Eigentum außer Kontrolle

Über Aristoteles wird ja gesagt, dass für ihn die demokratische Möglichkeit, dass die Mehrheit der Armen den Reichtum der Reichen unter sich aufteilen, einem Raub gleich käme. Das erinnert etwas an die proprietäre Ideologie, dass die Besitzenden entscheiden sollen. Ganz so scheint es aber nicht gewesen zu sein. Zwar gehörte, laut Wikipedia Politik (Aristoteles), für ihn die Demokratie zu den entartenden, am Eigennutz orientierten, Verfassungsformen, aber eben auch die Oligarchie und die Tyrannis. Er war eben eher wie später Thomas Hobbes der Meinung, dass es besser ist wenn ein Fürst, die Besten oder die Besonnensten regieren. Da stellt sich eben nur die Frage wie man „die Besten“ ermittelt. Sollen die sich jeweils gegenseitig auswählen, sobald sie zuvor einmalig bestimmt wurden. Und wenn ja, wer bestimmt sie dann initiativ? Zur Ermittlung der Besten könnte man Kriterien festlegen nach denen alle beurteilt werden. Nur müssen eben auch solche Kriterien erst mal bestimmt werden. Das gleiche gilt natürlich auch für die Auswahl der Besonnensten. Bei dem Wunsch einer Herrschaft der Besonnenen im Interesse des Gemeinwohls muss ich direkt etwas an das idealisierte Selbst- und Propaganda- Bild marxistisch-leninistischer Einparteien- Herrschaften denken. Gut, da waren Reiche erstmal nicht mehr unbedingt vorgesehen, aber dass hat sich ja zum Beispiel in China etwas gewandelt, also Reiche und private Unternehmen gibt es da jetzt auch. Also die Kommunistische Partei Chinas hätte wohl nichts dagegen als die „besonnenen“ Herrscher einer Politie, nach Aristoteles, zu gelten.

Aber bei all diesen Herrschaftsformen stellt sich eben die Frage: Was wenn nicht (mehr) tolerabel?

Wie wird man solch eine Herrschaft dann wieder los?

Als Antwort auf diese Frage hat sich in vielen Staaten, dann eben doch aktuell erstmal die Demokratie durchgesetzt. Da die Antwort dann ist: Dann wählen wir halt eine andere. Ist eben dann nur die Frage ob es dann besser bzw. besonnener wird. Wenn’s am Volk liegt wohl eher nicht. Zumindest an dessen grundsätzlicher Haltung. Wenn nur Wissen fehlt könnte man das nachholen, aber dafür bräuchte man stabile nicht ideologisch vernudgte Zeiten. Aber wenn das Kind erst mal in den Brunnen gefallen ist … . Daher bin ich ja dafür, dass man im Notfall, oder eigentlich besser schon vorher, UMSA (universell moralischer Selbstanspruch)- Werte-gebunden oder UMSA- fair Interessen- gebunden mit einem fairen Anteil an allem raus kann, wenn es SÖSZ (sozial, ökologisch, Sicherheits- oder Zukunftsorientiert)- mäßig nicht mehr tolerierbar ist/scheint.

Der Zusatz „ein fairer Anteil an allem“ führt uns dann auch zurück zum eigentlichen Thema für heute: Der Kontrolle über Eigentum.

Denn um jedem einen fairen Anteil geben zu können, muss man natürlich eine entsprechende Kontrolle über das Eigentum im aktuell Staat haben. Einen Auftrag für solche eine Kontrolle wird man wohl schon aus unserer Verfassung, je nach Auslegung des im Zeitverlauf richterlich wechselnden Verfassungsgerichtes, genauer aus der Kombination aus „Würde“ und „Eigentum verpflichtet“ rauslesen können. Oder man macht eben ein Referendum und gibt sich als Staatsvolk, eine neue Verfassung, da ist dann eben die Frage wie sich „die Sicherheit“ entscheidet. Bei den Franzosen gehört das ja quasi schon zum Standard. Die sind ja schon in der ca. 5. Republik. Natürlich braucht man in solchen Momenten, wo die „Tyrannei der Mehrheit“ natürlich am ehesten durchschlagen kann, erst recht ein Recht sich mit einem fairen Anteil an allem der neuen Republik notfalls entziehen zu können. Damit man das dann aber auch gegen die Tyrannei könnte wäre ein unmittelbarer hinreichender Anteil an und für die „Besonnenen“ natürlich „vorteilhaft“. Also eine gewisse Gleichverteilung und genügende „Besonnene“ müsste es schon zuvor geben, dann würde das Ausgründen wohl „samtener“ ablaufen.

Wobei das Problem ist aktuell definitiv eher, dass man sich bereits mit seinem aktuellen Anteil aus der aktuellen Staatsgesellschaft zurückziehen kann. Man muss nur die Staatsangehörigkeit wechseln. Einen entsprechenden „Investionsschutz“ vorausgesetzt hat man dann auch sein Vermögen innerhalb seines Ex- Staates „in Sicherheit“ vor dessen Zugriff gebracht. Und seinen fairen prozentualen Anteil an den öffentlichen Schulden seines Ex- Staates ist man dann auch gleich mit los.

Wenn heute die 10% – 20% der wohlhabendsten Deutschen, die mehr oder weniger alles ihr Eigentum nennen, zusammen die Staatsangehörigkeit wechseln würden und die Investitionsschutzverträge wie sie seit den 1980ern „in Mode“ sind voll greifen würden, hätten die restlichen 80% auch innerhalb „ihres“ eigenen Staatsgebiets mehr oder weniger über nichts mehr wirklich die Kontrolle. Neben den „Verfassungsbremsen“ sind Investitionsschutz. und Freimarktverträge eben das 2te große Einfallstor für die wirtschaftslibertäre, proprietäre Ideologie bzw. den Freiheits- (Macht- )willen entsprechend gesinnter Eigentumsbürger. Wenn man da als besonnener Staatsbürger nicht aufpasst, ähnelt das demokratisch gewählte Parlament von seinem Machtbefugnissen her bald nur noch einem Kaffeekränzchen. Selbst Nachtwächter- Funktionalität wird dann wohl bald auf neue „standesmäßiger“ besetzte „Gremien“ übertragen. Die gute alte Whig- Zeit lässt grüßen. Hayek wird sich nicht umsonst als einen Old-Whig bezeichnet haben. Dem Risiko einer Aristokratie, im Sinne Aristoteles, also einer Herrschaft der Besten, werden sich echte Proprietäre wohl kaum aussetzen wollen. Das ist aber auch der Grund warum Herrschaften der aktuell Besitzenden ohne echte Monarchen, selten von langer Dauer sind. Die Macht ist zu verteilt und weder auf die Besten noch auf die Besonnenen. Solche Herrschaften sind meist zu optimistisch, „unbeherrscht“ und machen sich zu viele Feinde. Typische Oligarchien, auch nach Aristoteles, eben. Da muss sich die aktuelle FDP eben Fragen, ob sie sowas anstrebt. Und die SPD, ob sie die Partei der nach außen zu (eigensinnigen) „Demokraten“ sein will. Und die Grünen, ob außer Klimaschutz aktuell, wegen der Priorität, wirklich alle anderen Mindeststandards, bezüglich ihrer Einhaltung, außerhalb ihres Zuständigkeitsbereichs liegen. Wenn man beim „EU- Nationbuilding“ zwischendrin aufhört, bis der Klimaschutz durch ist, muss man sich nicht wundern, wenn’s dann am Ende total ideologisch, weil zuvor Elend für zu viele, wird.

Wenn die alte stark zu rechts angehauchte Formel des „Volks ohne Raum“ jetzt plötzlich als Farce zurückkommt (kommen könnte), da zu viel Wohnraum und Boden nicht nur privatisiert, sondern gleich der staatlichen Kontrolle entzogen wurde, sodass man als Regierung nun nicht mal mehr sicherstellen kann, dass genug Flächen für Wohnraum und tatsächlich Wohnraum verfügbar ist, da die Eigentümer lieber was anderes bauen, oder mit Blick auf Ideologen, Interessierte und auch Schmoller’s Saboteure „lieber Billard spielen“, also den dahin, den dort hin, den gar nicht und mal schauen was es anstößt, bestätigt das zwar einerseits Einschätzungen über den Ablauf, Wiederholungen, in der Geschichte, aber besser wird es dadurch auch nicht. Es sollte eben auch ein Menschenrecht auf Platz zum Wohnen und Leben geben. Wenn dann in einem Staat Menschen wegen Ablehnung der, oder (mittelbare) Vertreibung durch die lokale Herrschaft fliehen wollen (müssen), sollten sie stattdessen besser ein Anrecht auf ein Leben in Sicherheit und mit fairem Anteil an allem am Rande ihres noch aktuellen Staates haben. Aber diesen Anspruch müssten dann natürlich von entsprechend willigen Staaten auch durchgesetzt werden. Sonst wird’s eben enger für die im Fluchtzielland oder elender für die Fliehenden.

Und das gleiche was für Wohnraum gilt, gilt natürlich auch für Produktionsstätten, Anbauflächen, Rohstoffe und so weiter all das kann soweit aus dem staatlichen Zugriff entgleiten, als ob die Gesellschaft als ganzes und fast, eben bis auf den aktuell Eigentümer, jeder einzelne es verloren hätte. Höchstens die ausländischen Arbeiter in solchen Stätten kann man dann noch besteuern, solange nicht alles digitalisiert und automatisiert wurde. Das ist als gesellschaftliches Geschäftsmodell aber dann auch kein wirklich nachhaltiger Tausch für den unmittelbaren Kontrollverlust. Das schafft nur Unmut und bei zu viel Elend auch „Unruhe“.

Wenn ich bei jemand einkaufen gehe oder Produkte von jemanden kaufe will ich eben eigentlich nicht, dass der durch ideologisches Nudging dafür sorgt, dass durch die politisch gewählten der staatliche Handlungsspielraum so „ausgebremst“ wird, dass der Produzent oder Dienstleister später seine durch die Kunden erhaltende Wirtschaftsmacht nach Gutdünken auch für nicht zweckgebundene Eigeninteressen verwenden kann oder diese an jemand weiterverkauft der das dann tun kann. Solchen Interessen muss dann ein hinreichend handlungsfähiger Staat entgegen stehen. Diese Einsicht wird aktuell aber leider, nach meiner Ansicht, nicht mehr von hinreichend vielen politischen Akteuren geteilt. Genau genommen von deutlich zu wenigen.

