Migration und Flucht

Wenn man über die individuellen und wirtschaftlichen Grundfreiheiten in der EU, und darüber hinaus, nachdenkt und/oder schreibt, wird man sich irgendwann zwangsläufig auch hinreichend mit Punkten wie der individuellen Bewegungsfreiheit in der EU und der legalen und illegalen Migration und der Flucht in die EU, und durchaus auch der Emigration aus der EU heraus, beschäftigen müssen.

Beim Thema Migration und Flucht prallen natürlich viele, mehr oder weniger berechtigte Interessen und Wertvorstellungen aufeinander.

Auf der einen Seite zunächst mal das grundsätzliche Streben danach einfach irgendwo in Sicherheit vor (Bürger-) Krieg, Verfolgung, Hunger oder Umweltkatastrophen usw. leben zu können.

Auf der anderen Seite zunächst mal die grundsätzliche Sorge, dass durch zu viel Immigration und Flucht in den „eigenen“ Staat die eigene Gesellschaft, der eigene Staat, destabilisiert, dass der Platz knapp, die eigene Grundversorgung gefährdet und nicht zuletzt die politische Mehrheit für die eigenen Werte, Überzeugungen und natürlich auch Interessen gefährdet, zumal wenn man bisher noch Mitglied der „ethnischen“ Mehrheit „seiner“ Nation war, werden könnte.

Also das natürliche Recht der einen nach einen Platz in der Welt zu streben, an welchem Sie hinreichend sicher und ihren eigenen Werten, zumindest für sie tolerierbar, entsprechend leben können, wenn dies an ihrem aktuellen Wohnort, und/oder Geburtsort nicht möglich ist.

Und das ebenfalls natürliche Recht der anderen ihren eigenen Platz in der Welt, den sie im Augenblick, und eventuell von Geburt an, innehaben oder den sie aus historischen Gründen als ihre Heimat ansehen, und der die genannten Anforderungen für sie bereits zumindest ausreichend erfüllt, nicht durch „Neuankömmlinge“ gefährdet zu sehen, zumindest nicht in zu großem Umfang teilen zu müssen oder gar ganz zu verlieren.

Das sind also die beiden grundsätzlichen Interessensgruppen die hier erstmal aufeinander prallen.

Eine entscheidende Frage ist dann auch, wie dieses „aufeinander prallen“ abläuft. Welche Sicherheit will man denjenigen, welche auf der Flucht sind oder aus sonstigen Gründen migrieren gewähren? Ab wann läuft man tatsächlich Gefahr falsche Anreize, für einer Zunahme der Migration, zu setzen, in dem man zum Beispiel zu früh und in zu großem Umfang einbürgert, Flüchtlingslager auflöst und die Flüchtlinge an bessere Orten bringt, oder einfach nur die staatliche Seenot- oder Wüstenrettung ausweitet. Welche ausländischen Orte sind ethisch zumindest noch annehmbar, um als Zwischenstation für diejenigen Geretteten zu gelten, die man, durchaus auch schon ethisch angebracht, als „zu viele“ zum Aufnehmen betrachtet, in Frage zu kommen. Für die EU sind ein paar Tausend, oder Zehntausend „ohne Visa“ migrierte Neuankömmlinge pro Jahr mit Sicherheit kein Problem, nicht mal eine Herausforderung, ab Hunderttausenden bis Millionen sieht die Sache aber natürlich schon anders aus. Spätestens dann und schon mit Hinblick darauf, muss dann aber Werte- gebunden die eigene Sicherheit hinreichend im Vordergrund stehen. Aber diese Werte- gebundenheit darf man nie vergessen. Man darf auch nie leichtfertig zu wenig tun. Das wird man sonst immer als Gewissensbisse mit sich herumtragen oder auch zurecht mal bei anderer Gelegenheit angeprangert oder durchaus auch „in Rechnung“ gestellt bekommen, wenn man selbst mal (wieder) in Not ist. Es ist eben immer eine Gratwanderung. Auch hier bietet sich an, die eigene Entscheidung auch mal aus der Sicht des anderen zu sehen um Werte- gebunden auch nicht vermeidbar zu wenig zu tun.

