Was ist eigentlich eine politische Revolution?

Als Revolution bezeichnet man ja meist einen mehr oder weniger abrupten und mehr oder weniger gewalttätigen Bruch mit dem bisherigen gesellschaftlichen, staatlichen System.

Entweder da das bisherige den Revolutionären keinen legalen Weg bot die gewollten Änderungen innerhalb der bestehenden Ordnung zu erreichen. Oder da ihnen der Weg zu lange schien.

Bei den Motiven kann man wohl generell unterscheiden zwischen dem Motiv der unmittelbaren oder mittelbaren Betroffenheit der eigenen Interessen. Und dem Motiv der Betroffenheit durch die eigenen Werte. Also wenn ein System andere nicht so behandelt wie man es aus Werte-Sicht tolerierbar findet. Das kann auch der Fall sein, wenn diese zu viele Freiheiten haben, zum Beispiel nicht jeden Sonntag in die Kirche gehen zu müssen.

Meistens wird man in einer Gesellschaft zumindest nicht komplett einer Meinung sein, wie die Dinge laufen sollten. Dann stellt sich die Frage wie man dann zu einer Entscheidung kommt wie es dann doch läuft. In repräsentativen Demokratien wählt die wahlberechtigte Bevölkerung dann einige aus, die diese Entscheidungen dann verfassungsgebunden treffen sollen. Meist geschieht dies in Rahmen von Parteien und Koalitionen durch Mehrheitsentscheid. Außer bei verfassungsändernden Gesetzen. Da braucht es meist eine 2/3 Mehrheit oder etwas in dieser Größenordnung. In einigen Staaten gibt es auch Bürgerentscheide, also Instrumente direkter Demokratie. Und einige Verfassungsregeln sind auch oft gar nicht innerhalb des Verfassungsrahmens änderbar. Wobei zum Beispiel die deutsche Verfassung aber ausdrücklich vorsieht, dass sich das deutsche Staatsvolk eine neue Verfassung ausarbeiten darf, die die alte dann einfach legal ablöst. So interpretiere ich diese Regel zumindest.

Das könnte man dann je nach Abruptheit und Umfang der Neuerungen schon als Revolution betrachten. Ich würde von einer politischen Revolution aber erst dann sprechen, wenn man einen Weg gewählt hat, der außerhalb des bestehenden Rechtssystems lag. Also wenn es solch eine Option einer Entscheidung für eine komplett neue Verfassung in der bestehenden zumindest nicht gab.

Die Frage ob eine Revolution friedlich oder unfriedlich abläuft hängt wohl in erster Linie davon ab, ob diejenigen welche die bestehende Ordnung erhalten wollen gewalttätigen Widerstand leisten. Außer die Revolutionäre haben sich ihrerseits zuvor darauf verständigt sobald auch nur einer bereit ist die alte Ordnung mit Gewalt zu verteidigen sie alles abblasen. Das dürfte aber nur selten der Fall sein. Meist wird der Grund für eine friedliche Revolution darin liegen, dass es nicht hinreichend viele gab die die alte Ordnung behalten wollten. Und die Restlichen keinen aussichtslosen Kampf führen wollten.

Es kommt also wie wohl fast immer wenn man was erreichen will darauf an hinreichend viele mit hinreichend vielem auf seiner Seite zu haben. Das kann man entweder dadurch erreichen, dass man andere davon überzeugt, dass die eigene Sache wirklich auch hinreichend in ihrem Sinne ist. Oder man lässt sie es glauben. Diese Technik wird ja häufig als kulturelles Hegemonie Projekt, nach Gramsci, bezeichnet. Man bringt also andere dazu übertriebener oder fälschlicher Weise davon auszugehen, dass das was man selbst für wichtig und richtig hält auch in deren Sinne wäre.