Also Fazit: Demokratische Kontrolle ist keine Verstaatlichung, sie stellt nur sicher, dass staatlich das Hinreichende getan werden kann was freiwillig noch nicht erfolgte. Da es aber auch keine Garantie für „staatliche Moral“ gibt, muss man fair sich und seinen fairen Anteil zur Not fair hinreichend vor dem Staat schützen können. Verfassungsrechte sind da hilfreich aber abhängig vom Verfassungsgericht. Also als letzte Instanz bleibt einem nur das Ausgründrecht inklusive fairem Anteil an allem. Um den dann aber sichergenug in tolerierbarem Umfang bekommen zu können, ist es schon „vorteilhafter“ wenn die regionale und auch die individuelle Ungleichheit generell nicht zu groß wird oder zumindest die physische Macht zum Ausgleichen sichergenug fair gegeben ist.

… und dann kam Corona. Teil 2

Nachdem im ersten Teil von letzter Woche, … und dann kam Corona. Teil 1:, schon festgestellt wurde, dass viele mit der aktuellen wirtschaftspolitischen Überwindung der ökonomischen Gefahren und tatsächlichen Schäden durch die Corona- Pandemie ja die Hoffnung auf ein anderes nachhaltig sozialeres, ökologischeres und manche wie ich auch auf ein stärker Sicherheit- orientiertes wirtschaften verknüpfen. Von einer Abkehr von einer Ideologie, die man gemeinhin als neoliberal, wirtschaftslibertär oder neoproprietär bezeichnet. Es dann aber vor allem erstmal um die Definition dieser drei Begriffe ging, um die Situation vor Corona und um das was man eigentlich erreichen möchte, soll es in diesem Beitrag vor allem darum gehen zu beurteilen, ob man Anzeichen dafür erkennen kann, dass man tatsächlich auf dem Weg zu einer nachhaltig sozialeren, ökologischeren und sichereren Welt, von Deutschland aus, ist.

Als die wichtigsten Voraussetzungen dafür wurden ja vor allem die Einsicht und die Bereitschaft einen hinreichenden aktiven Ausgleich, wirtschaftlicher oder finanzieller Art, eine hinreichende Priorisierung der Wirtschaftstätigkeit vor allem hin zu einer gemeinsamen Grundbedarfsdeckung und hinreichende Regulierung zu sozialen, ökologischen, Sicherheits- und Zukunfts- orientierten Zwecken herbeizuführen als Ziel und Aufgabe ausgemacht.

Die Aufgabe oder vielleicht besser der Zweck des Marktes ist es eben die beiden beweglichen Produktionsfaktoren Arbeit und Kapital, so hin zu dem Produktionsfaktor Boden, den Standorten zu verteilen, dass im Ergebnis die Kundenwünsche, bezogen auf den Preis zu einen fest Zeitpunkt am optimalsten erfüllen werden.

Das führt dann aber logischerweise in einem gemeinsamen Markt mit weiterhin getrennten Sozialversicherungen und Haushalten der einzelnen Nationalstaaten zu starken Verwerfungen und Konzentrationseffekten. Und je stärker dieser Konzentrationseffekt wird, desto eher kann der „Faktor Boden Besitzer oder Beherrscher“ diese Marktmacht auch schon ohne über den Staat gehen zu müssen, „Andere Standorte“ und Marktergebnis- schädigend einsetzen. (Zu) unsozial und (zu) unfair kann man eben sowohl über den Markt als auch über den Staat sein.

Und da man wohl davon ausgehen kann, dass auf der Unternehmenskapitalseite höhere Marktanteile durch die Synergieeffekte zumindest bis zu einem gewissen Punkt einen selbst verstärkenden Effekt haben, der irgendwann zu solch einer Machtstellung führen kann, dass diese Unternehmen dann auch anderen Unternehmen gleicher oder anderer Branche unfair und Marktergebnis- schädigend schaden können.

Und da dies wohl auch für die Finanzkapitalseite gelten wird und dort Marktmacht noch dazu dazu führen kann, dass die Preise der Produktionsfaktoren ebenfalls Anbieter- und Marktergebnis- schädigend verzerrt werden können im Sinne eines oder einer Gruppe von Finanzmarktakteuren, vor allem wenn man bedenkt, dass sich die meisten großen Finanzinstitute auch noch untereinander gehören.

Und wenn man dann auch noch bedenkt, dass auch der Faktor Arbeit neben der räumlichen, nationalstaatlichen Option auch noch nach Qualifikation und Branche getrennt werden kann, beziehungsweise sich auch selbst trennen kann. Und eben vor allem in diejenigen, die aktuell am Markt gesucht werden und diejenigen, die aktuell eher am Arbeitsmarkt suchen müssen, sieht man eigentlich recht schnell wo das Problem liegt, dass es zu überwinden gilt.

Es muss eben darum gehen, dass nicht jeder einfach versucht für sich aktuell das meiste rauszuholen, sondern dass man dabei eben sowohl als Kapitaleigner, als Arbeiter oder Angestellter, oder als „Standortbesitzer“, egal ob als Staat oder Privat, hinreichend sozial und fair vorgeht oder gemeinsame Institutionen schafft, die das für einen wirklich sicherstellen und dass man vor allem eine faire Verfassung schafft, mit Regeln, die moralisch jeder gut finden können sollte, Regeln die jedem einem fairen Anteil am Marktergebnis garantieren. Aber auch eine Verfassung die einem das Recht einräumt und die realpolitische Möglichkeit aufrechterhält, dass man sich jederzeit aus dem gemeinsamen Markt, dem gemeinsamen Staat mit einem fairen Anteil an allem zurückziehen kann, wenn man die augenblickliche Verfassung, bzw. die Ausübung der Verfassungsrechte als zumindest nicht mehr moralisch für sich selbst als tolerierbar ansieht und man sich lieber mit anderen zusammenschließt, die den eigenen Werten zumindest tolerierbar entsprechen.

Wie gesagt kann eben sowohl das Marktergebnis wie auch das Staatshandlungsergebnis zu unsozial, zu unökologisch, zu unsicher und zu wenig zukunftsorientiert sein.

Dann muss man aus einigem davon oder gleich aus allem davon mit einem fairen Anteil an allem raus können.

Es gibt eben wirklich kein (normatives) Leben im Falschem, eben im zu unsozial, zu unökologischem, zu unsicherem und zu wenig zukunftsorientiertem. Da hatte Adorno recht.

Also lasst uns das Recht sich notfalls mit einem fairen Anteil an allem aus jedem Staat und jedem Markt ausgründen zu dürfen als Menschenrecht fordern, dass in jeder Verfassung jedes Staates und jedem gemeinsamen Marktes fest verankert zu sein hat. Damit sich diejenigen, die sich mit einem fairen Anteil an allem zufrieden geben und sich auch zumindest für alle Beteiligten tolerabel darauf einigen können wie dieser aussehen soll endlich zu einem gemeinsamen Supra- Staat zusammenschließen können. Aber nur solange man sich einig genug ist, sonst muss man wieder gehen dürfen mit einem fairen Anteil an allem.

Wobei da aber natürlich, um auch mal Kant zu zitieren, beim Faktor Arbeit die Schwierigkeit Auftritt, dass die Bürger sowohl Subjekt als auch eben in Bezug auf die Arbeit auch Objekt sind.

Da fair zu teilen ist natürlich „spannend“. Da muss man halt noch weiter automatisieren. Aber je weniger der Faktor Arbeit am Menschen hängt, desto weniger ist das Kapital auf Menschen angewiesen. Umso wichtiger ist daher das Recht auf einen fairen Anteil und die entsprechende Handlungsfähigkeit dieses Recht auch durchzusetzen.

So. Aber heute sollte es ja nicht nur darum gehen was sein sollte, sondern vor allem auch darum wie aktuell die Chancen stehen, dass dies auch bald sein könnte und wer wofür steht.

Der momentane Wirtschaftsschaden ist ja das Resultat eines klassischen externen Schocks. Da sieht ja selbst die Schuldenbremse noch genug Spielraum vor um da erstmal handlungsfähig zu bleiben. Beim Zurückzahlen sieht das sehr wahrscheinlich nochmal anders aus, und „Dank“ des Verfassungsrangs der Schuldenbremse entscheidet darüber das Verfassungsgericht zumindest recht umfangreich mit. Und dessen „Haltung“ kann man nicht alle 4 Jahre abwählen, sondern (eigentlich) nur langsam ersetzen (Hab ich jetzt von irgendwo her ein „pack the court“ gehört 🙂 ). Also da steht aktuell eventuell gar nicht zur Wahl, wie schnell wir die Schulden zurückzahlen müssen. Aber die EZB könnte da eventuell, einer entsprechend gewillten Regierung behilflich sein. Wobei keine „Nicht- Investitions- Schulden“, zumal welche für die man eventuell mal Zinsen zahlen müsste oder die zu einem festen Zeitpunkt zurückgezahlt werden müssen, wohl praktisch immer vorzuziehen ist. Aber soziales Leid, Klimaschäden oder Sicherheits- oder gute Zukunftsaussichten- Einbußen nur um ein paar Jahre früher schuldenfrei zu sein hinzunehmen ist auch selten eine (moralisch) gute Idee. Ist eben eine Ermessens Frage, für die man schon genügend Handlungsspielraum als Regierung braucht. Verfassungsbremsen sind daher meist, selbst wenn sie auch aus sozialer Sicht für die Gegenwart und Zukunft gut gemeint sind, hinderlich. Und wenn man noch bedenkt aus welchem Umfeld die Schuldenbremse schon stammte darf diese soziale Gesinnung doch auch dort schon stark angezweifelt werden. Aber leider ist ja stark zu befürchten, dass nun auch mit Verweis auf Corona und die Wettbewerbsfähigkeit die Sozialabgabenbremse kommen soll. Was besonders irrsinnig ist, da nicht wenige ja gerade versuchen diesen sozialpolitisch destruktiven RaceToBottom- Steuer und Abgaben- Wettbewerb international zu beenden. Und anstatt da mit zu machen versuchen diese Nachtwächter- „Pakete- Bremsen“- Bauer auch noch damit ihre Pakete mehrheitsfähig zu machen. Also das ist auch etwas das durch Corona eher noch verstärkt worden sein könnte. Das Atlas Network und andere Wirtschaftslibertäre schlafen eben nicht (gleichzeitig).

Eigentlich müsste man jetzt mal klären wer für nicht versicherbare externe Schocks zahlt. Es gibt eigentlich immer nur 2 Wege um solche Schocks abzuzahlen, entweder spart man vorher am Konsum oder an nicht so wichtigen Investitionen und legt sich eine Reserve an oder man spart hinterher am Konsum oder nicht so wichtigen Investitionen. Obwohl einen dritten Weg gibt es bei solchen Ausfällen wie bei Corona auch noch, man bezahlt einfach den Erhalt seiner Konsum und Investitionsinfrastruktur schon während der Krise weiter, dann hätte man nur für die Corona- Bekämpfung Sonderausgaben gebraucht. Da müsste man das aber dann auch international zusammen so umsetzen oder Rechte drauf haben. Also anstatt noch mehr Freimarkt- Verträge und ungebremsten Investitions- und Patentsschutz müsste man dringend mal über sowas verhandeln. Auch für TTIP und Co gilt, selbst wenn die nicht nur „Neoproprietären Fortschritt“ herbeiführen sollen, dürfen die aktuell einfach keine Priorität haben, das ist eigentlich offensichtlich unredlich.