Zusätzlich gibt es natürlich einfach den Wunsch „legal“ an einem bestimmten Ort zu wohnen, da man meint, dass es einem dann wirtschaftlich noch besser ginge oder persönlich da dort z. B. schon einige bis viele Menschen hingezogen sind, die man von früher kennt.

All das kann dann und führt in der Praxis wohl auch häufig zu einem sich, zumindest bis zu einem bestimmten Punkt, verstärkenden Konzentrations- und Anziehungseffekt.

Ähnlich der, oder besser häufig wohl auch ausgelöst und/oder zumindest verstärkt durch die, bereits häufig in meinen Beiträgen angesprochene Konzentrationskraft der Wirtschaft.

Denn wo wenig bis zu wenig „produziert“ und dadurch verdient wird, um davon leben zu können, wird wohl häufig weggezogen, kommt es häufiger zu Unruhen, Kriegen, Verfolgungen usw. und dadurch auch zur Flucht.

Hingegen an Orten mit hohen Einkommen und/oder vielen (neu entstehenden) Arbeitsplätzen wird wohl häufig hingezogen oder (versucht) hin zu flüchten.

Dadurch kann natürlich die Sorge zumindest einiger, dass es zu einem zumindest vorübergehenden Mangel an Wohnraum und „Platz“ kommt real werden. Zumindest wenn man, zum einen, der wirtschaftlichen Konzentrationskraft, dort nicht vorher durch entsprechende und hinreichende (staatliche) Regularien und Priorisierungen der Wirtschaftstätigkeit , z. B. für den Bau von neuen Wohnungen oder Vorgaben an die Wirtschaft zur ausreichenden Verteilung entgegengetreten ist, und durch eine faire ethisch- verantwortungsvolle Verteilung von Flüchtlingen nicht zumindest für einen vertretbaren Ausgleich gesorgt hat.

Und bei einer, durch zu starke wirtschaftliche Konzentration, vor allem in einem gemeinsamen Wirtschaftsraum, zumal teilweise auch einem mit gemeinsamer Währung, wirtschaftlich „erzwungen“ (E-)Migration kommt dann auch noch für die Herkunftsstaaten das Problem hinzu, zusammen mit ihren weggezogenen Bürgern auch Kaufkraft und, beim entsprechendem „Zwang“ zur „Zahlung vor Ort“ im Zielland, Steuereinnahmen verloren zu haben. Das verstärkt die Konzentrationskraft der Wirtschaft dann in der Praxis meist wohl auch noch.

Und für die Bevölkerung in den Staaten in welche, aus wirtschaftlichen Druck, hin migriert wird, kann dann die Sorge zumindest einiger wahr werden, durch den Zuzug zusammen mit Einbürgerungen ihre Wertvorstellungen, Überzeugungen und Interessen politisch nicht mehr oder zumindest nicht mehr so einfach durchsetzen zu können, zumal wenn sie vorher als Mehrheits- Ethnie in „ihrem“ Staat ihre gemeinsamen Interessen einfach Kraft relativer Masse politisch recht einfach durchsetzen konnten. Wenn man nur noch die größte Minderheit ist, lassen sich eventuell sogar die fairen und ethisch berechtigten Interessen der eigenen „ethnischen“ Gruppe nicht mehr so einfach durchsetzen. Dann muss man verhandeln und das kann auch mal schlecht ausgehen. Bei der Betrachtung dieses Punktes ist auch die Frage zu beachten, welche Wertvorstellungen und welches „Expansionspotential“ :), diejenigen die zu- oder wegziehen eigentlich habe, um Rückschlüsse darauf ziehen zu können, welche Wertvorstellungen zukünftig, wo, unabhängig von der „Ethnie“, mehrheitlich und in politisch relevantem Umfang vorliegen werden, könnten oder „sollten“.

An dieser Stelle möchte ich aber klar stellen, dass ich nichts gegen die Vermischung der einzelnen „ethnisch-nationalen“ Gruppen in der EU, und in ethisch-fairen angemessenen Grenzen auch darüber hinaus, habe und diese vielmehr positiv und als anzustrebend ansehe. Allerdings eben nicht nur in ein paar Staaten, in welchen sich die Wirtschaftskraft lange genug, oder besser zu lange konzentriert. Denn wenn nur ein, zwei „ethnische“ Gruppen in „ihren“ Nationalstaaten die Mehrheit verlieren, in allen anderen aber weiterhin eine „national- ethnische Gruppe“ die Mehrheit bildet halte ich das für weniger bis nicht anstrebenswert.

