Ein Kommentar zur aktuellen Lage in Griechenland

Innerhalb eines gemeinsamen Währungsraumes gibt es für einen Staat, welcher eine negative Leistungsbilanz aufweist aus preislicher Wettbewerbssicht nur die Möglichkeit seine Löhne zu drücken, da die Option der Abwertung der eigenen Währung nicht mehr besteht.

Erfreulich ist ja auf den ersten Blick, dass aktuell die griechische Leistungsbilanz (http://www.factfish.com/de/statistik-land/griechenland/leistungsbilanz%20saldo) nach einem Rekorddefizit 2008 nun wieder fast ausgeglichen ist.

Nun gilt es zu prüfen, wie dies erreicht wurde.

Laut diesem Artikel (https://www.handelsblatt.com/politik/international/mehr-auswanderung-weniger-geburten-griechenland-wird-zum-altenheim-europas/23830940.html) des Handelsblattes hat sich das griechische Durchschnittseinkommen seit 2011 um ein Drittel verringert.

Heißt dies nun, lässt man die Tatsache einmal außer Acht, dass dafür unter anderem eine EU- Technokraten Regierung (siehe Wikipedia) kurzfristig eingesetzt werden musste, dass damit der gleiche Gesamteffekt erzielt wurde, wie bei einer „automatischen“ preislichen Anpassung durch Abwertung der eigenen Währung in einem System ohne gemeinsame Währung?

Zumindest ist nach dem selben Artikel im Handelsblatt auch das Gesamtvermögen der Griechen um 40% gefallen. Dieser Effekt wäre wohl auch bei einer Abwertung der eigenen Währung, ohne Kapitalflucht, eingetreten. Und ein Vorteil der gemeinsamen Währung ist definitiv, dass dadurch auch die Staatsschuld in Fremdwährung nicht ansteigt.

Das hört sich ja zunächst einmal positiv an.

Allerdings ist auch die griechische Wirtschaftsleistung laut dem Handelsblatt- Artikel um 25% gefallen und die Arbeitslosigkeit zunächst stark angestiegen, wenn auch mittlerweile diese wieder auf ca. 18,6% zurückgegangen ist.
Also der Export scheint durch den Lohnrückgang nicht sonderlich profitiert zu haben.
Laut dieser Analyse (https://atlas.media.mit.edu/de/profile/country/grc/) nur um weniger als 10% seit 2008.
Ganz anders sieht es laut dieser Analyse bei den Importen aus, diese sind auf 60% des 2008 Wertes zurückgegangen.

Kommt die ausgeglichene Bilanz also nur daher, dass die Griechen weniger importieren, und mit Blick auf die fallende Wirtschaftskraft auch weniger konsumieren?

So scheint es.

Sind dann wenigstens auch die Mieten, wie bei einer Währungsabwertung gefallen?
Nein. Laut diesem Bericht (http://www.griechenland-blog.gr/2017/10/wohnungsmangel-in-griechenland-treibt-mietpreise-hoch/2141411/) sind diese sogar noch gestiegen.
Die Lebenserhaltungskosten dürften also insgesamt kaum gefallen sein, trotz der niedrigeren Inlandspersonalkosten.

Da laut dem Handelsblatt- Artikel immer mehr junge, gut ausgebildete Griechen ins Ausland gehen und damit den heimischen Staatshaushalt und die Sozialsystem nicht mehr mitfinanzieren, die Ernährungssicherheit abnimmt (https://www.welt.de/politik/ausland/article184347256/Fast-die-Haelfte-der-griechischen-Landbevoelkerung-von-Armut-bedroht.html) und sich nicht mehr alle die nötigen Medikament leisten können, kann man die momentane Lage in Griechenland wohl trotz der ausgeglicheneren Wirtschaftsdaten wohl nicht unbedingt als angenehm bezeichnen.

Deutschland hatte 2017 laut diesem Artikel (https://atlas.media.mit.edu/de/profile/country/grc/) weiterhin einen bilateralen Handelsüberschuss mit Griechenland in Höhe von ca. 3 Milliarden €.
Also 3 Milliarden € des griechischen Vermögens sind zu uns geflossen.
Nehmen wir einmal an, dass 10 Prozent der ca. 11 Millionen Griechen zur Zeit etwas unterernährt wären. Also ca. 1 Million.
1 Millionen durch 3 Milliarden macht 3000.
Für 3000 € mehr im Jahr könnten sich diese Griechen wohl zumindest vernünftig ernähren und auch noch die wichtigsten Medikamente bezahlen.

Warum ist es für manche deutsche Parteien daher so schwierig, sich dafür einzusetzen, dass zumindest der bilaterale Überschuss als Ausgleichszahlung zur Existenzsicherung wieder an Staaten wie Griechenland zurückgezahlt wird? Wir könnten ja auch als Gegenleistung eine Arbeitsleistung der Griechen einfordern. Genügend Arbeitskräfte mit „Zeitüberschuss“ gibt es dort ja noch. Bei der Forderung nach weiteren „Reformen“ als Gegenleistung sollte man aber aufpassen, dass man dabei nicht nur soziale Einschnitte einfordert, welche weit unter den eigenen sozialen Standards liegen.
Forderungen nach sinnvollen Reformen und gleichen sozialen und fiskalen Standards sind aber natürlich begrüßenswert.

Und was ist eigentlich mit dem Geld, dass zum Beispiel zunächst von Griechenland in die USA gelangt, um von dort Medikamente zu importieren. Und dann von US- Amerikanern verwendet wird, um bei uns in Deutschland Autos zu kaufen?
In welcher Leistungsbilanz kann man solche Kapitalflüsse nachvollziehen?

Wenn Griechenland eine eigene Währung hätte, müssten diese Geldbeträge sowieso wieder nach Griechenland zurückfließen.
Wobei die EU als ganzes allerdings ohne den Euro wohl einen weit weniger hohen Wirtschaftsertrag hätte. Aber diesen Ertrag muss man eben zumindest fair verteilen.
Ansonsten werden sich Staaten wie Griechenland und Italien wohl immer mehr anderen Bündnispartnern zuwenden müssen.
Die Stichworte „Neue Seidenstraße“ und „Mittelmeerzugang für Russland“ sollte man diesbezüglich im Hinterkopf behalten, auch schon bei der Frage, wie wichtig es einem ist, dass innerhalb der EU jeder ein lebenswertes Existenzminimum besitzt …