Man braucht eben internationale Verträge für hinreichende soziale, ökologische, Sicherheits- und Zukunfts- orientierte Zwecke für eine Priorisierung der Wirtschaftstätigkeit hin zur gemeinsamen Grundbedarfssicherung und eben für einen fairen hinreichenden Ausgleich, wirtschaftlich und finanziell. Dazu zählt dann auch ein fairer Investitionsschutz, der muss dann aber eher aus der gemeinsamen Vermögensmasse erfolgen und nicht (nur) von den Einkommen.

Man könnte die internationale Unternehmenssteuer als ein erster kleiner Schritt in diese grobe Richtung hin zu solchen Verträgen sehen. Oder eben auch nur als ein kleines Strohfeuer. Als ein Art „Steve Palmer- Linux“.

In Deutschland ist es der wichtigste politische Schritt jetzt endlich mal anzuerkennen, dass im freien Markt diejenigen mit den wirtschaftlichsten Standorten einen zu großen Vorteil, zumal noch bei gemeinsamer Währung, haben, als das man das ohne hinreichenden Ausgleich, wirtschaftlicher und/oder finanzieller Art, hinnehmen könnte. Um sich da Notfalls wehren zu können brauchen die einzelnen EU Staaten genügend nationalen politischen Handlungsspielraum. Also definitiv keinen Zwang zur Gewährung aller 4 wirtschaftlichen Grundfreiheit auch bei unkooperativen. Entsprechende Verfassungsregeln wären natürlich am besten, solange sie keinen unfair überlasten.

Sowas ist aber von fast keiner > 5% Partei, zumindest mit einem Sicherheitkonzept, dass ich nach meinem aktuellen Kenntnisstand noch durchwinken könnte, im Programm. Dann leider höchsten noch von der AfD. Die wollen aber einfach nur aus der EU oder dem Euro raus, ohne eine Ausgleichsunion. Dann stehen wir aber wieder dort, wie nach dem 1sten Weltkrieg. Das ist keine Lösung. Und die sind aber eh zu Rechts und zu Hayek.

Und nur eine gemeinsame Arbeitslosenversicherung für externe Krisen ist einfach offensichtlich, in einem Zwangssystem wirtschaftlicher Freiheit, zu wenig und wirkt stark nach „Wir retten nur die, die wir brauchen oder die uns sonst gefährlich werden könnten“.

Aber mehr haben die Grünen und die SPD eben leider auch nicht im Programm. Die Grünen wollen immerhin noch aktiv etwas gegen unseren Exportüberschuss tun. An das Wort „hinreichend“ kann ich mich in diesem Zusammenhang aber auch nicht erinnern.

Und die Frage, ob wir nun noch einen unbeschnittenen Verfassungsanspruch auf einen fairen Finanzausgleich in Deutschland haben wird im Wahlkampf bisher auch nicht thematisiert.

Es hört sich alles nach dem Motto an, „Für diesen einmaligen Externen- Schock Corona- Virus haben wir eine großartige einmal Kooperationsleistung hingelegt, auch weil wir es für uns selbst brauchten. Außer in solchen Krisen ist aber schon alles super und toll und kann so bleiben, wir müssen noch für uns selbst schauen das wir „weiter“ gewinnen. Vielleicht ein paar Placebos wie die globale Unternehmenssteuer bei 15% dann passt schon alles. Ein Ausgleich ist entweder nicht nötig oder findet schon statt. Also Agenda 2030 wollen wir zwar auch, aber Markt- und wirtschaftliche Freiheit konform. Ein freier Markt ist schon fair. Jeder der das anders sieht ist ein schlimmer National- Populist. Unser Exportüberschuss nutzt allen.“

Also das klinkt alles nicht sonderlich nach hinreichender Einsicht und Entwicklungswillen. Letzter ist aber nötig, denn die (internationale) sozialdemokratische Staatsgewalt ist aktuell stark unterentwickelt.

Und was Deutschland betrifft wissen wir nicht mal, ob unser „Überschuss“ nicht nur ein einmal Effekt war bis der neue gemeinsame Markt sich wieder konsolidiert hatte, bezüglich dieses Zusammenschlusses. Und wir dann diejenigen sind, die all das brauchen was wir jetzt ablehnen bzw. nicht einfach jetzt schon für alle fordern.

Schlusssatz für heute: nach einem nachhaltigen international sozialem und fairen Kurswechsel sieht es bei und mit dem aktuelle politischen Personal für diese Wahl noch nicht aus. Da muss bis zur nächsten Bundestagswahl viel nachhaltiger sozialer (auch nach außen), ökologischer, Sicherheits- und Zukunftsorientierter Druck eben (auch) von außerparlamentarischer Seite erfolgen und 2025 müsste endlich auch mal mindestens eine Partei an den Start gehen deren Abgeordnete genau für diese Prinzipien und Ziele hinreichend und hinreichend sicher genug stehen. Da muss man dann aber auch bereit sein mitzumachen.

… und dann kam Corona.

Viele verknüpfen mit der aktuellen wirtschaftspolitischen Überwindung der ökonomischen Gefahren und tatsächlichen Schäden durch die Corona- Pandemie ja die Hoffnung auf ein anderes nachhaltig sozialeres, ökologischeres und manche wie ich auch auf ein stärker Sicherheit- orientiertes wirtschaften.

Auf eine Abkehr von einer Ideologie, die man gemeinhin als neoliberal bezeichnet.

Als Idealisierung der wirtschaftlichen, der Eigentumsverwendungs-, Freiheit auf Kosten aller anderen Freiheiten. Vor allem derjenigen die es erlaubt, sich, zumindest demokratisch legitimiert, über dieses freie Verfügungsrecht über Privateigentum hinwegzusetzen.

Neuerdings, dank Piketty, etwas spezifischer auch als Neoproprietarismus bezeichnet.

Um zu beurteilen, ob oder besser inwieweit und in Bezug auf wen diese Hoffnung gerechtfertigt ist, muss man sich aber erst mal vor Augen führen was eigentlich der Kern dieses neoliberalen, wirtschaftslibertären oder neopropietären aktuellen Ist- Zustandes eigentlich ist.

Nach meiner Ansicht ist das vor allem der fehlende Wille bzw. die fehlende Einsicht aktiv fair, ehrlich und sozial für einen entsprechend angemessenen hinreichenden Ausgleich zu sorgen, bzw. den anderen die Möglichkeit zu geben oder zu belassen selbst für solch einen Ausgleich zu sorgen. Also einen nachhaltig fairen sozialen wirtschaftlichen und/oder finanziellen Ausgleich zwischen den einzelnen Menschen und Staaten.

Es gilt eben der Grundsatz, man kann nur gemeinsam wirtschaften wenn man fair teilt. Sonst kann man nicht gemeinsam wirtschaften. Und dann muss man direkt fair teilen. Also am fairen teilen führt kein Weg vorbei.

Beim Neoliberalismus spielt ja auch das Narrativ eine wichtige Rolle, wenn wohl auch vor allem zur mehr oder weniger bewussten Selbsttäuschung, dass der Markt automatisch, zumindest unter idealen Konkurrenzbedingungen für einen fairen Ausgleich sorgen würde. Vor allem zwischen- regional.

Beim Vorliegen eines vollständigen Wettbewerbs solle automatisch ein solcher Preis- Druck auf jedem Marktteilnehmer und jedem Produktionsfaktor liegen, dass es niemanden möglich ist, mehr für seinen Anteil am gesamtwirtschaftlichen Gesamtertrag zu verlangen als angemessen wäre. Das würde dadurch möglich werden, da man jederzeit die Chance hätte, einen preiswerteren Konkurrenten/ein Konkurrenzprodukt zu wählen. Nur ist das in der Realität nicht überall der Fall. Aktuell, oder besser zumindest vor Corona, gibt es ja Fachkräftemangel, und Ressourcen sind nun eben mal begrenzt auch ohne nachhaltige ökologische Regulierung, wie zum Beispiel bei Kate Raworth’s (https://de.wikipedia.org/wiki/Kate_Raworth) Donat- Ökonomie. Laut (aktueller) neoliberaler Ideologie, soll der Staat daher einen Rahmen schaffen, in denen er die idealen Bedingungen der vollständigen Konkurrenz simuliert. Laut einigen neoproprietären politischen Beratern, sollten diese Bedingungen am besten dadurch hergestellt werden, dass man den Markt komplett frei von staatlichen Eingriffen, Regulierungen etc. lässt. Also alles was schief gelaufen ist würde an zu viel Staat liegen. Und am besten sollte man wohl laut diesen auch gleich den staatlichen Handlungsspiel, wie durch Sozialabgabenbremse, oder passender Sozialausgabenbremse, und Co., gleich ganz beschränken in dieser Hinsicht. Denn allein die Möglichkeit einer staatlichen Handlung könnte ja schon Marktergebnis- schädigenden wirken. Und wird es im Zweifelsfall nach der Agitation dieser wirtschafts- libertären Grüppschen bei auftreten von jedem möglichen Problem des Marktergebnisses auch gehabt haben.
Diesen Grüppchen geht es eben um die freie Verfügungsgewalt der Besitzenden über ihre Produktionsfaktoren. Oder sie haben, frei nach Gustav von Schmoller, „nur derjenige kann komplett freihändlerisch sein, der entweder inkonsequent ist oder seinen eigenen Land schaden will“, ganz andere Hintergedanken.
Und dann wird mit dem (aktuellen) Neoliberalismus teilweise auch noch versucht darzulegen, dass es in einem idealen Markt bei vollständiger Konkurrenz keine ungewollte Arbeitslosigkeit gäbe. Das hört sich dann an wie, ja man muss eben soweit runter mit dem Preis/Gehalt bis man genommen wird. Zur Not macht man halt ne Ich- AG, aber natürlich ohne staatlichen Zuschuss. Das war jetzt zugegebener Weise etwas überspitzt formuliert. Aber diese Theorien sind im Kern wirklich so absurd, dass sich das bei mir so eingeprägt hatte.

Solch ein Automatismus zur Beseitigung der Arbeitslosigkeit würde eben schon gegen die primäre Aufgabe des Marktes verstoßen die Produktionsfaktoren bezogen auf den Preis zur Erfüllung der Kundenwünsche optimal zu kombinieren. Denn dafür braucht man halt nicht alle Produktionsfaktoren. Und genau diese Begrenzung der tatsächlich eingesetzten Menge an Produktionsfaktoren ist eben eine der Marktaufgaben. Und auch nur ernsthaft versuchen zu wollen zu argumentieren, dass ohne hinreichende Regulation, einem hinreichenden wirtschaftlichen Ausgleich und hinreichende Priorisierung der Wirtschaftstätigkeit zumindest ein internationaler Rahmen geschaffen werden könnte um solch einen Automatismus zu erreichen ist wohl mit dem Grundsatz nach bestem Wissen und Gewissen, nur vereinbar wenn man kein Gewissen hat. Da wird ja dann auch teilweise behauptet, dass man nur die über den Staat eingebrachten Partialinteressen vom Markt fernhalten müsste, dann ginge auch sowas automatisch. Das ist schon ziemlich dreist.