Denn wenn man als ethnisch erfassbare Gruppe in allen demokratischen Staaten nur noch eine Minderheit ist, wenn auch zumindest im „eigenen“ die größte Minderheit, kann man eben auch seine fairen Interessen nicht mehr aus „eigener“ demokratischer Kraft durchsetzen. Wenn das in einen neuen supranationalem Staat der Fall ist, und alle früheren „national-ethnischen“ Gruppen gleichermaßen betrifft ist das eben etwas anderes und, nach meiner Meinung auch, bei aller begründeter Vorsicht, sogar anzustrebendes. Aber wenn das nur in ein oder zwei Staaten passiert, wenn auch mit wirtschaftlicher „Kompensation“, für die „noch“ Mehrheiten in diesen Staaten ist das etwas anderes. Dann werden nur diese zu Minderheiten im „eigenen“ Land anstatt zusammen mit allen anderen zu einer Minderheit unter Minderheiten in einem neuen supranationalem Staat.
Das muss aus ethischer Sicht nicht problematisch sein. Könnte es aber.
Es ist daher meiner Meinung nach wichtig, dass sich auch die politische Mitte und vor allem die Linke, zumindest diejenigen die nicht auf einen Zusammenbruch mit anschließender „progressiver“, hoffentlich wenigstens sozialer und dann hinreichend sozial- ethisch akzeptable Stabilität schaffender, Revolution setzen, einmal mit dieser Konzentration der Bevölkerung der EU, nur in wenigen Staaten anstatt möglichst ausgeglichen in allen, hinreichend kritisch auseinanderzusetzen, eben auch mit Hinblick darauf, was es heißt als fast einzige „national-ethnische“ Gruppe zur Minderheit (auch) im „eigenen“ Land zu werden. Das Thema ist zu wichtig, und der Raum den es einnimmt zu groß, um es und diesen Raum einfach den (zu) Rechten zu überlassen. Zu schauen, dass, bzw. wie man seine eigenen fairen Interessen, aktuell und auch in Zukunft, durchsetzen kann ist auch ein linkes oder je nach Definition, der politischen Ausrichtungen, zumindest kein „zu“ rechtes Thema.

Wenn man die Durchsetzbarkeit seiner zukünftigen fairen und eventuell zusätzlich sogar notwendigen Interessen auf dem Altar des aktuellen wirtschaftlichen Überschusses opfert, anstatt sowohl in Sachen EU- Bevölkerungsentwicklung als auch in Sachen EU- Wirtschafts-, EU- Kaufkraft und EU- „Fiskalkraft“ einen kooperativen, nachhaltigen, fairen und soweit möglich für jeden zumindest Mindestbedarfsdeckenden Ausgleich ernsthaft anzustreben und auch zu erlangen.
Der aktuelle Ausgleich, kurzfristiger wirtschaftlicher Überschuss, gegen „gute“ Zukunft für „alle“ oder zumindest so viele wie möglich, ist ein schlechter Tausch.

Und auf globaler Ebene gilt mehr oder weniger das gleiche. Eine starke Konzentration der Wirtschaftskraft an wenigen Orten vor allem im globalen Norden, ist eine der Hauptfluchtursachen, neben zu starker Bevölkerungszunahme, welche eventuell auch sowieso schon durch Erstgenanntes bedingt ist und Kriegen/Aufständen.
Auch hier Bedarf es eben eines hinreichenden aktiven Ausgleichs der Wirtschaftskonzentration und zumindest eines hinreichend priorisierten und regulierten globalen Systems zur allgemeinen Grundbedarfssicherung.
Da es nicht funktionieren kann, wenn alle Menschen nur an wenigen, zumal an zu wenigen, Orten durch Flucht und Migration zusammen kommen, benötigt man eben auch, aber eben nicht nur, aus ethischer Sicht einen hinreichenden wirtschaftlichen Ausgleich und zumindest eine Grundbedarfssicherung an genügend vielen Orten.
Und zu diesem Grundbedarf gehört auch die Sicherheit. Die wird man aber nur durch internationale (polizeiliche/militärische) Sicherheitskonzepte der ethisch- und/oder aus fairen eigenen Interessen motiviert Willigen erreichen können.
Zu den Zielen der UN sollte daher auch das Recht gehören, das jeder ein Recht auf einen angemessen großen, für seine „Physiologie“ geeigneten, Raum, zum nachhaltig sicheren Leben, zumindest und und nach Wertvorstellungen die er noch zu tolerieren bereit ist und die die anderen noch tolerieren „können“, z. B. nach Kant`scher Moralphilosophie, und einen fairen, zumindest aber, soweit das möglich ist, Mindestbedarfsdeckenden Anteil an allem, mittel- bis langfristig zumindest an den Ressourcen, bekommt. Und sei es durch Ausgründung eines neuen Staates.