So eine Täuschung lässt sich natürlich im Laufe der Zeit immer schwerer aufrechterhalten. Deshalb sollte man, wenn man denn solche Täuschung anwenden möchte und das mit seinem Gewissen vereinbaren kann, schauen, dass man solche getäuschten Mitstreiter nur zu einem bestimmten Zeitpunkt für ein bestimmtes Ziel braucht. Und hinterher auch diese Ziele zur Not auch gegen diese Ex-Mitstreiter im Verbund mit der bereits vorhandenen Opposition gegen diese Ziele aufrechterhalten kann.

Also man sollte durch solch eine Täuschung schon seine Position nachhaltig soweit verbessern, dass auch solch ein zu erwartender Oppositionszuwachs daran nichts ändert.

Wobei auch Täuschen durchaus moralisch legitimiert sein kann. Wenn man 2 oder mehr historisch gewachsen mächtige Gruppen, die einem unfair zu viel wegnehmen oder vorenthalten (wollen) gegeneinander durch kurzfristige Täuschung ausspielen kann und somit seinen historischen Rückstand aufholen und auch nach Auffliegen der Täuschung diese Gruppen fair in Schach halten kann ist das durchaus auch aus fairer Sicht zu empfehlen. Hängt eben von dem Schaden ab den man diesen beiden Gruppen dabei zuführt. Das muss natürlich im Verhältnis zum Ziel fair sein, wenn das Mittel fair sein soll.

Ein anderer Punkt betrifft die Bezeichnung für diejenigen, die eine Revolution wollen und diejenigen die nicht.

Einige bezeichnen ja gerne platt diejenige, die das bestehende System erhalten wollen als konservativ und diejenigen die es ändern wollen als progressiv. Das halte ich aber für zu oberflächlich. Es gibt ja die Redewendung „Wenn das Runde durchs oder ins Eckige muss“. Da geht es eben gerade darum, dass wenn man das Objekt, dass aktuell rund ist erhalten will, man es in eine Form bringen muss die durchs oder ins Eckige passt. Gut beim Fußball ist es nochmal etwas anders. 🙂 Also hier gibt es schonmal 2 Gruppen von Konservativen. Die Objekt-Konservativen und die Form-Konservativen. Also diejenigen die das Objekt erhalten wollen und diejenige die die runde Form erhalten wollen. Und es gibt eine Progressive Gruppe. Die Form-Progressiven. Die wollen die Form aus verschieden Gründen ändern. Einige davon auch aus schon bekannter Objekt-Konservativer Motivation. Denn der Objekt-Konservative muss ja auch bedingt innerhalb vorsichtiger Grenzen, denn jede Zustandsänderung bedeutet ja auch neue Gefahren, auch hinreichend aber nicht zu Form-Progressiv sein. Da er zumindest die Form-Konservativen und diejenigen Form-Progressiven gegen sich haben wird denen das Objekt eh noch nicht rund genug war oder jetzt zu unrund wird und die dann gegensteuern, wird er besser schauen, auch diejenigen Form-Progressiven als Verbündete zu gewinnen die aus anderen Gründen für eckig sind. Aber eben nur bis zum hinreichenden Moment. Dann ist jede weitere Änderung erstmal wieder ein Risiko, dass es gegen das „So lassen Risiko“ abzuwägen gilt. Aber bis zu diesem Punkt sollte jeder Verbündete aus fast welcher Intention auch immer willkommen sein. Denn es gibt ja noch diejenigen die das Objekt zerstört sehen wollen. Die werden auf Seiten der Form- Konservativen agieren und agitieren.

Wobei Progressive meist ja auch etwas erhalten wollen meist aber eben in einem Zustand den sie für besser halten. Sie sind als auch prinzipiell Objekt-Konservativ. Und sollten mit den Vorsichtigen, also denjenigen die lieber eine hohe Sicherheit für den Erhalt der Objekte, die sie erhalten wollen, auf einem Mindest-Niveau haben wollen als die Chance auf einen besseren Zustand aber mit mehr Risiko, gegen die Objektzerstörer oder Zustands-Niveau-Bewusst-Überreizter zusammenarbeiten.