So nachdem wir jetzt mal grob umrissen haben aus was wir aktuell eigentlich raus wollen (sollten).
Beurteilen wir doch mal wie die aktuellen Anzeichen sind, dass wir da raus kommen und dann auch gleich in ein neues stabiles nachhaltiges System, dass die zuvor genannten Bedingungen erfüllt. Wir wollen ja nicht entgleisen … 🙂

Aber Vorweg nochmal eine Überblick über die Hauptgruppen, welche ein Interesse daran haben, dass sich diesbezüglich nichts oder zumindest nichts soziales ändert:

Piketty’s Neoproprietäre, Zu-Rechte nationale „Zwang zur wirtschaftlichen Freiheit“- Standort (Boden) Profiteure, Schmoller’s Saboteure von Außen oder Innen (von totalitär Sozialistischen bis zu Zu-Rechten Gruppen).

Zu Piketty’s Neoproprietären zählen unter anderem, nach meiner Ansicht, die Vertreter des Atlas Networks (https://de.wikipedia.org/wiki/Atlas_Network). Neoproprietarismus steht, soweit ich Piketty verstanden habe, für die Bestrebung den staatlichen Handlungsspielraum zugunsten des Vorrangs der wirtschaftlichen Freiheit einzuengen. Das ist ein kleiner aber feine Unterschied zum Proprietarismus dort wurde das Wahlrecht zugunsten der Wohlhabendsten eingeengt. Die konnten dann aber staatlich auch untereinander noch politisch frei agieren. Oder laut Piketty muss man wohl eher von „hätten können“ sprechen. Nach seinen Recherchen wurde das nie angewendet. Aber eventuell wirkte da die Option auch schon einfach disziplinierend. Im Neoproprietarismus gibt es diese Option nicht mehr. Deshalb ist der meiner Meinung auch für Schmollers Saboteure von innen und außen so interessant. Da bietet(e) sich wohl eine Kooperation an. Wobei auch die Proprietären meist an James M. Buchanans (… dann kommt es Halt zur Revolution; ich hoffe ihr kennt das „Kleingedruckte“ in dem seinem System) scheitern. Auch ein Ansatzpunkt für Schmollers Saboteure.

Und dann gibt es noch diejenigen, die national- gesinnt von ihrem Standortvorteil im freien globalisierten Markt profitieren wollen. Da sind in Deutschland vor allem die Gewerkschaften und der ADAAV- Flügel in der SPD und bei den (neuen) Grünen, gefährdet da national wirtschafts- libertär und neoproprietär ungute Bündnisse einzugehen. Die Union sowieso, Und die FDP wohl leider eh eher das ungute Bündnis, zumindest wenn man nicht muss und es noch vertretbar ist. Aber der Standortwettbewerb, kann auch um die Erlangung von Wählermehrheiten geführt werden. Das kann zu einem sozialeren Ergebnis führen. Oder auch nicht. Vor allem sollte man als Alteingesessene keine zu hohe ethische Hypothek an die nächste Generation vererben, solange man noch nach außen unsozial „WirHier“n kann. Und man sollte zumindest je nach Bundeslandzugehörigkeit mal einen Blick auf die Entwicklung der Verfassungsrechte bezüglich eines fairen Länderfinanzausgleichs innerhalb Deutschlands werfen.

Aber nun noch kurz zum Blick auf die aktuelle Entwicklung.

Wenn auch erst ausführlich im nächsten Beitrag nächstes Wochenende, diesmal war meine Zeit etwas knapp.

Aber schon mal kurz: Wenn man aus dem Wirtschaftskrieg raus will ist das Wichtigste, nach meiner Meinung einzusehen, dass man dann fair wirtschaftlich und/oder finanziell ausgleichen muss. Wie man aus meiner Beurteilung der Parteiwahlprogramme für 2021 in meinen Beiträgen nachlesen kann, sieht es da bei der Union (erwirtschaften statt verteilen) und FDP (da kommt das Wort verteilen eher gar nicht vor) ganz düster aus. Das die AfD nicht für einen internationalen fairen Ausgleich ist, muss man wohl nicht extra erwähnen. Grüne und SPD wollen nur eine gemeinsame Arbeitslosenversicherung für Krisen wie Corona. Als ob das auch nur annähernd hinreichend und fair genug wäre. Und auch die wollen (trotzdem) beide in der EU den Zwang zur wirtschaftlichen Freiheit beibehalten. Und das Programm der „Partei die Linke“, das war damals noch nicht raus, wird mir wohl zu Anti- Interventionistisch und zu Anti- Militärisch sein.

Und die Sozialabgabenbremse ist auch noch nicht vom Tisch.

Schlusssatz für heute: Also so kommen wir definitiv nicht raus aus dem „neoliberalen“ Wirtschaftskrieg. Und wir sind Mitschuld, dass das auch für den Rest der Welt schwierig, um es mal vorsichtig zu formulieren, bleibt.

Bundestagswahl 2021: aktueller Lagebericht Teil 1 „Fair teilen“

Heute in 3 Monaten ist ja Wahltag, per Briefwahl wird man natürlich vorher schon von seinem Stimmrecht Gebrauch gemacht haben können.

Also Zeit für eine grundsätzliche Betrachtung welche der zur Wahl stehenden Parteien und Kandidaten denn nun den nachhaltigen S³IA- (Sozial, Sicher, Standhaft – im Sinne von Werte gebunden international bestehen können -; je nach innen und außen) Werten und Kriterien am nächsten kommen.

Fangen wir mal mit der S³IA Grundüberzeugung an, dass gelten muss:

„Wer zusammen wirtschaftet muss auch fair teilen, sonst kann man nicht zusammen wirtschaften. Wir sind aber auf Importe angewiesen“.

Also es geht um den Willen fair zu teilen und die Einsicht, dass dies auch aus eigenem Interesse schon angeraten ist.

Dann werfen wir mal einen Blick auf die Wahlprogramme der Parteien und die Äußerungen ihrer Kandidaten.

Zunächst mal auf das Programm der CDU/CSU (https://cdudl.s3.eu-central-1.amazonaws.com/Beschluss+Programm.pdf).

Deren ihr Werte- Motto war mal:

Vor dem Verteilen kommt das Erwirtschaften.

Oder: Man kann nur verteilen was man vorher erwirtschaftet hat.

Jetzt steht da in Zeile 1065 „auf Erwirtschaften statt Verteilen“. Also es wird nur noch gemeinsam erwirtschaften ohne hinterher noch fair zu teilen. Oder nach den Werten der Unionsparteien wohl eher gegeneinander. Das funktioniert in einem freien Markt aber nicht, da dort die Produktionsfaktoren Arbeit und Kapital zu den produktivsten Standorten wandern (müssen). Das führt automatisch dazu dass man individuell zusammenarbeitet. Also die Wirtschaftsleistung an einem Standort wird nicht nur von (EU-) Bürgern einer Nation erbracht, sondern von Menschen aus ganz unterschiedlichen (EU-)Staaten. Da gebietet es schon der Anstand, dass man hinterher bezüglich der regionalen Steuer- und Sozialversicherungseinnahmen fair teilt. Und nicht einfach alles als „Host-“ Staat, der von Natur aus oder historisch gewachsen wirtschaftlichsten Standorte alles gemeinsam erwirtschaftete, rein Partialinteressen folgend, für sich behalten will. Das werden die anderen kaum lange mitmachen wollen und sollten es aus fairen Eigeninteresse auch nicht wollen. Die werden das dann höchstens solange mitmachen wie sie es müssen. Und das schafft dann eine beständige von uns verursachte soziale Spannungen und gefährdet und verteuert die öffentliche Sicherheit.

Also CDU/CSU, werft bitte in Bezug auf das faire Teilen nicht alle traditionellen Werte, auch der Unionsparteien, über Bord, nur um einer Neoproprietären Ideologie, die jedes staatliche oder verfassungsgebundene Ausgleichen der (vermachteten) Marktergebnisse kategorisch ausschließt, hinterherzulaufen.

Die „Neoliberal- Progressive Revolution“, um mal die Worte von Nancy Fraser (https://de.wikipedia.org/wiki/Nancy_Fraser) zu verwenden hat die CDU/CSU wohl nun endgültig voll erwischt und jeden Anstand vergessen lassen, auch denjenigen der schon aus eigenem Interesse nötig ist. Das sieht man auch beim Thema Staatsschulden. Im freien Markt wandert die Arbeit zu den wirtschaftlichsten Standorten also auch die Arbeitnehmer aus solchen Staaten, wenn sie nicht arbeitslos werden wollen. Aber die Schulden bleiben dann auf weniger Köpfen verteilt zurück. Ist das fair? Sollte man das freiwillig mitmachen? Schlägt diese Ideologie nicht auch schon innerhalb Deutschlands auf den Länderfinanzausgleich zurück? Schafft das Stabilität? Schämt euch.

Nur Profitieren wollen ohne seinen fairen Beitrag leisten zu wollen. Das wirkt unreif. Und supranationale Bestrebungen wie eine gemeinsame globale Mindestbesteuerung von Unternehmen erwähnt ihr nicht mal.

Wenn man sich von der Gier treiben lässt, kommt da selten was Nachhaltiges auch nur für sich selbst dabei raus.

Wenn man nicht fair und soweit möglich hinreichend teilt, führt das zu Abschottung und letztlich zu Krieg.

Das war schon immer so und wird wohl immer so bleiben.

Da das Wort „verteilen“ im ganzen Unions- Wahlprogramm nur einmal vorkommt, um es auszuschließen, erübrigt sich auch die Frage, ob die Unionsparteien für irgendeine Art gemeinsamer EU- Grundsicherung oder wenigstens Arbeitslosenversicherung, welche Herr Merz mal in Betracht gezogen hatte, in ihrem Programm geworben haben.

Und gemeinsame Grundsicherung und gemeinsame Arbeitslosenversicherung ist keineswegs dasselbe.

Eine Arbeitslosenversicherung ist meist zeitlich begrenzt und steht nur denen zur Verfügung, die zuvor vom Arbeitsmarkt gebraucht wurden.

Eine Grundsicherung ist dagegen eben eine zeitlich unbefristete Grundsicherung. Zumindest solange man im gemeinsamen Markt als Staat mehr bekommt als man drauf zahlt ist es geboten anderen Staaten bei dieser Grundsicherung bei Bedarf unter die Arme zu greifen. Vor allem wenn ein großer Teil der eigenen Inlandswirtschaftsleistung und damit auch der eigenen Sozial- und Steuerbeiträgen von Bürgern anderer EU- Nationen erbracht wurde.