CETA: 3. Jahrestag des vorläufigen Inkrafttretens am 21.9.20

Am nächsten Monat jährt sich der Tag, an dem CETA vorläufig, wenn auch nicht in vollständigem Umfang, z. B. ohne den Investitionsschutzabschnitt, in Kraft getreten ist zum dritten Mal.

Ein guter Zeitpunkt um sich nochmal kurz etwas genau mit Freihandelsverträgen im Allgemeinen und CETA im Speziellen zu beschäftigen.

Ich bin gerade dabei „The Wealth of Nations“ (1776) von Adam Smith, nebenbei und zugegebenerweise etwas flüchtig, zu Ende zu lesen. Seite 439.

Der war ja einer der ersten, wenn nicht der erste, der die Vorzüge eines international Freihandels in umfangreicher Weise beschworen hatte.

Aber z. B. im Kapitel III. aus Buch II. aus „The Wealth of Nations“, „Of the extraordinary restraints upon the importation of goods all kinds, from those countries with which the balance is supposed to be disadvantageous“, in welchem er sich auch einmal explizit mit den Nachteilen des Freihandels zumindest für einzelne Staaten, auseinander setzt, weicht er den Problemen, welche ein unausgeglichener „Handel“ bringen kann, nur einfach aus, indem er entweder nur auf bilaterale Ungleichgewichte eingeht, bei denen es ja sein könnte, dass die gesamte Handelsbilanz eines Staates, also dessen Handel mit allen Staaten, doch ausgeglichen sein könnte und der Freihandel dadurch auch für diese Staaten vorteilhaft sein könnte. Den wenn nicht Fall lässt er hier einfach weg. Oder in dem er die Verlässlichkeit oder die Aussagekräftigkeit der verfügbaren Statistiken in Frage stellt. Zum Beispiel in dem er schreibt, dass zwar die Handelsbilanz unvorteilhaft sein könnte, dafür aber die „Zahlungsbilanz“ doch vorteilhaft, da zum Beispiel der Gold- oder Silbergehalt der jeweiligen Währung unterschiedlich sein könnte, indem zum Beispiel vom „Nennwert“ abgewichen worden sein könnte, und dadurch, unterm Strich, doch zumindest ein ausgeglichenes „Wirtschaften“ aus Sicht des eigentlich benachteiligten Staates bestehen könnte. Könnte …
Auch hier geht er nicht auf den „Und wenn nicht Fall“ ein.
Am Ende dieses Kapitals schreibt er zumindest, dass für ihn eben nicht die „balance of trade“, sondern die „balance of produce and consumption“ entscheidend sei, um das Ergebnis des Handels zu messen. Immerhin Ergebnis orientiert.
Die Zunahme an Produktion und an Konsum ist für ihn ausschlaggebend, solange da das Ergebnis vorteilhaft wäre. Das wäre seiner Meinung nach auch noch bei mäßiger Verschuldung gegenüber dem Ausland der Fall. Aber auch hier bleibt wieder die Frage unbeantwortet: Was wenn nicht?
Und dass man beim Bewerten des eigenem „Zuwachses“ auch denjenigen der anderen im Auge behalten sollte, schreibt er auch nicht. Denn wenn sich da die Gewichtungen verschlechtern, verschlechtert sich auch die zukünftige „Verhandlungsposition“.
Hier zeigt sich bei Adam Smith schon das Verhalten, das alle „Freimarktler“ und/oder Anhänger der „reinen“ wirtschaftlichen Freiheit auszeichnet: Sie gehen nicht auf die Fälle ein, in denen ihr „System“ aus gesamtgesellschaftlicher, vor allem staatlicher und noch mehr sozialer Sicht kein vorteilhaftes oder sogar kein tolerables Ergebnis liefert.
Ein gemeinsamer Markt braucht eben einen hinreichenden Ausgleich, wirtschaftlicher oder finanzieller Art, neben hinreichender Priorisierung und Regulierung, sozialer, ökologischer und sicherheitsbezogener Art.