Also kurz formuliert: Lieber genug zu wollen mit viel Sicherheit ist für mich konservativ.
Lieber mehr zu wollen dafür aber mit mehr Risiko ist progressiv.

Vor allem Progressive neigen dazu sich von denjenigen die die Objekte, die die Progressiven mutig verbessern wollen, stattdessen zerstören oder „klein“ halten wollen, zum Übermut verleiten zu lassen und sie bieten denjenigen die Möglichkeit sich als vorsichtige Konservative tarnen zu können.

Bezogen auf die Revolution heißt das, man muss zwischen Revolutionen für Genug und für Mehr unterscheiden. Und bei Mehr nochmal zwischen fair und gierig.

Wenn Oligarchen oder Tyrannen an die Macht kommen war es eine gierige Revolution.

Und Fair-Mehr-Revolutionäre lassen sich wohl leichter von Gierigen und vom Außen unterwandern als Genug-Revolutionäre. Letzt genannte sind eben vorsichtiger. Kann aber natürlich sein, dass man sie zu zu großer Vorsicht verleitet und somit nötige Revolutionen ausbleiben. Und damit auch dazu, dass das Genug nicht zu halten oder erreichen ist.

Tja. „Zu …“ in diesem Sinne, ist halt wohl immer schlecht.

Daher Konservative und Progressive mit dem gleichen Erhaltungsziel, ringt nicht nur miteinander sondern schaut auch, dass ihr nicht von denjenigen ohne dieses Erhaltungsziel überrumpelt oder gegeneinander ausgespielt werdet.

(Standort-)wettbewerb auf „Leben und Tod“

Weiß eigentlich noch jemand was das Ziel des europäischen Integrationsprozesses war? Warum die EG und später die EU gegründet wurde?

Alles begann ja mit der Montanunion. Um Rohstoffe sollte es keinen Krieg mehr geben, sondern die sollten gemeinsam genutzt werden.

Die meisten Staaten verfügen eben nicht über alles was ihre Bevölkerung braucht selbst. Und seit es Freiheit der Kapitalbewegung gibt hat das noch mehr zugenommen. Prinzipiell ist (fast) alles in Freimarkt- WTO- Staaten auch das Unbewegliche auch für nicht Staatsangehörige käuflich. Als gewählter Staatsrepräsentant kann man sich nicht mal mehr sicher sein, dass man genügend Fläche für Wohnraum für seine Bevölkerung ausweisen kann. Wenn der Boden erst mal komplett verkauft und per Investitionsschutz vorm (inländischen) öffentlichen Zugriff „geschützt“ ist bekommt die Metapher vom Staats-„Volk ohne Raum“ eine ganz neue linke Brisanz. Theoretisch kann eine Bürgerschaft den größten Teil ihres Eigentums außerhalb des eigenen Staatsgebietes haben und innerhalb ihres Staatsgebietes nur noch einen Bruchteil selbst besitzen. Hier ist dann eben besonders wichtig welche regulativen Rechte, welche Rechte zur Besteuerung und welche Rechte zur Nutzungsvorgabe der Staat und damit die Bürgerschaft über die beweglichen und unbeweglichen Dinge im eigenen Land noch hat. Kann man noch Mieten deckeln. Kann man überhaupt noch Vorgaben machen, dass in diesem oder jenem Viertel Wohnungen zu stehen haben und keine Hotels, Vergnügungsparks oder Fabriken? Kann man die Wohnungsgröße vorschreiben? Oder anders ausgedrückt. Kann man als Stadtverwaltung noch sicherstellen in 5 Jahren noch genug Wohnraum für seine Stadtbewohner zu haben? Ganz abgesehen davon, ob der noch bezahlbar ist, aus individueller oder gemeinschaftlicher Sicht? Kann es passieren, dass plötzlich innerhalb von 3 Jahren 50% der Wohnungen abgerissen wird? Die Antwort ist, dass dies eben von den Gesetzen, der Staatsverfassung und solchen internationalen Verträgen wie Investitionsschutz- Abkommen und vom internationalen Druck diese einhalten zu müssen abhängt. In einem rein freien Markt wäre das möglich. Deshalb ist es so gefährlich wenn sich eine Einstellung in der Bevölkerung und auch in der Politik durchsetzt die den Freimarkt und die ungebremste individuelle Entscheidungsfreiheit ohne Blick für die gesellschaftlichen Konsequenzen, für mansche gibt es so was wie eine Gesellschaft ja auch gar nicht, feiert. Was für den einzelnen kurzfristig Gut ist, ist für die Gesellschaft, die eben nun mal da ist, zu oft (zu) schlecht. Deshalb braucht eine Gesellschaft genug politische Handlungsfreiheit, das fair nötige durchzusetzen. Im Fall von Wohnraum ist das eben eine Priorisierung der Wirtschaftstätigkeit hin zu genügend Wohnraum an jedem Ort oder eben einer Verlagerung der Arbeitsplätze und damit der Bevölkerung an andere Orte wo noch angemessener Wohnraum verfügbar ist. Dafür braucht man aber hinreichende öffentliche Rechte an Boden, Immobilien und Investitionsströmen. Das gilt natürlich auch für Fragen der grundsätzlichen Bewohnbarkeit der Erde um auch mal das Ökologische anzusprechen. Es ist wichtig das hinreichend viele verstehen, dass wenn man nur auf den Marktpreis schaut ohne die Folgekosten für sich und andere zu berücksichtigen diese am Ende dann tatsächlich aufgetürmt geballt zu buche schlagen. Und zu oft in desaströser Weise.