Das auch die SPD https://www.spd.de/zukunftsprogramm/uebersicht/iv-souveraenes-europa-in-der-welt/ nur eine gemeinsame Arbeitslosenversicherung als Ziel in ihrem Programm hat, um damit „wichtige Grundsicherungsfunktionen“ (klingt nach 2 von 10) in allen EU- Staaten in Krisen aufrechterhalten zu können hatte ich ja schon als inkonsequent weil nicht hinreichend, nicht mal im sicher gemeinsam finanzierbaren Umfang, gebrandmarkt.
Solange man vor allem in einem gemeinsamen Markt nicht hinreichend teilt, obwohl man es könnte, und es noch dazu aus Fairness geboten wäre hat man Blut an seinen Händen und liefert auch noch einen berechtigten Kriegsgrund.

Leider haben die Grünen diesbezüglich fast Wort- genau das gleiche in ihrem vorläufigem Programm https://cms.gruene.de/uploads/documents/Vorlaeufiges-Wahlprogramm_GRUENE-Bundestagswahl-2021.pdf stehen. Extrem enttäuschend. Nachdem was da einige Europaparlament- Abgeordnete von sich gegeben haben, hätte ich da in Bezug auf das Ziel einer fair und (sozial-) nachhaltigen EU mehr erwartet.
Und nachdem die grüne KK Annalena Bärbock, dann auch noch in ihrer KK- Rede etwas zu mehrdeutig geäußert hat, dass ein Markt, wenn er frei von Partial- Interessen ist, auch schon gleich fair ist, liegen die Grünen und die SPD tatsächlich im Moment, was im Gesamten die Nähe zu den S³IA- Werten angeht, nach meiner Ansicht für diese Bundestagswahl fast gleich auf. Die SPD sogar, da sie etwas mehr (national) egalitär wirkt, leicht vorn.

Das hat mich gewundert, da hatte ich mir von den Grünen etwas mehr Nähe zu den S³IA- Werten und Einsichten erhofft. Na ja, vielleicht werden die bis zur Bundestagswahl da noch ein paar Mehrdeutigkeiten so auflösen, dass es da Werte- und Einsichts- mäßig S³IA- „passender“ wird. Wobei die Grünen immerhin schon im Wahlprogramm drin stehen haben, dass sie etwas gegen das Außenwirtschaftsungleichgewicht tun wollen, durch höhere Löhne und mehr öffentliche Investitionen. Ist eben die Frage, ob das zum wirtschaftlichen Ausgleich reicht. Wenn nicht bräuchte man dann aber, von mir aus kann man das dann auch als Anreiz sehen, einen direkten finanziellen Ausgleich, falls der wirtschaftliche nicht fair hinreichend war. Und zwar am besten als Verfassungsrecht und nicht nur freiwillig wenn einem danach ist. Da ist dann unschön, dass die Grünen sagen, dass in ihrem Programm schon alles drin wäre. Die SPD hat immerhin noch die UNO Agenda 2030 als Ziel im Programm.

Aber auch die SPD ist von den S³IA- Werten und Einsichten aktuell so weit weg, dass es mir lieber wäre, wenn es noch eine andere Partei gäbe, die diese Lücke schließen würde.

Die Partei die Linke hat ihr Parteiprogramm zwar noch nicht veröffentlicht, aber abgesehen davon, dass sie immerhin wohl eine globales Sicherheitssystem haben werden wollen; die Voll- Antimilitärs dort wollen ja am liebsten gar keine Armeen mehr und würden damit auch sofort selbst einseitig anfangen; werden sie bei dem Punkt Sicherheit wohl zuweit von den S³IA- Werten entfernt sein. Deren ihre eine Spitzenkandidatin, Janine Wissler, lehnt ja selbst die Beteiligung an UNO- Blauhelm Missionen ab. Und fordert das Ende aller Auslandseinsätze der Bundeswehr.

Und die AfD ist mir weiterhin zu rechts und „zu nahe an Hayek“.

Die FDP hätte ich jetzt fast vergessen. Na ja, bei denen kommt das Wort „verteilen“ im Wahlprogramm gar nicht vor und „teilen“ nur in „verurteilen“ und „Vorurteile“. Das sagt dann, ganz vorurteilsfrei, schon fast alles in Bezug auf die Nähe zu den S³IA- Werten aus. Bei denen kann man ja mittlerweile schon froh sein, wenn man in der Zentrale nicht auf den ausgestellten einbalsamierten Leichnam von James M. Buchanan zwecks ewiger Verehrung für sein Kämpfen, dass der „reiche(re) Mann“ nichts abgeben muss, per Verfassungsrecht, montiert auf ein Laufband, zusammen mit einigen „WirHier“- Lohnabhängigen, die das Laufband freiwillig antreiben, um zu „gewinnen“, trifft.

Wir brauchen endlich in der EU, international und vor allem in Deutschland eine ideologiefrei Diskussion darüber was es heißt einen gemeinsamen freien Markt, auch noch mit gleicher Währung, zu haben. Mit einem Zwang sich die wirtschaftlichen Freiheiten gewähren zu müssen, ohne (Verfassungs-) rechte auf einen fairen sozialen Anteil an dem wirtschaftlichen Ertrag oder besser gleich der Wirtschaftskraft solange das sicher genug möglich ist, einen Ausgleich eben. Was es heißt, dass die Produktionsfaktoren Arbeit und Kapital hin zu den wirtschaftlichsten Standorten wandern. Was das für die Verteilung der Steuereinnahmen, der Sozialversicherungsbeiträge, der Schuldentilgung usw. bedeutet. Aber auch was es für die zukünftige Verteilung der europäischen Bevölkerung aussagt.

Wir müssen aber auch mal über Pikettys Neoproprietarismus reden. Also wem eine verfassungsgebundene Verankerung der Reduzierung der Staaten auf ihre Nachtwächterrolle am Ende wirklich nutzt. Und wie stabil diese Staaten dann noch sind. Und welche Rolle dabei die Verfassungsbremsen spielen. Zum Beispiel die Sozialabgabenbremse. Oder die Besteuerungsbremse. Oder die Beteiligungsbremse. …

Kommunaler Finanzausgleich

Eine der zentralen Ziele und Forderungen meines Blogs ist es ja eine nachhaltige S³IA (Sozial, Sicher und Standhaft – im Sinne von Wertegebunden international bestehen können – je nach innen und außen) Ausgleichsunion auch international in (interventionistischen) Koalitionen der (Beitrags-) Willigen zu etablieren und zwar Verfassungs- gebunden, mit der Vorgabe an sich selbst dabei Regeln zu erschaffen die jeder gut finden können sollte.

Innerhalb der EU sieht es damit ja noch recht bescheiden aus. Trotz NextGenEU. Aber dazu hatte ich ja auch schon einiges geschrieben und werde ich auch weiterhin tun. Aber darum soll es heute nicht gehen.

Auch nicht um den Länderfinanzausgleich. Wer da mit diskutieren will kann das z. B. hier tun: https://www.politik-sind-wir.net/threads/art-143f-gg.17816/. Vielleicht kann dann auch mal jemand dort die Frage beantworten, ob es nun bald möglich sein kann, dass wir in Deutschland mal auch formal ohne fairen Länderfinanzausgleich dastehen oder nicht.

Heute soll es aber mal um den kommunalen Finanzausgleich gehen.

Also um den Finanzausgleich innerhalb der Bundesländer zwischen Land und Kommunen und den Kommunen untereinander.

Einen guten, nach meiner Meinung, Artikel dazu kann man hier, https://kommunalwiki.boell.de/index.php/Kommunaler_Finanzausgleich, nachlesen.

Der kommunale Finanzausgleich besteht also entweder aus einem vertikalen Ausgleich, von den Ländern hin zu den Kommunen und/oder einem horizontalen Ausgleich, zwischen den Kommunen.

Und bei den Zwecken zwischen der Sicherung der Gegenfinanzierung der jeweiligen kommunalen Aufgaben, seien es kommunale Pflichtaufgaben, in gewissen Umfang freiwillige Aufgaben oder gar vom Land delegierte Aufgaben. Und der Sicherung gleicher finanzieller Ausstattung der Kommunen. Also einmal fiskalpolitisch- funktional und einmal distributiv.

Ich habe schon oft geschrieben, dass für mich zum gemeinsamen wirtschaften auch ein fairer und sozialer Ausgleich gehört, sonst kann man nicht gemeinsam wirtschaften.

Daher sollte ein kommunaler Länderfinanzausgleich für mich auch das Ziel haben eine bedarfsgerechte Gleichheit zwischen den Kommunen eines Landes herbeizuführen, also gerade eine Kombination aus den beiden oben genannten Zwecken. Denn strikte Gleichbehandlung von Ungleichem ist selten fair. Denn der jeweilige Bedarf ist jeweils ein anderer.

Der kommunale Finanzausgleich ist auch Bundesverfassungsrechtlich verankert. In Art. 106 Abs. 7 des Grundgesetzes: „Von dem Länderanteil am Gesamtaufkommen der Gemeinschaftsteuern fließt den Gemeinden und Gemeindeverbänden insgesamt ein von der Landesgesetzgebung zu bestimmender Hundertsatz zu. Im Übrigen bestimmt die Landesgesetzgebung, ob und inwieweit das Aufkommen der Landessteuern den Gemeinden (Gemeindeverbänden) zufließt.“

Wohl alle Bundesländer dürften diese grobe Vorgabe in ihrer jeweiligen Länderverfassung konkretisiert haben.

Für Rheinland- Pfalz kann man das zum Beispiel hier nachlesen: http://landesrecht.rlp.de/jportal/?quelle=jlink&query=Verf+RP+Artikel+49&psml=bsrlpprod.psml

Ein Ausgleich ist auch immer daher gerechtfertigt, da nicht alle Gemeinschaften über gleich vorteilhafte Standorte, sei es von Natur aus oder historisch gewachsen, verfügen. Und die beiden anderen Produktionsfaktoren Arbeit und Kapital bewegen sich mehr oder weniger schnell, Fabriken als Kapital sind ja auch nicht soo beweglich, eben in einem (neuen) freien gemeinsamen Markt hinzu diesen optimalen Standorten (Böden). Um das zulassen zu können, zumindest wenn es wegen der dadurch höheren wirtschaftliche Gesamtleistung, nötig ist, muss man aber hinterher einen finanziellen Ausgleich schaffen und sicherstellen, dass die Kommunen die nun wirtschaftlich mächtiger werden diese Macht nicht missbrauchen können und diese Wirtschaftskraft auch wieder ausgleichen müssen, sollte der finanzielle Ausgleich mal nicht mehr den Vorstellungen der, den für das gemeinsame Wohl vorteilhaften Transfer der Wirtschaftskraft zumindest bisher noch Tolerierenden entsprechen. Man sollte auch nie vergessen, dass es kein Naturrecht auf die Sahnestückchen in diesem Falle die besten Standorte gibt. Lasst uns hoffen, dass für einen fairen Ausgleich nicht auf wirkliches Naturrecht zurückgegriffen werden muss …

An den Beispielen Rheinland- Pfalz und Hessen lässt sich auch schön die Konfliktlinie zwischen den Ländern als Gesetzgeber auf Basis der jeweiligen Landesverfassung, dem jeweiligen Landesverfassungsgericht und den jeweiligen Kommunen, auch untereinander, sehen.

