Ein Kommentar zu den anstehenden Wahlen in GB und zum Brexit

Als Befürworter des europäischen (sozialen) Integrationsprozesses würde ich den Brexit, also den kompletten Rückzug von Großbritannien aus der EU, zunächst einmal als Rückschritt bezeichnen.

Wobei die Motivation für den Brexit natürlich eine zentrale Rolle spielt.
Wenn es nur darum geht „unter sich“ zu bleiben, sich nicht mit anderen abstimmen zu müssen, sich nicht an gemeinsame Standards halten zu müssen und sich gegen einen angemessenen Beitrag zu gemeinsamen Sicherheits- und Sozialsystemen zu stemmen, wird der Brexit auch für Großbritannien sicherlich nur einen Rückschritt darstellen.

Bezogen auf die Einwohnerzahl, Landesgröße und den auch dort vorhandenen Rohstoffbedarf wird auch GB weiterhin auf die Kooperation mit anderen Staaten angewiesen sein. Und im internationalem Geschehen ohne Partner nur ein Spielball für andere sein.

Aber das dürfte allen dort zur Wahl stehenden Parteien und Politikern klar sein.

Nun muss man aber leider attestieren, dass die letzten „Integrationsschritte“ der EU, der gemeinsame Binnenmarkt und die Einführung des Euros, keine Schritte waren, welche die gemeinsame soziale Sicherheit oder die gemeinsame Verteidigungsfähigkeit zum Ziel hatten. Es wurde nur ein freier Markt geschaffen [mit dem Ziel, wohl zumindest der meisten damals beteiligten, international wirtschaftlich wettbewerbsfähiger zu sein] ohne gemeinsame soziale Sicherheit, gemeinsame soziale Mindeststandards, sogar ohne einen gemeinsamen demokratisch legitimierten sozialen politischen Handlungsspielraum. Und es gibt auch (bisher) keine Sanktionsmöglichkeiten für Staaten, welche ihren Beitrag zur gemeinsamen Verteidigung nicht leisten wollen. Für alle diese Punkte ist die freiwillige Zustimmung jedes einzelnen Staates nötig.

Hmm. Klingt stark nach einer libertären Traumvorstellung. Mit Public Choice Anstrich in der Farbe Buchana- Gelb, eventuell gut durchgekocht (das lässt sich noch nicht genau sagen). 🙂

Da haben sich wohl die „reichen“ und „temporären Überschuss“ Staaten in ihrem Streben bloß nichts abgeben zu müssen, wobei „abgeben“ eigentlich das falsche Wort ist, das Geld wird ja wieder ausgegeben, und fließt damit eventuell komplett wieder zurück, von ideologischen Beratern überrumpeln lassen.

Also einzelner oder „alle bis auf einen Wertebund“ von EU Staaten hat man, wenn man damit aus kurzfristigem oder langfristigem Eigeninteresse, oder aus sozialer Motivation nicht einverstanden ist, nur die Möglichkeit des Austritts oder auf die Zustimmung wirklich aller zu EU- Vertragsänderungen hinzuarbeiten.

Nun würde ich, mal zurückhaltend formuliert, eher davon ausgehen, dass Boris Johnson’s „Brexitianer“ die EU nicht primär deshalb verlassen wollen, da ihnen die Zustimmung aller zur gemeinsamen EU Sozialunion nicht schnell genug kommt. Hier werden vermeintliche oder tatsächliche Gründe das Eigeninteresse betreffend wohl eher von Bedeutung sein. Und mit Blick auf das Leistungsbilanzdefizit GB´s allgemein und speziell mit Deutschland, und auf das aktuelle unkooperative Verhalten speziell der deutschen Unionsparteien und der FDP als potentieller Regierungspartei, aber auch mit Blick auf das eher (noch) zögerliche Verhalten der SPD, und des Gewichts des Öko- Libertäre Flügels bei den Grünen kann man da in diesem Punkt nicht unbedingt von rein unberechtigten Gründen sprechen. Und beim Punkt gemeinsame Verteidigung ist die SPD zurzeit nun auch nicht unbedingt ein Bollwerk der „besser zu viel als zu wenig“- Anhänger.

Nichts desto trotz hätte ich mir gewünscht und wünsche es mir immer noch, dass GB seine Unzufriedenheit mit der augenblicklichen EU mit einer Aufforderung zu grundlegenden Reformen zum Ausdruck bringt. Und statt eines direkten Austritts, den anderen EU Staaten die Möglichkeit bieten würde mit GB zusammen einen besseren, sozialeren und mehr auf Sicherheit ausgelegten EU- Vertrag auszuhandeln, welcher entweder den Einzelstaaten noch genug Handlungsspielraum lässt oder der EU endlich, demokratisch legitimiert, den nötigen politischen Freiraum lässt. Und erst, und nur, falls in einer angemessenen Frist keine solche Einigung zustande kommt, tatsächlich austritt.

