlergehens jeden einzelnen Menschen nicht zum Schutz von absoluter wirtschaftlicher Freiheit. (Und eventuell am besten noch irgendwann einmal einen individuellen Notausstiegsknopf. Seine politischen absoluten Mindestüberzeugungen sollte man auch nicht der Mehrheitsentscheidung überlassen.
Wenn einem das Wohlergehen jeden einzelnen wichtig ist muss man dann eben intervenieren …; aber das ist eine andere Geschichte. )

Und der Markt braucht soziale Sicherheit und Mindeststands.