David Ricardos „The Principles of Political Economy & Taxation“ aus dem Jahr 1817, hatte ich schon vor ein paar Jahren gelesen, wenn auch ebenfalls wieder zugegebenerweise etwas flüchtig.
In Bezug auf den Außenhandel haben da ja besonders seine Ausführungen zum komparativen Vorteil Berühmtheit erlangt.

Diese besagen in etwa:
Für Staaten ist es selbst dann vorteilhaft Handel mit anderen Staaten zu betreiben, wenn sie gegenüber diesen in allen belangen einen „Produktivitätsvorteil“ haben, da sie sich dann auf die Produkte und Dienstleistungen konzentrieren könnten, bei denen sie den größten Vorteil haben, und dort die Produktion dann ausweiten können.
Immerhin schon mal, auch wieder, Ergebnis orientiert.
Ebenfalls positiv ist hier auch das Ziel zu nennen, dass Staaten, versuchen sollten durch einen gemeinsamen, arbeitsteiligen Handel, zu einem für die beteiligten Staaten und ihre Bürger vorteilhaften Ergebnis zu gelangen. Anstatt wie im Merkantilismus, wo jeder nur versucht hatte, möglichst viel fertige Produkte zu exportieren und nur Rohstoffe zu importieren, meist noch mit dem Ziel dabei einen Handelsüberschuss zu erwirtschaften.
Aber eine hinreichende Begründung, wie denn durch die komparative Vorteile im internationalen Handel überhaupt mal zumindest wenigstens, automatisch ein für alle zumindest zur Grundbedarfssicherung ausreichendes Ergebnis erzielt werden könnte, hat auch er nicht geliefert und auch kein folgender Anhänger der „reinen wirtschaftsfreien Lehre“.
Ohne einen bewusst herbeigeführten hinreichenden Ausgleich geht es eben nicht, wenn das unmittelbare Marktergebnis nicht zufriedenstellend ist. Was ziemlich häufig der Fall ist.