Aber wie auch immer die nächste Wahl in GB ausgeht. Und wie auch immer dann die dortige Regierung und das dortige Parlament sich dann entscheiden werden, es bleibt die Hoffnung, das der eventuelle Brexit nur eine Episode hin zu einem sich gegenseitig sozial und verteidigungs- technisch absichernden Europa bleiben würde und das die globalen Aufgaben wie der Erhalt einer lebenswerten Umwelt und der Aufbau eines sozialeren und sichereren globalem Systems (weiterhin) kooperativ gemeinsam angegangen und auch vollbracht werden kann.

An Herrn Weber, Spitzenkandidat der EVP

Frau Annegret Kramp-Karrenbauer hat ihre Ansichten zur Zukunft der EU nun vorgestellt. Klarheit ist wichtig.

Hier haben wir diese Vorschläge kommentiert:
https://konservativsozialliberaleplattform.org/2019/03/10/anmerkungen-zu-akks-antwort-auf-macron/

Da Sie der Spitzenkandidat der EVP und der Unions- Parteien sind und damit auch als einer der Anwärter auf das Amt des EU- Kommissionspräsidenten gelten, wäre es sehr wichtig, wenn Sie nun auch einmal ihre Ansichten zur Zukunft der EU als Gastbeitrag in einer Zeitung kundtun würden.

Ihre aktuellste Äußerung aus einem Beitrag in der Welt: https://www.welt.de/newsticker/news1/article190049095/Parlament-EVP-Spitzenkandidat-Weber-gegen-Verschiebung-des-Brexits.html
lassen mehrere Interpretationen zu.
Einen oder zwei Tag vorher konnte man in einer Überschrift lesen, dass Frau May es sogar selbst für möglich hält, dass GB in der EU bleibt.

Und nun erscheint dieser Artikel, in dem Sie sich für den Austritt am 29.03 aussprechen. Mit dem Wunsch nach klaren Verhältnissen ist das vielleicht noch vernünftig zu rechtfertigen, allerdings ist der Brexit ein so einschneidendes Ereignis, für die EU und für GB, dass man, falls die Möglichkeit eines Verbleibs unter fairen und angemessenen Bedingungen noch möglich ist, diese Option nicht einfach wegwischen sollte. Und es ist zwar richtig zu betonen, dass die Interessen der Bürger der EU-27 angemessen berücksichtigt werden müssen, aber dann sollte man auch betonen, dass uns die Interessen unseres Nato- Partners GB auch sehr wichtig sind.
Einerseits natürlich aus fairen Gründen und andererseits aus Gründen der eigenen sicherheitspolitischen Überlegungen. Wenn wir kein starkes GB mehr an unserer Seite haben, oder gar selbstverschuldet in eine Position gegen uns drängen, macht uns das die nötige Verteidigung auch nicht unbedingt einfacher. Und wenn man GB selbstverschuldet als Partner verlieren würde, fänden dies die USA bestimmt auch nicht gut …
Sie hatten schon geäußert, dass Sie die Türkei, auch einen Nato Partner, unter keinen Umständen in der EU haben möchten, egal wie sich die Menschenrechtslage dort entwickelt, und dies auch noch ohne gleichzeitig zu erwähnen, dass uns die Türkei als Partner extrem wichtig ist, wir eben nur aktuell aus menschenrechtlicher Sicht nicht, mit der Entwicklung dort zufrieden sind. Aus sicherheitspolitischer Sicht ist eine enge Verbundenheit mit der Türkei, auf Basis der Menschenrechte, stark anzustreben. Dies sollte man auch betonen.
Und wie stehen Sie eigentlich zu den Vorschlägen, zur Reform der EU, von Macron?
Da hatten Sie nur einmal, auf dem letzten Landesparteitag der CSU geäußert, dass „wir“ uns nicht von Macron belehren lassen müssten, wie die EU zu reformieren wäre.
Wie sehen denn dann ihre Vorschläge aus:
Finden Sie, dass es in der EU ein finanzielles faires, soziales, nachhaltiges Ausgleichssystem geben sollte? Und finden Sie, dass wir danach streben sollten uns in der EU gegenseitig das Existenzminimum soweit möglich zu garantieren?
Und wie stehen Sie zu den Fakten, welche von der KSLP in diesem Artikel https://konservativsozialliberaleplattform.org/2019/03/10/anmerkungen-zu-akks-antwort-auf-macron/ zur Begründung vorgetragen wurden, wieso wir ein Ausgleichssystem und eine gemeinsame Existenzsicherung in der EU bräuchten?
Bisher sind Sie mit ihren Äußerung zur EU und dem Rest der Welt, welche Sie in letzter Zeit vorgetragen haben, von den Positionen der KSLP, also den Verantwortlichen dieser Seite, sowohl sicherheitspolitisch, wie auch aus sozialer Sicht sehr weit entfernt.