Beim Markt bekommt man eben nur das für das man bezahlt hat. Und wenn man dabei nicht hinreichend soziales, ökologisches, Sicherheits- und Zukunftsorientiertes bei den „Richtigen“ mit bestellt hat gibt es das dann auch nicht. Wenn Marktentscheidungen überhaupt einen Vorteil gegenüber staatlichen haben sollen, dann eventuell weil dort eben nicht jeder das gleiche Stimmengewicht hat. Im Idealfall sind die Entscheidungen dann makroökonomisch fundierter. Aber wie man an der Formulierung schon ablesen kann, ist ein Zuwachs an Marktmacht eben vor allem von eher mikroökonomischen Entscheidungen abhängig. Diese Arbeitsteilung wird ja im Gegensatz zur Planwirtschaft gerade als Vorteil angesehen. Nur garantiert das dann eben kein makroökonomisches Wissen. Und gemeinwohlorientiertes Verhalten wohl noch weniger als bei staatlich gewählten Entscheidern. Also wenn die freiwillige individuelle hinreichende Berücksichtigung von sozialem, ökologischem, Sicherheits- und Zukunftsorientiertem nicht ausreicht muss man eben verpflichtend bzw. per Zwang kollektiv staatlich dafür sorgen. Wobei es natürlich auch da keine Garantie gibt, dass das Nötige und nicht gar das Schlechte getan wird. Aber dagegen braucht man eben ein Ausgründrecht mit einem fairen Anteil an allem aus dem „Pflichtmonopol“ des Staates um das Nötige damit es noch tolerierbar ist legal tun zu können oder es zumindest legal versuchen zu können. Gegen „schlechte“ staatliche Eingriffe, aber eben nicht gegen Unterlassen des Notwendigen, würden einem hinreichen ausstaffierte Grundrechte, für seinen fairen Anteil tatsächlich schon reichen. Umgekehrt bräuchte es aber auch ein Schutz davor das individuell etwas nach außen verkauft wird, was für die Gemeinschaft wichtig ist. Der Boden zum Beispiel. Privatisieren heißt eben auch, dass nicht nur innerhalb der Gesellschaft verkauft werden kann sondern auch nach außen, egal ob Freund oder Feind. Privatisieren von für die Gemeinschaft wichtigen Dingen heißt eben diese jederzeit an den „Falschen“ verlieren zu können, außer man beugt dem per Gesetz, am besten mit Verfassungsrang, vor. Eigentlich wurde das ja durch den Grundrechtzusatz „Eigentum verpflichtet“ in unserer Verfassung je nach Interpretation so vorgesehen. Aber das hängt eben vom jeweiligen Verfassungsgericht ab. Wenn von Individuen in der Gesellschaft wichtige inländische Besitztümer indirekt durch ebensolche im Ausland getauscht wurden, besteht natürlich auch ein faires Interesse