Den Anfang machte da 2013 das hessische Parlament: (http://docplayer.org/39337529-Reform-des-kommunalen-finanzausgleichs-in-hessen.html) als es die Höhe des kommunalen Finanzausgleichs im Zuge des Schuldenrettungsschirms dauerhaft auf einen festen auch noch niedrigeren Gesamtbetrag einfrieren wollte. Da war wohl das „Neoproprietäre“ Atlas Network beim Beraten nicht weit entfernt.

Da damit aber eventuell irgendwann mal nicht mal mehr der funktionale Bedarf der Kommunen gegenfinanziert werden könnte, hatte da das Landesverfassungsgericht auf Klage von Alsfeld interveniert.

Zumindest ein Mindestmaß an kommunaler Aufgabenerfüllung müsste vom Land oder den anderern bessergestellten Kommunen anteilig sichergestellt werden können.

Wobei von dem zweiten Ziel einer gleichverteilten finanziellen Ausstattung der Kommunen aber schon gar keine Rede mehr war.

Umverteilung, also ein finanzieller Ausgleich für das hinnehmen weniger Wirtschaftskraft für das gemeinsame Wohl aller, ist ja gerade nicht mehr so modern.

Es versucht ja aktuell leider zu oft als kleiner oder großer „WirHier“- Trupp jede politische Einheit einfach nur noch für sich selbst im Zwangssystem der wirtschaftlichen Freiheit für sich selbst das Maximum raus zu holen. Zu gewinnen. Leider eben das „Race To The Bottom“. Tja ihr lasst euch eben missbrauchen. Oder man behauptet einfach, dass man, oder die „Partei“ schon hinreichend für einen fairen überregionalen Ausgleich einzutreten würde, freilich ohne sich dann wenigstens auch einer angemessen Diskussion darüber einzulassen. Ganz wie von F.A. Hayek in seinem Aufsatz über die wirtschaftliche Föderation gewünscht. Wenn sich die Lohnabhängigen im Behauptungskampf gegen die libertären Eigentumsbürger schon freiwillig gegeneinander ausrichten lassen, müssen sie sich auch nicht wundern, wenn die Verfassungen immer „neoprorietärer“ werden. Oder irgendwann von außen, eine Hegemonie welcher Art auch immer, droht.

Näheres zum aktuellen hessischen kommunalen Finanzausgleich kann man hier (https://rp-giessen.hessen.de/inneres-arbeit/kommunalaufsicht/kommunaler-finanzausgleich) nachlesen.

Und Rheinland- Pfalz muss sein FAG (Finanzausgleichgesetz) nun auch mal wieder nach Beschluss des dortigen Landesverfassungsgericht ändern (https://verfgh.justiz.rlp.de/de/startseite/detail/news/News/detail/kommunaler-finanzausgleich-in-rheinland-pfalz-muss-neu-geregelt-werden-aktueller-finanzausgleich-i/).

Am Bedarf ausgerichtet. Wobei der „sparsam“ zu befriedigen sei. Das klingt schon stark in Richtung Austerität, zumal von einer die kommunale Finanzkraft ausgleichenden Umverteilung schon gar keine Rede mehr ist. Für die Kommunen die dann jetzt endlich zumindest funktional ausreichend viel für die Grundversorgung bekommen würden ist das natürlich begrüßenswert. Fair teilen beinhaltet aber eben auch eine gewisse bedarfsgerechte Gleichmachung und nicht nur Grundbedarfssicherung.

Man sieht an diesen Beispielen auch schön wie wichtig ein Verfassungsanspruch auf einen fairen Ausgleich ist, sonst kann jede Regierungskoalition im jeweiligen Parlament diesbezüglich machen was es will. Nur leider sind die einzigen die da ein soziales Auge drauf haben die relativ Konservativen unter den Sozialen. Aber wir sind eben nicht gerade so viele. Aber Pikettys aufmerksam machen auf den Neoproprietarismus ist da vielleicht hilfreich dabei, dass auch die eher Progressiven unter den Sozialen mal auf die Verfassungsökonomie aufmerksam werden, aber die haben es häufig nicht so mit Priorisieren und Fokussieren und Beobachten, ob sich irgendwo was zum Unsozialem ändert. Aber wenn sie drauf aufmerksam gemacht werden, sollten sie eigentlich auch schon mal mit Abwehren, man kann es ja hinterher auch gleich ein wenig sozial besser machen wenn es sicher genug und von der Priorisierung her relativ wichtig genug ist.

Hier noch Informationen zu den KFAs von 2 anderen Bundesländern, Saarland und Brandenburg, zum Vergleich: https://www.saarland.de/mibs/DE/portale/kommunales/informationen/kommunale_haushalte_wirtschaft/finanzausgleich/finanzausgleich_node.html und https://mdfe.brandenburg.de/mdfe/de/themen/haushalt-und-finanzen/kommunalfinanzen/ziele-und-funktionsweise-des-kommunalen-finanzausgleichs/

Zum Abschluss sei nochmal ein Satz aus der IHK Hessen Stellungnahme zum hessischen Verfassungsgerichtsurteil 2015, siehe oben (http://docplayer.org/39337529-Reform-des-kommunalen-finanzausgleichs-in-hessen.html), zitiert (Seite 19): „Und schließlich weiß das Land nicht, wie das Rennen im Länderfinanzausgleichspoker ausgeht.“ Für das IHK Hessen ist(/war) es ganz selbstverständlich das Ausarbeiten einer neuen Verfassungsregelung als „Rennen“ in einem Pokerspiel dazustellen. Also wer schafft es mit seinen gegebenen Karten das beste für sich selbst rauszuholen. Keine Spur von der Aufforderung doch bitte zu Regeln zu kommen, die jeder gut finden können sollte.

Dazu passt auch dieser Abschnitt von der Seite 26 „Danach würde das Land Hessen schon seit längerem Überschüsse erwirtschaften, wenn es nicht so hohe Ausgleichszahlungen an finanzkraftschwächere Bundesländer zahlen müsste. Aus Sicht der IHK Arbeitsgemeinschaft ist diese Klage der hessischen Landesregierung zum LFA berechtigt. Es stellt sich deshalb die Frage: Warum führt die Landesregierung mit der Solidaritätsumlage im KFA eine dem Leistungsprinzip widersprechende Umlage ein, die sie im LFA zu Recht beklagt?“

Einmal die Gurken beim falschen gekauft bzw. ausgewählt = „James M. Buchanan“ 🙂 Die IHKs werden ja von den Kunden indirekt mitfinanziert.

Eine (ethische) Begründung für die Ausgleichszahlungen hatte ich hierzu in diesem Artikel schon geliefert. Diese Zahlungen sind eben der Ausgleich für das Tolerieren der wirtschaftlichen Ungleichgewichte, entweder diejenigen die es bereits gibt oder denjenigen die gerade im entstehen sind.

Ein Ausgleich kann dabei aber auch nach außen hin erfolgen, zu denjenigen deren Grundbedarf noch nicht befriedigt ist, zumindest wenn es der eigene gemeinsame in fairen Umfang bereits ist.

„Kapital und Ideologie“ von Thomas Piketty

So, ich habe jetzt auch mal das Buch „Kapital und Ideologie“ von Thomas Piketty ausgelesen. Die ganzen 1281 Seiten der deutschen Übersetzung.

Zwar nicht alles Wort für Wort, zumindest in den Abschnitte mit historisch empirischen Daten, ich hatte ja auch schon „Das Kapital im 21.Jahrhundert“ gelesen, aber zumindest Seite für Seite.

Eigentlich stand dieses Buch auf meiner „Möchte ich bald lesen“- Liste gar nicht mal so weit oben. Es ist eben sehr umfangreich, nicht unbedingt preiswert und in den meisten Buchbesprechungen, die ich über es gelesen hatte, wurde eher auf den Part über die weltweite historische Entwicklung der Ungleichverteilung von Eigentum und Einkommen eingegangen. Und es wurde teils bemängelt, dass die Vorschläge ganz am Ende des Buches, wie man dieser Ungleichverteilung entgegentreten könnte nichts wirklich neues beinhalten und sich in supranationalen Ideen erschöpfen würden ohne darauf einzugehen was man den machen kann wenn man sich nicht auf gemeinsame supranationale Institutionen, Steuern usw. einigen kann.

Zum Teil stimmt es auch was in diesen Buchbesprechungen stand.

Den größten Teil des Buches nehmen tatsächlich Darstellungen der historischen Entwicklung der Ungleichheit ein. Die zwar auch sehr interessant, aber eben, wenn auch weniger detailliert, bereits bekannt. Zumindest denjenigen die sich schon etwas länger mit diesem Thema beschäftigen. Und auch die Vorschläge am Ende des Buches sind zum größten Teil tatsächlich nicht wirklich neu. Also wenn man, wie wohl die meisten eher wenig Zeit hat, und sich genau überlegen muss/sollte was man als nächstes liest, und wofür man sein Geld ausgibt, drängt sich dieser 1281 Seiten „Wälzer“ einem nun wirklich nicht unmittelbar auf den ersten Blick direkt auf.

Dann hatte mich aber einer der Hauptverantwortlichen von Goliathwatch, Thomas Dürmeier, der auch bei meiner online Weltsozialforum 2021 Veranstaltung zu den Themen „Ausgleichsunion“ und „Verfassungsethik“ mit dabei war, darauf aufmerksam gemacht, dass es in dem Buch „Kapital und Ideologie“ sehr wohl doch auch um Verfassungsethik ging und dieses Thema da auch durchaus auch genauer als bisher beleuchtet würde.
Es würde auch um „Buchanan“ und so gehen.

Also hatte ich mir das Buch eben Anfang des Jahres doch gekauft. Und erst mal ganz grob überflogen. Den Namen „Buchanan“ konnte ich zwar nicht finden aber immerhin einiges über den Einfluss sozialdemokratischer Wert und Parteien bei der Phase des größten Rückganges an Ungleichheit in der Geschichte der Menschheit vom Ende des 1. Weltkriegs, wenn auch vor allem nach dem Ende des 2.Weltkriegs bis zum Ende der 1970er Jahre.