Interessant ist in diesem Zusammenhang noch Eugen von Böhm-Bawerk Aufsatz
„Unsere Passive Handelsbilanz“ (1914) aus „Gesammelte Schriften“. Darin bringt er unter anderem seinen recht berühmten Satz „Güterströme müssen immer durch Güterströme ausgeglichen werden.“ zum Ausdruck. Gut, heutzutage auch durch Dienstleistungen. Und der Satz bezog sich auf einen internationalen Handel, wo die getrennten Währungen noch durch Gold-, oder Silber gedeckt waren und ein kompletter Ausgleich durch diese Edelmetalle allein schon ein recht teures logistischen Unterfangen gewesen wäre. Heutzutage kann man in solchen Fällen in einem betroffenen anderem Land schon einiges als Ausgleich kaufen, da es diesbezüglich heutzutage eher weniger nationale Begrenzungen gibt als früher, auch komparative Vorteile wie Rohstoffquellen und Anbauflächen. Und durch Investitionsschutzabkommen, mit Klauseln wie dem Zwang bei Enteignung den aktuellen Marktpreis anstatt dem inflationsbereinigten damaligen Kaufpreis zu zahlen, und Schiedsgerichten, welche die verbindlichen Urteile sprechen, wird es für die betroffenen Staaten dann auch immer schwerer diese komparativen Vorteile, in fairem und hinreichendem Umfang, wieder zurückerlangen zu können.
Und wenn man sich im Ausland verschuldet, heißt dies auch durch diesen Satz von Herrn Böhm-Bawerk auch immer noch, für die Zukunft, dass man zusätzlich zu seinem gegenwärtigen Importbedarf auch noch zur Begleichung der Bestandsschulden, für das Ausland, arbeiten muss. Das kann einen Staat und seine Gesellschaft schnell überfordern. Und bei Auslandschulden, zumindest in Fremdwährung, und zur Begleichung des Importbedarfs helfen auch keine MMT- Maßnahmen, höchstens eventuell indirekt durch Stärkung und Stabilisierung der heimischen Wirtschaft.
Böhm-Bawerk schlägt in seinem Aufsatz dann, für die (alte) österreichische Schule, wenig überraschend, vor den Staatshaushalt zu konsolidieren, allerdings, für die Menschen die nur die neue österreichische Schule kennen schon eher überraschend, durch Steuererhöhungen und Einsparungen bei öffentlichen Gehältern, anstatt durch Steuersenkungen und sozialem Kahlschlag.
Er schreibt in diesem Aufsatz auch: „Man sieht den „Fiskus“ noch immer so gerne als etwas Fremdes oder gar Feindliches an.“
Obgleich er Maßnahmen zur Konsolidierung der privaten Ausgaben für ausländische Güter nicht in Betracht gezogen hatte. Da war eher dann doch zu sehr Anhänger der Freimarkt- Ideologie und wohl auch eher gegen staatliche Eingriffe in die Verwendung von Privateigentum.
Dies ist aber inkonsequent, denn wieso sollte man gegen schädliche staatliche Auslandsverschuldung vorgehen aber nicht gegen schädliche private Auslandsverschuldung. Immerhin schreibt Herr Böhm-Bawerk in seinem Aufsatz selbst, dass der Staat auf die Mittel seiner Bürger angewiesen ist: „[Der Staat kann nichts ausgeben, dass ]… nicht vom Volke auf der anderen Seite hineingelegt wurde“. [Na ja. Nach MMT stimmt das so nicht ganz.]
Da war der Ökonom der historischen Schule, nach meiner Meinung, konsequenter als er schrieb:
„Nur der inkonsequente oder der, welcher absichtlich die heutige Gesellschaft ruinieren will, kann noch prinzipiell freihändlerisch sein.“ [Grundriss der Allgemeinen Volkswirtschaftslehre Band II Seite 647 (https://visuallibrary.net/ihd4/content/pageview/320146)].

Immerhin beschrieb auch Herr Böhm-Bawerk in seinem kleinen Aufsatz „Nachteilige Wirkung des freien Wettbewerbes“ (1886), dass zum Beispiel die fehlende automatische Priorisierung hin zur Sicherung der Grundbedarfs aller, ein Manko des „freien Marktes“ sei: „Seine egoistische Konkurrenz brachte daher gesellschaftliche Schaden“ und mit Bezug auf Irland „… um gewiss zu einem nicht geringen Teile für Luxusbedürfnisse, … Verwendung zu finden, während die arme heimische Bevölkerung, die den durch die Konkurrenz der Reichen in die Höhe getriebenen Marktpreis nicht erschwingen konnte … massenhaft den Hungerkrankheiten erlagen“.]
Daran sollte auch Joe Biden bei den anstehenden US- Wahlkampf- Duellen und in seiner dann hoffentlich folgenden US- Präsidentschaft denken.

Ein gemeinsamer Markt braucht eben auch eine hinreichende Priorisierung der Wirtschaftstätigkeit hin zur allgemeinen Grundbedarfssicherung, neben einem hinreichendem Ausgleich und Regulierung.

Zu nennen ist natürlich auch John Maynard Keynes, welcher zwar, wie ich ein Anhänger einer marktwirtschaftlichen Ordnung und angemessenen zwischenstaatlichen Handels war, aber sich, ebenfalls wie ich, über etwaige hinreichende Automatismen im Freihandel keine Illusionen machte. Zum Beispiel schrieb er am 12.2.1943 in einem Brief mit der Überschrift „Commercial Policy“ an Sir Arnold Overton: „You will see that I am arguing in favour of import regulation, not merley on balance of trade grounds, but also on the ground of maintaining stability of employment in new staple industries.“ [The collected Writings of John Maynard Keynes XXVI] Friedrich List wäre stolz gewesen. Und Herr Dani Rodrik wird dies aktuell wohl ähnlich sehen.
Mit seinen Vorschlägen zu Bretton Woods insbesondere der „International Clearing Union“ war er auch an der letzten Bestrebung beteiligt einen gemeinsamen internationalen Markt, mit einem gewissen Ausgleichssystem zu schaffen. Nach dem dieses Vorhaben 1972 beerdigt wurde, begann dann erst die Phase der schrittweise Anpassung der nationalen Wirtschaftspolitik an den neuen ungebremsten, unkooperativen internationalen Wettbewerb und dann seit spätestens Anfang der 1990 auch wieder die Verherrlichung des freien Marktes. Durch Staaten die sich dadurch einen Handelsvorteil versprachen und immer noch versprechen, durch Anhänger von Ideologien wie die von Ayn Rand, wohl auch durch totalitär sozialistische Überhitzungsphantasien beflügelt, quasi zu Ehren von Herr Wilhelm Marr (https://de.wikipedia.org/wiki/Wilhelm_Marr), und natürlich zur Erfüllung des Traums der „Alt-Liberalen“, durch wirtschaftlich föderative Zusammenschlüsse sich vom demokratisch legitimierten Zugriffs der Mitbürger auf ihr Eigentum und ihre Einnahmen weitgehend befreien zu können: „Die wirtschaftlichen Voraussetzungen föderativer Zusammenschlüsse“ von F. A. Hayek aus dem Jahr 1939.