der Gemeinschaft daran, dass man durch Investitionsschutzgesetzte in beiden Ländern zumindest nicht schlechter gestellt wird. Das ist aber eben nicht nur eine rechtliche sondern auch ein Durchsetzungsfrage. Und die ist im Ausland meist begrenzt. Also es findet eine komplette Verstreuung des Gesamtbesitzes einer Bürgergesellschaft also einer mit einem gemeinsam nach innen und außen mit zentralen Handlungsmonopolen versehenen Staates, statt. Steuerhoheit auf Kapital und Sicherheitshoheit werden so getrennt. Und auch die Steuerhoheit für die im Staatsbereich Arbeitenden und Lebenden. Denn die werden für Staaten, da sich das Kapital leichter einer Besteuerung entziehen kann, zunehmend zur wichtigsten Steuereinnahmequelle, da die Arbeit eben zu denen von der Kapitalseite gewählten Standorten gehen muss. Und genau das ist der (Standort-) wettbewerb den ich in meiner Überschrift erwähnt habe und in einem freien Markt ohne hinreichenden (zwischen) regionalen Ausgleich findet der eben tatsächlich auf Leben und Tod statt. Genauso wie innerhalb von Regionen wenn es keinen hinreichenden sozialen Ausgleich dort gibt. Und zu große Ungleichheit zumal lebensbedrohliche oder zumindest gesundheitsbedrohende führte eben meist zu Revolutionen, das war schon immer so und wird wohl immer so bleiben. Die Ökonomen der historischen Schule, wie Gustav von Schmoller, wussten das noch und haben daher für einen hinreichenden Ausgleich geworben und davor gewarnt das nur „der Inkonsequente und derjenige der seinem eigenen Land schaden will komplett freihändlerisch“ sein könne. Das sollte man auch bedenken wenn man Anhänger der zu freiheitsradikalen Österreichischen Schule von Mises, Hayek, Buchanan und Co ist. Denn die ist eben zu einer Zeit und an einem Ort entstanden wo auch Lenin in Österreich aktiv war …
Ohne hinreichende Berücksichtigung oder Korrektur für soziale, ökologische, Sicherheits- und Zukunftsorientierte Zwecke ist das reine Markergebnis eben für niemanden innerhalb einer Gesellschaft tragbar. Innerhalb der Gesellschaft. Da bleibt dann nur Revolution oder Hegemonie des Außen, wenn da keine Korrektur wegen der falschen Verfassung mehr möglich ist. Dies kann wie unter Solon zur Geburtsstunde etwas mehr oder weniger tugendhaften wie der Attischen Demokratie im antiken Athen führen oder eben zu einer neuen „Hitler“- Herrschaft. Oder einer Oligarchie oder einer neuen stalinistischen Einparteien -Vorherrschaft nur dann in ganz Europa.