Braucht die Eurogruppe und/ oder die EU ein finanzielles Ausgleichssystem oder etwas ähnliches? Teil 3

Hier ein Foren- Beitrag vom letzten Wochenende, da ging es zwar eigentlich um den Brexit, aber er beinhaltet auch einen Kommentar zu einem Ausgleichssystem:

„Vielleicht wäre es am besten, wenn die Britische Regierung nochmals ihr Volk über die verschiedenen Optionen, nun werden die meisten Wähler wohl auch besser über die einzelnen Auswirkungen Bescheid wissen, abstimmen lassen würden.
Immerhin hat ein Grundsatz- Wahlentscheid des Volkes den ganzen Brexit- Prozess ausgelöst, da wäre es vielleicht auch angebracht, wenn das Volk nun die finale Entscheidung über den Ausgang des Prozesses treffen würde.

Wobei man den Briten, dann aber fairer Weise raten sollte sich diesmal genau zu überlegen auf was sie sich da einlassen.

Der EU- Binnenmarkt und später der Euro wurden ja unter Einfluss der zusammengebrochenen Diktatur des Kommunismus im Osten Europas umgesetzt.

Damals wurde meiner Meinung nach aus dem Sieg der politischen Freiheit in den Staaten des Warschauer Pakts über die Tyrannei der Kommunistischen Diktatur, etwas überspitzt formuliert, der Sieg der Ideologie der marktradikalen Hyperglobalsierung über jegliches Streben nach einem sozialen Ausgleich über die Landesgrenzen hinweg und auch nur sehr bedingt im Landesinneren, maximal zur Existenzsicherung.

Vor 1989 galt in den freiheitlichen Demokratien die Reihenfolge:

  • politische Freiheit
  • militärische Stärke zur Sicherung der politischen Freiheit
  • wirtschaftliche Leistungsfähigkeit unter anderem zur
  • Sicherung der sozialen Grundbedürfnisse und der fairen Verteilung des gemeinsamen Ertrags (zumindest in West-Europa)

Seitdem hatte sich weltweit die Ideologie durchgesetzt, dass die 4 wirtschaftlichen Bewegungsfreiheiten für Menschen, Kapital, Waren und Dienstleistungen an erster Stelle stehen müssten.

Mittlerweile finden dies nur noch Regierungen und der Ilsebill- Anteil (frei nach den Gebrüdern Grimm) der jeweiligen Bevölkerung gut, die aktuell zumindest kurzfristig davon profitieren, also z. B. Deutschland und China gut.
Vor allem die aktuellen Regierungen der USA und GB, welche uns diese Ideologie mehr oder weniger erst eingebrockt hatten, haben sich davon nun wieder distanziert.

Diese 4 Freiheiten sind zwar wirtschaftlich Vorteilhaft innerhalb einer politschen Einheit mit gemeinsamem Staatshaushalt und gemeinsamem Sozialversicherungen.
Aber ohne diese politische Einheit begünstigen Sie diejenigen Staaten, mit z. B. den besten Produktionsbedingungen oder den meisten Rohstoffen, also diejenigen die einen natürlichen Vorteil gegenüber anderen Staaten haben.
Besonders bei einem System gemeinsamer Währung. Und Sie führen zu einem „Race To The Bottom“ ohne Ausgleichssystem.

Deshalb wäre es so wichtig, dass wir uns in Deutschland mit einer ausgeglischenen Leistungsbilanz innerhalb der Europgruppe und des EU- Binnenmarktes zufrieden geben würden, anstatt in bester Ilsebill Manier am Überschuss festzuhalten.
Wo das hinführt kann man ja bei den Brüdern Grimm nachlesen.

Also um wieder zu den Briten zurückzukommen sollten diese sich Fragen, ob sie die Austrittsdrohung und im Notfall auch -Durchführung nicht mit Reformforderungen an die EU, zu unser aller Vorteil, auch dem der Deutschen (man denke nur an Endbehausung von Frau Ilsebill), verknüpfen wollen.

Dann hätten sie sich selbst und der Welt, wohl wahr, einen Gefallen getan.

Na ja, man wird wohl noch träumen dürfen … “