Der (vor-) letzte Versuch aus dieser „Neuen Ordnung“, nicht-isolatorisch, auszubrechen kam von Barack Obama. Dessen Bemühungen wurden aber 2010 von der Mehrheit der G7 unter Leitung von Kanzlerin Angela Merkel begraben: „Dies wäre unvereinbar mit dem Ziel eines freien Welthandels.“ (Quelle: https://www.zeit.de/news-112010/11/HAUPTGESCHICHTE-G20-GIPFEL-DONNERSTAG27222114xml)

Dann kam 2012 ein neuer US- Finanzminister und neue Freihandelsverträge wie TTIP und TTP.
Und 2017 dann US- Präsident Donald Trump, und damit der von der Gesamtpolitik, also nicht nur Handel, sondern auch inländische Sozialpolitik usw. her betrachtet zu rechte Versuch, einseitig und eher isolatorisch zumindest soweit aus dieser „Neuen Ordnung“ auszubrechen, wie Präsident Trump meinte, dass Schaden von den USA abgehalten würde. Versuche zumindest ein neues Bretton Woods System zu etablieren kamen von Herrn Trump aber auch nicht. Eher ein System von „jede Nation für sich“, also so wie direkt nach Bretton Woods. Nur mit noch weniger internationaler (sozialer) Kooperation. Dazu kam von anderen Staat, außer Frankreich zumindest im europäischen Kontext, aber auch sonst kein ernsthafter Vorstoß.

Und CETA kam zuvor auch noch.

Und eben dieser CETA- Vertrag wurde am 21.9.2019 vorläufig in Kraft gesetzt. Zunächst in begrenztem Umfang, zum Beispiel ohne die Bestimmungen zum Investitionsschutz.

Zur Zeit läuft der Ratifizierungsprozess in den nationalen Parlamenten, nach dessen „erfolgreichem“ Ende der Vertrag dann vollständig in Kraft treten würde.

Dabei brauchen wir endlich Verhandlungen zu Ergebnis orientierten, dem Gemeinwohl dienenden Handelsbeziehungen und nicht Verhandlungen und Prüfungsaufwand für noch mehr Verträge mit dem einfachen ideologischen Ziel sich gegenseitig zur Gewährung von noch mehr wirtschaftlichen Freiheiten zu zwingen. Das Narrativ „Freier Handel nutzt allen“ ist im Kern unzutreffend, vielmehr führen Zwangsverträge wirtschaftlicher Freiheit entweder nur zur Überhitzung der Märkte oder falls dieser Zwang nur für „den Staat“ gilt, zur übermäßigen „Befreiung“ des Privateigentums vom demokratisch legitimierten Zugriff. Wir brauchen vielmehr ethisch fundierte Verträge für einen gemeinsamen nachhaltigen und lebensdienlichen supranationalen Handel, nach Peter Ulrich (St. Gallen; integrative Wirtschaftsethik). Nicht zuletzt da die Wahrung der Interessen der anderen auch meist schon recht schnell in eigenem Interesse ist oder zumindest sein kann. Und freier Handel ohne Ausgleich, wirtschaftlicher oder finanzieller Art nutzt nur wenigen Personen oder Gesellschaften und auch meist nur vorübergehend genauso wie Abschottung nach außen.