Oder auch mal zu was Werte- gebunden und durchdachterem, einem demokratischen Staatbund mit Ausgründrecht mit einem fairen Anteil an allem wenn man’s nicht mehr tolerierbar findet. 🙂 Aber da sollte man besser durch Reformen oder eine bewusste samtene Revolution hin und nicht durch eine (blutige) Notfall- Revolution weil vorher alles zu schlecht wurde.

Wenn man nachhaltig in Frieden und Wohlstand leben will muss man eben schauen, dass es den andern zumindest auch nicht zu schlecht geht, wenn schon nicht genauso gut. Mit einer reinen Freimarkt- Ideologie ist das aber nicht stabil erreichbar. Und ohne durchsetzbares Ausgründrecht mit einem fairen Anteil an allem ist man Murphys quantitativen „Alles was schief gehen kann geht auch schief“- Gesetz wenn es dann bei der soundsovielsten Neuwahl oder Auslosung so weit ist, dem Schiefgehen legal handlungsunfähig ausgeliefert. Bliebe dann nur eine neue Runde Revolutionsroulet und der spannenden Frage was es dann spontan gibt.

Arm, Reich, Revolutionen, Krieg und Frieden. Und die Mitte? :)

Wann wurde in der staatstheoretischen und verfassungsethischen Wissenschaft eigentlich die Mitte entdeckt? Und wann, von einigen, wieder gestrichen?

Bei staatstheoretischen Werken muss man ja immer mit berücksichtigen wann und unter welchen Gesamtsituationen sie geschrieben wurden.

Das gilt auch für Aristoteles Werk „Politik“, das übrigens von seinem Umfang her ohne Anmerkungen auch „nur“ erträgliche 260 „Reclam“- Seiten umfasst. Hätte sein Werk die Zeit überdauert bzw. wäre es überhaupt gedruckt worden, wenn er die von ihm gestellte Frage (3.Buch; Punkt 10 direkt zu beginn), ob es gerecht wäre wenn Arme als Mehrheit in einer Demokratie das Vermögen der Reichen unter sich aufteilen, eher teilweise bejahend beantwortet hätte? Also zum Beispiel, dass zumindest jeder einen fairen Anteil aber eben auch die dann (Ex-) Reichen bekommt. Immerhin ist es wohl schwierig universell moralisch zu begründen, wieso einer von Geburt an ein Anrecht darauf haben sollte einen unfair großen Anteil an allem behalten zu dürfen. Hätte Aristoteles dann die Gelegenheit gehabt sein Gesamtwerk fertigzustellen und wäre es auch von Generation zu Generation weitergereicht worden? Das war ja nicht so ganz billig. Man weiß es nicht. Aber wohl er nicht.

Eine „tragende Mitte“ gab es damals ja, wie man „Politik“ entnehmen kann, noch nicht. Da gab es die arme Mehrheit und die Reichen. Und die Frage welche Staatsform mit welchen Verfassungsregeln denn nun wer einführen möchte und auch einführen kann.

Eine „Mitte“ ist, so weit ich weiß, tatsächlich erst nach dem Etablieren der ersten echten Mehrheitsdemokratien entstanden und dabei auch eine die sich durch Maßnahmen wie „Roosevelts New Deal“ gegenüber den „Nur Mehr ist Mehr“- Reichen zu behaupten wusste. Allerdings legt der Begriff der Mitte nahe, dass es auch weiterhin Arme gab und gibt. Zumindest relativ. Hier scheiden sich wohl Demokratien in zwei Gruppen. Echt soziale und „anständige“, um mal beim Vokabular meiner Aristoteles Übersetzung zu bleiben, bei denen es nicht mehr wirklich Arme gibt und der Unterschied zwischen Reich, Mitte und Arm nicht allzu groß ist. Und rein am Nutzen orientierte wo es nur drum geht dass jeder einzelne so viel wie möglich für sich rausschlägt und es noch für eine demokratische Mehrheit reicht auch mit Tricks und Täuschungen. Das wird dann immer wechselnde Nutzen- Koalitionen zwischen Arm, Mitte und Reich erzeugen. Zumindest bis es eine Seit geschafft hat die Verfassung oder gleich die Staatsform so zu verändern, dass sie nicht auf Mehrheitskoalitionen angewiesen ist. Aktuell wird so eine Strategie wohl vom AtlasNetwork und Co. verfolgt, zumindest lassen die Fakten mich Werte- gebunden zu keinem anderen Urteil kommen. Und natürlich hat auch immer das eher „oppositionell“ eingestellte Außen ein Interesse die Mehrheitsverhältnisse und Verfassungsanpassungen in ihrem Sinne mit zu gestalten. Und sei es nur um einen revolutionären Zusammenbruch wahrscheinlicher zu machen.