Diese Phase hätte die Zerfallsphase der „Eigentümergesellschaften“ vom 1. Weltkrieg bis Ende des 2. Weltkriegs abgelöst. Diese Eigentümergesellschaften hätten ihre moralisch-ethische Legitimation aus der Ideologie des Proprietarismus (https://de.wikipedia.org/wiki/Proprietarismus) gezogen.

Diesen Begriff hat Herr Piketty neu erfunden oder zumindest geprägt, er versteht darunter „politische“ Gesellschaften, in deren Verfassungen, z. B. durch Zensuswahlrecht, das Wahl- und damit politische Entscheidungsrecht abhängig vom Vermögen ist. Also Gesellschaften in denen nicht die Mehrheit der Mitglieder die Wahl- und Entscheidungsmacht besitzt. Über staatliche Umverteilung ihres Vermögens auf Betreiben des Mehrheitswillens mussten sich die Vermögenden solcher Gesellschaften also keine Sorgen machen.

Und genau diese proprietaristische Ideologie hätte seit den 1980ern wieder Schritt für Schritt, diesmal als
Neoproprietarismus, „Oberwasser“ in den Demokratien der Welt erhalten. Vor allem in Europa und den USA.

Nur ging es diesmal, zumindest habe ich ihn so verstanden, darum die staatliche Verfügungsgewalt über Privatvermögen und privates Einkommen einzuschränken, um so dem Mehrheitswillen wieder die Macht zum Umverteilen zu nehmen. Und zwar durch Verfassungsänderungen und internationale Verträge, welche auf der Freimarkt- Ideologie aufbauen.

Alleine dafür das Thomas Piketty diesen Bestrebungen endlich mal einen Namen gegeben hat, eben „Neoproprietarismus“, lohnt sich der Kauf, gebraucht oder neu, dieses Buches schon.

Und auch der Umfang, denn so wird diese neue ideologische Phase in der sich die Menschheit gerade, noch recht unreflektiert und journalistisch weitgehend unkommentiert befindet, endlich (auch) mal von einem anerkannten Sozialökonomen, in einen historischen Entwicklungsstrang eingebunden.

Danke dafür Herr Piketty.

Auch wenn er James M. Buchanan, die Institute der Koch Brüder, das Atlas Network und die Mont Pelerin Gesellschaft nicht explizit erwähnt, höchsten F.A. Hayek, macht er doch deutlich, dass wir vor allem seit den 1990ern in eine Phase reingerutscht sind, in der Ungleichheit und das hinnehmen müssen von „unsozialen“ und „unausgeglichenem“ Marktverhalten (wieder) zur neuen Normalität geworden ist und zunehmend auch durch internationale Abkommen und nationale Verfassungsänderungen (gut, das hatte er vielleicht nicht explizit geschrieben) verfestigt wird. Und das man da eben nicht nur zufällig reingerutscht ist, sondern dass es da auch Akteure gab, die das genau so wollten. Diese benennt Herr Piketty eben nur nicht. Ist vielleicht auch besser so, dann kann er sich auf die Analyse des theoretisch und ideologischen Unterbaues konzentrieren.

Konkreter wurde was diese Akteure angeht ja schon Frau Prof. Nancy Maclean für die USA in ihrem Buch „Democracy in Chains“ und ich für Deutschland in meinen Blogbeiträgen und bei meinem Vortrag beim online Weltsozialforum 2021.

Was Herr Piketty aber noch etwas mehr hätte beleuchten können ist die Verbindung zwischen dem Neoproprietarismus und der Freimarktideologie (zusammen mit der Investitionsschutzideologie).

Beim Neoproprietarismus geht es ja kurz gesagt darum, dass es Mehrheits- demokratisch legitimiert nicht mehr oder nur sehr eingeschränkt möglich sein soll, staatlich auf das private Vermögen und Einkommen zuzugreifen. Und bei der Freimarkt-/ Investionsschutzideologie darum, dass auch andere Staaten, nicht mehr in Handelsbeziehungen, legitimiert durch den nationalstaatlichen Mehrheitswillen, durch Zölle, Quoten usw. korrigierend eingreifen können.

Und letzteres betrifft eben auch, durch den Standortwettbewerb, die Regierungen, Parteien und auch Gewerkschaften der einzelnen Nationalstaaten. Das Kapital und die Arbeit wandern im freien Markt eben dorthin wo die produktivsten, sei es historisch gewachsen oder von Natur aus, Standorte sind. Und mit diesen auch die Steuern und Sozialversicherungseinnahmen.

Also die Arbeiter und Angestellten in Staaten mit Standortvorteilen, zusätzlich zu denjenigen aus Staaten mit Vorteilen im Steuerwettbewerb, die hatte Piketty in der Beschreibung des „Kleines Land“- Vorteil, wie bei Luxemburg u. Irland ,aber schon erwähnt, können leicht zu einer Kooperation mit den Neoproprietarianern verführt werden, auch wenn Ihnen die Standortvorteile entweder durch Aufholprozesse oder eventuell auch durch Zuwanderung sowieso wieder entgleiten, der Vorteil also nur zeitlich begrenzt vorhanden sein wird.

Thomas Piketty beschriebt ja auch schön die Ausrichtung der Parteien nach der Gesinnung der Wähler, also zwischen national – international und egalitär und inegalitär.

Er könnte nun noch einmal die Verschiebung der Wählermehrheiten zwischen den Staaten, mit Standortvorteilen im freien Markt und ohne diese Vorteile beschreiben. Man kann unter internationalistisch in Bezug auf den freien Markt ja auch die Möglichkeit und Bereitschaft zum Ausbeuten durch Standortvorteile verstehen. Also in Staaten mit Standortvorteilen sollte der freie Markt ja auch sehr viel breiter zumindest unter der national gesinnten Arbeiter und Angestellten Schicht befürwortet werden, zumindest solange diese einen Vorteil aus diesem für sich sehen, als in Staaten ohne Standortvorteil.

Und nach meiner Beobachtung gibt es diesen Unterschied auch sehr deutlich, wenn auch noch verstärkt durch die neoproprietaristische eingestellte Presse.

Wobei auch die Neoproprietarianer nicht vergessen sollten, dass die Proprietarianer selbst keine Beschränkungen in ihren Verfassungen bezüglich der staatlichen Handlungsfreiheit in Bezug auf Vermögen und Einkommen eingebaut hatten. Und auch internationale Handelsbeziehungen, wie während des Golden Age der Niederlande zum Beispiel, durchaus nach ihren Interessen und nicht nach der Freimarkt Ideologie ausgerichtet hatten.

Die einzelnen Marktteilnehmer haben eben kaum Zeit ihre Marktentscheidungen auch nur in Bezug auf ihre langfristigen und nicht nur die aktuelle Entscheidung betreffenden Interessen, egal ob aus Gruppen oder individueller Sicht, angemessen prüfen zu können. Auch schon deshalb, aus Eigeninteresse, muss man das Marktergebnis durch gemeinsame Institution hinreichend korrigieren können.

Reine Freimarkt- Ideologien bieten aber schon diese Möglichkeit nicht mal mehr.

Deshalb sollte man sich wieder an Gustav von Schmoller`s Lebensweisheit erinnern: „Nur der inkonsequente kann für einen rein freien Markt sein oder derjenige der seinem eigenen Land schaden will.“

Wenn man also solch eine Ideologie verfolgt, wird man sich mit Sicherheit auch großer Unterstützung aus gewissen Teilen des Außen erfreuen können. Und sei es nur durch einseitige Kauf-, Leih- und Investitionsfreudigkeit.

Zum Schluss noch ein Kommentar zu Herrn Pikettys extensiver Verwendung des Ausdrucks „konservativ“ :).

Konservativ heißt, dass man skeptisch gegenüber Änderungen ist. Lieber alles noch mal prüft, bevor man vielleicht etwas „verschlimmbessert“. Konservativ heißt nicht automatisch, dass man monarchistisch, neoliberal, religiös- dogmatisch, rassistisch- nationalistisch, usw. ist.

Wenn man etwas ändern möchte und andere zum Mitmachen bringen möchte, wird sich da wohl hoffentlich fast jeder erstmal kurz konservativ verhalten und den Änderungsvorschlag erstmal zumindest prüfen wollen, und nicht einfach durchwinken. Wenn man als „Progressiver“ nun alle die zu einem Zeitpunkt x noch nicht zugestimmt haben, sei es weil sie die Richtung der Änderung generell ablehnen oder sei es weil sie zwar auch in diese Richtung wollen aber mit dem Prüfen noch nicht durch sind, zusammen als „Konservative“ abstempelt, anstatt zu differenzieren und auf die jeweiligen Gründe einzugehen, wird man kaum je eine demokratische Mehrheit erreichen können.

Wenn ich eine soziale Änderung veranlassen möchte gibt es eben diejenigen die das komplett nicht wollen, zum Beispiel weil sie in diesem Punkt weniger bis gar nicht sozial eingestellt sind. Und es gibt diejenigen die zwar auch eine solche Änderung möchten, aber eben vielleicht etwas anders oder einfach noch mehr Zeit zum Prüfen brauchen, eventuell auch da ihnen etwas anderes zurzeit wichtiger ist.

Also wenn man die „neoliberale Revolution“, um mal Nancy Fraser zu zitieren, welche seit den 1980ern in Gang ist, schon zusammen mit anderen als „konservativ“ titulieren will, sollte man zumindest „Markt(ergebnis)- konservativ“ oder so bezeichnen, also relativ begrenzt auf einen bestimmten Erhaltungswillen.

Denn dann stimmt diese Gleichsetzung zumindest einseitig, die Neo- /Altliberalen wollen tatsächlich u.a. das Ergebnis der individuellen Marktentscheidungen beibehalten. Aber das wollen aus anderem Grund aber in Bezug auf konkrete Änderungen eben auch erstmal mehr oder weniger lange auch viele Soziale, die noch am Prüfen sind. Und die wollten bestimmt nicht erreichen was auch durch Herrn Piketty als „konservative Revolution“ bezeichnet wurde.

Also „neoliberale Revolution“ ist dann doch die „vernünftiger“ Bezeichnung, nach meiner Meinung.

Piketty’s Neoproprietarismus und der SPD- Bundesparteitag 2021

Thomas Piketty (https://de.wikipedia.org/wiki/Thomas_Piketty) beschreibt in seinem aktuellen Buch „Kapital und Ideologie“ ja die historische Entwicklung der Einkommens- und Vermögensverteilung weltweit und vor allem auch das Verhältnis zwischen Staat, Wahl-, und Verfassungsrecht und Einkommen und Vermögen bis in die Gegenwart hinein.