Auf all dies wurden und werden wir von seitens der aktuellen Regierung, der öffentlichen und auch der meisten privaten Medien nicht wirklich gut vorbereitet oder auch nur schlecht bis eher gar nicht informiert. Laut Aristoteles ist das immer ein sicheres Zeichen, dass man schon die an die (indirekt) Macht gelassen hat (hatte), die der aktuellen Staatsform und Verfassung eher ablehnend gegenüber stehen und etwas anderes anstreben.

Und wenn man bedenkt, dass wir gerade dabei sind als Europa in einem gemeinsamen Verfassungsraum zusammenzuwachsen und auch international so frei für die sind die es sich leisten können, wäre es nur noch ratsamer dass sich die Mehrheit mal hinreichend informiert. Auch schon aus eigenen Interesse um nicht nur eine Zeit lang gebraucht zu werden bis die neue Wunschverfassung in trocken Tüchern ist. Egal ob durch „Old Whig“- Reichen oder durch Zusammenbrechlassen- freudigem Außen. Dann gibt es auch wieder keine Mitte mehr.

Wobei ich wie schon oft gesagt auch kein Freund von einem verfassungstechnischen Blanko- Scheck zur Tyrannei der Mehrheit bin.

Also einen fairen Anteil an allem sollte jeder auf jeden Fall behalten können oder sich mit solch einem dem Mehrheitswillen handlungsfähig entziehen können, wenn er deren Willen für nicht mehr tolerierbar hält.

Zusammenfassend muss man eben leider sagen:

Das Leben duldet keine zu starke Unachtsamkeit oder Handlungsschwäche der zumindest noch tolerierbar Besonnenen, Anständig und relativ Geeigneten. Wenn die zu Unbesonnen, zu Unanständigen oder zu relativ Ungeeigneten zu lange an die Macht gelassen wurden, leben zu viele, eventuell für mehrere Generationen, wieder unter einer Tyrannei, wenn sie denn überhaupt noch leben können. Nach mehreren Blut, Schweiß und Tränen kämpfen, die man dann eventuell den nachfolgenden Generationen zumutet weil man es selbst dann nicht mehr schaffen konnte, wird es zwar wohl auch dann aus Werte- Sicht mit universell moralischem Selbstanspruch auch mal wieder zumindest tolerierbar sein, wenn der Planet und das Leben, dass den mitmacht.

Aber warum prüfen und handeln wir, also zumindest hinreichend viele, nicht jetzt schon wenn es noch unblutig und ohne zu viel Leid geht?

Wieso prüfen und schreiben nicht hinreichend viele über die Ideen und Ziele vom Atlas Network und Co.?

Wieso lassen sich zu viele vom kurzfristigen Profit verführen oder von der Angst zu wenig zu bekommen lähmen?

Leichter wird es nicht.

Besonnen, anständig und geeignet genug regieren heißt zu schauen, dass man selbst fair genug hat aber auch die anderen. Und sich keinen Ausreden wie dem angeblichen Automatismus des Marktes zum Wohle aller hingeben oder mit unnötig Unzureichendem, eventuell noch verschleiert durch Schein- Geschichten. Und man braucht eine Verfassung die so etwas weitgehend gewehrleistet und sei es als letztes Mittel nur durch das wichtige Recht des Ausgründens mit einem fairen Anteil an allem, wenn man die Verfassung und die Regierenden für nicht mehr tolerabel hält.

Lasst euch nicht zu einer unfairen oder unsolidarischen Nutzenunion zwischen wirtschaftslibertären Reichen, Armen und „Mittleren“ verführen.

Sonst ist von „Krieg und Frieden“ bald wieder ersteres das wahrscheinlichere und in gewissen Maßen auch das legitimere.