Vor allem beschreibt er auch die Entwicklung des Wahlrechts. Also wer wählen darf und wie viel Gewicht die Stimmen der einzelnen Wählergruppen haben. Bei einem Zensuswahlrecht, also einer Verfassung, die nur Wenigen ein Wahlrecht, in Abhängigkeit vom Vermögen, gibt und die „Gewichtung“ der Stimmen vom Vermögen abhängig macht, spricht Prof. Piketty von einer proprietaristischen Gesellschaft (https://de.wikipedia.org/wiki/Proprietarismus). Also einer in der nur die Wohlhabenden entscheiden was politisch geschehen soll. Interessant ist bei der historischen Betrachtung solcher Gesellschaften, dass hier scheinbar selten bis nie der Wunsch aufkam die Handlungsfreiheit des Staates bezüglich der Verfügungsgewalt über das Privateigentum einzuschränken. Scheinbar war hier die, meiner Meinung nach berechtigte, Sorge davor, dass diese Verfügungsgewalt einmal zum Beispiel aus sicherheits- und zukunftsorientierten Gründen einmal, benötigt werden könnte, größer als die Sorge davor, dass aus sozialen Werte- gebundenen Gründen eine Umverteilung des Vermögens oder gar nur der Einkünfte daraus in größerem Umfang von „oben nach unten“ über den Staat stattfinden hätte können. Das hatte es auch nicht.

Nun gibt es ja gegenwärtig kaum noch Gesellschaften mit Zensuswahlrecht. Seit dem Ende des 1. Weltkrieges gibt es in Europa überwiegend und seit dem Ende des europäischen (politischen) Kolonialismus auch in Afrika und Asien mal mehr mal weniger viele Staaten mit allgemeinem Wahlrecht für alle Erwachsenen.

Und in den USA gibt es das zumindest auf dem Papier schon sehr viel länger. Und damit auch die mal mehr oder weniger berechtigte Sorge, dass eine, von der Mehrheit der, von den Staatsbürgern gewählten, Abgeordneten gewählte Regierung, den staatlichen Handlungsspielraum zum Zugriff auf das private Vermögen oder den Einkünften aus diesen verwenden könnte.

Natürlich gab es auch teilweise einfach nur „ethnische Bedenken“, mild formuliert oder hart formuliert „rassistische Gründe“, wie von der Byrd Machine (https://en.wikipedia.org/wiki/Byrd_Machine) in Virginia (USA), zur Eingrenzung des Wahlrechts für Nicht-Weiße bzw. „Farbige“. Da ging es dann nicht einfach um die Abwehr von Wahlrechten für Nicht-Reiche, sondern von Ex-Sklaven, die dann teilweise die Wählermehrheit gestellt hätten. Also hier gab es zum ersten mal dann ein Bündnis zwischen wirtschaftslibertärer Wohlhabender, um ihr extrem großes Eigentum umfänglich „zu schützen“ und einer ethnischen auch weniger wohlhabenden Gruppe, welche ihre Interessen weiterhin mehrheitlich auch unfair vertreten können wollte, auch auf Kosten der Wahl- Fairness gegenüber der lokalen Nicht- Weißen Mehrheit.

Also hier entstanden erstmals Gruppen, welche die Verfassungsrechte so einschränken wollten, dass die Zugriffsmöglichkeiten der jeweiligen Regierungen auf das private Vermögen und den Einkünften daraus stark begrenzt wären. Diese Gruppen nennt Piketty dann, so habe ich ihn zumindest verstanden, neo- proprietaristisch. Also diese Gruppen versuchten, mit Erfolg (Wikipedia- Zitat „this not only effectively stripped blacks and poor whites of the vote, but made the electorate the smallest relative to population in the postbellum United States“), Verfassungen nach ihren „Nachtwächterstaats“- Vorstellungen umzubauen. Und direkt gab es auch ein Bündnis dieser Gruppen mit ethnisch bis rassistisch motivierten „bessergestellten“ Gruppen, um solche Verfassungsänderungen zu erreichen. Also das Prinzip, so viele Verbündete wie nötig mit profitieren zu lassen.

Also solche Gruppen hatte schon viel Übung als nach dem 1.Weltkrieg zumindest im Westen immer mehr Staaten das allgemeine Wahlrecht einführten. Und durch den New- Deal auch genügend Motivation, auch auf eine Beschränkung des Umverteilungsspielraums auch schon der Einkünfte aus Vermögen hin zu arbeiten. Diejenigen mir größeren Arbeitseinkommen hatten sich da natürlich als Verbündete angeboten. Trotzdem hat es bis zum Ende der 1970er Jahre gedauert, bis die Sorge vor zuviel Umverteilung langsam großer wurde, bei einer Mehrheit der Wähler, als die Sorge vor zuwenig. Das lag wohl auch daran, dass diejenigen denen Chancengleichheit wichtiger war, als ein faires Maß an Gleichheit für alle, langsam auf diese Seite wechselten. Dabei spielte dann auch die Meritokratie eine gewisse, Rechtfertigungsgründe liefernde, unterstützende Rolle (https://de.wikipedia.org/wiki/Meritokratie).

Und es gehört wohl wenig Phantasie dazu, Gruppen wie das Atlas Network (https://de.wikipedia.org/wiki/Atlas_Network) und die Arbeiten von James M. Buchanan als die aktuellen Hauptakteure in der Tradition der ersten Neo- Proprietarianer zu sehen. Auch wenn Herr Prof. Piketty diese nicht explizit nennt. Der war da vielleicht aus guten Gründen eher etwas vorsichtig.

Aber vielleicht ist auch gut, wenn diese Lücke von jemand aus Deutschland und/oder dem Norden Europas geschlossen wird.

Immerhin bieten sich einzelne EU-Staaten, bedingt durch das Zwangssystem wirtschaftlicher Freiheit, welches unseren, EU- Binnenmarkt formt, ja nun vorzüglich als neue Verbündete für die Neo- Proprietarianer an. Und inwieweit die nun tatsächlich bei der Herbeiführung dieses „Zwangssystems“ nun tatsächlich schon mit entsprechender Intention beteiligt waren, wird zumindest die Historiker wohl noch eine zeitlang beschäftigen. Wenn auch vielleicht in größerer Zahl erst in ein paar Jahren bis Jahrzehnten. 🙂

Also Koalition zwischen nationalen Arbeiterschaften, in Staaten die aufgrund von Standortvorteilen aktuell und eventuell auch von Natur aus zukünftig vom Freimarkt übermäßig profitieren und eher möglich wenig abgeben wollen, und dem libertärem Besitzbürgertum bieten sich da tatsächlich an und würden einen guten Nährboden für Neo- Proprietarianer Verfassungsänderungen bieten. Wobei die nationalen Arbeiterschaften dann wohl früher oder später über Ohrs gehauen würden. Die sollen eben nur temporär nutzen.

Damit wären wir dann auch beim letzten SPD- Parteitag zur Verabschiedung des „Zukunftsprogramms“ und der Nominierung von Olaf Scholz zum Kanzlerkandidaten.

Also zunächst fiel da natürlich mal auf, zumindest der RKSLP, dass nun nicht mehr die „Neoliberalen“ das Hauptproblem sein sollen, sondern die Konservativen. Und zwar nicht nur die zu konservativen sondern einfach nur „die“, oder höchstens noch „diese“, Konservativen.

Die sollten vielleicht mal das lesen: https://rkslp.org/2019/07/14/anmerkung-zum-verhaltnis-konservative-und-progressive/

Also die Wirtschaftsliberalen werden nicht mehr offen als Problem genannte. Warum muss ich jetzt plötzlich an Peine (https://de.wikipedia.org/wiki/Peine#/media/Datei:Wappen_Peine.png) denken? (Haben die übrigens eine Partnerschaft mir Rheinland- Pfalz. :)) Oder (hatten eine mit) Teilen des Südwestens Hessens. 🙂

Also da sollte sich die Arbeiterschaft, die Olaf Scholz in seiner Rede in einem Bündnis mit der „liberalen Mitte“, (fehlte da nicht das sozial) sah, fragen was genau den Olaf Scholz nun unter „liberaler Mitte“ versteht.

Die gesellschaftlich Liberalen oder die Wirtschaftsliberalen.

Einem, Prof. Lars Feld, den man wohl eher zum Neoproprietarismus zählen kann, zumindest nach meiner Ansicht, nichts für ungut :), hat Olaf Scholz, zusammen mit der SPD ja glücklicherweise eine dritte Amtszeit im Rat der Wirtschaftsweisen verwehrt.

Aber die Wirtschaftslibertären und die Neo- Proprietarianer „operieren“ wohl aber eher auf zwei Wegen. Einmal etwas direkter über Institute wie dem Walter Eucken Institut und zum anderen über diejenigen, die zwar für eine nationale Umverteilung sind, nicht aber für internationale. Wohl wissend, wenn wohl auch nicht alle Akteure dieses Weges, dass bei nur nationaler Umverteilung die internationale Spaltung und der Race- To The Bottom- Wettbewerb der (Gruppen von) Lohnabhängigen bestehen bleibt, und somit die Neo- Proprietarianer eher leichtes Spiel haben.

Im Hinblick darauf sollte man sich die Vorschläge der SPD für die Besetzung der freien Stelle beim Rat der Wirtschaftsweisen genau ansehen.

Und auch die Kanzlerkandidaten- Rede von Olaf Scholz beim letzten SPD- Parteitag. Wenn er davon spricht, dass die Voraussetzungen erhalten bleiben sollen, die dazu Beitragen das Deutschland ein reiches Land bleiben kann. Ohne zu hinterfragen, ob diese Voraussetzungen nicht teilweise zu unfair und unsozial waren, um in dieser Form erhalten bleiben zu sollen. Reiche kann es „relativ“ eben nur geben wenn es auch arme gibt.

Und wenn jetzt die SPD dafür stehen soll, dass die internationale Ungleichheit, auch noch unfair, aufrecht erhalten bleiben soll, ist die Partei eigentlich bezogen auf Europa und dem Rest der Welt genau zu dem geworden, wegen und gegen dessen die Sozialdemokratie eigentlich mal überhaupt entstanden ist, kann ich dem als aktuelles SPD- Mitglied nur vehement entgegentreten.

Wenn man die Agenda 2030 ins Zukunftsprogramm aufnimmt, was sehr zu begrüßen war, sollte man seine nächsten politischen Schritte aber auch danach ausrichten und nicht zu vage bis mehrdeutig, mit viel rein schön rednerischem Interpretationspotential bei den Details und den Reden werden.

Also ich hoffe mal, dass Olaf Scholz (und die Mehrheit der aktuellen SPD- Bundestagskandidaten) für ein Bündnis von der sozialen und Gesellschafts- liberalen „Mitte“ und der (sozialen und liberalen) Arbeiterschaft werben wollte und dass er „Wutbürger“ sagte oder zumindest sagen wollte und nicht „Gutbürger“, als er meinte dass diese eh nur alles kaputt machen würden.

Na ja er hat ja noch ein paar Monate Zeit die diesbezüglich „eher skeptischen“ zu überzeugen.

Sind wir mal optimistisch.