Besonders das Investitionsschutzabkommen in CETA ist in der aktuellen Form abzulehnen, da nicht nur berechtigte Investoreninteressen hier geschützt werden, sondern auch weit darüber hinausgehende. Zum Beispiel sollen dann Re- Kommunalisierungen nun nur noch zum aktuellen Marktpreis möglich sein, anstatt zum Kaltpreis, also inflationsbereinigter damaliger Verkaufspreis. Vor allem bei verkauften Grundstücken hatte sich in der Praxis hier schnell gezeigt, dass die teilweise so schnell im Wert steigen, dass ein Wiedererwerb in großem Stil hier praktisch nur noch sehr schwer möglich ist und ab einem bestimmten Maße auch ausgeschlossen sein kann. Und es mag ja sein, dass Privatisierungen vorteilhaft sein können, zumindest für einige Zeit, sobald sie das aber nicht mehr sind oder gar nicht erst waren, muss man diese auch wieder rückgängig machen können. Und eine leicht auffindbare Bestätigung, dass CETA keine Ratchet Klauseln mehr enthält wäre auch gut, falls die nicht sowieso noch drin sind (http://berliner-wassertisch.info/was-ist-die-sperrklinken-klausel-im-ceta-abkommen-und-wo-steht-sie-eigentlich-im-vertragstext/).

In unserer Verfassung steht: „Eigentum verpflichtet“. Eigentlich dürften Regierungen und Parlamente dann keine Verträge unterschrieben, welche die Durchsetzung dieses Grundsatzes erschweren oder gar verhindern. Und auch bereits unterschriebene Verträge und supranationale Verfassungen sind eigentlich als nichtig zu betrachten, wenn sie diesem Punkte entgegenstehen, oder nicht ebenso eine Klausel beinhalten. Eigentlich …




Öffentliche Konsultation der EU- Kommission zur Überprüfung der Handels- und Investitionspolitik der EU

Unter der Bezeichnung „A renewed trade policy for a stronger Europe“ hat die EU- Kommission am 16.6.20 eine 3-monatige öffentliche Konsultation gestartet .

Während dieser Zeit konnten und können noch alle EU- Bürger, soziale Organisationen und die Industrie ihre Ansichten dazu mitteilen, wie die zukünftige Handels- und Investitionspolitik der EU, ihrer Meinung nach aussehen sollte. Hierzu sollen sie die 13 Fragen aus diesem Dokument https://trade.ec.europa.eu/doclib/docs/2020/june/tradoc_158779.pdf beantworten.

Meine Antworten darauf sind die folgenden:

Frage 1:

Wie kann die Handelspolitik dazu beitragen, die Widerstandsfähigkeit der EU zu verbessern und ein Modell einer offenen strategischen Autonomie aufzubauen?

Antwort 1:

Der Vorteil eines gemeinsamen Weltmarktes ist es zweifellos, dass sich jeder teilnehmende Staat, jede Staatengemeinschaft oder einfach jeder einzelne Mensch auf die Leistungserbringung konzentrieren kann, die ihm am besten liegt, für die er oder sie die besten natürlichen Voraussetzungen hat.
Dies führt aber, wenn man das Maß dieser verteilten Produktion einfach komplett den Kräften des Marktes überlässt, dazu, dass zumindest kurz bis mittelfristig neue Abhängigkeiten entstehen können und praktisch immer auch entstehen. Und zwar nicht nur solche die sowieso schon bestanden hatten, z. B. da man über einige Rohstoffe gar nicht in hinreichendem Maße auch zuvor schon verfügt hatte, oder da man gar nicht genügend produktive Standorte im Landesinnern verfügbar hatte oder einfach keine solch umfangreiche Menge an Arbeitskräften.
Sondern zu neuen, prinzipiell vermeidbaren zumindest temporären Abhängigkeiten, z. B. da die eigene Arbeiterschaft nicht mehr über die nötigen Fähigkeiten und das nötige Wissen verfügt, oder die verfügbaren Standorte mittlerweile anderweitig in Verwendung sind, und vor allem die nötigen Produktionsstätten inländisch nicht mehr vorhanden sind.
Vor allem einseitige Abhängigkeiten verschlechtern immer die Verhandlungsposition für die Zukunft. Und man ist von den zukünftigen Fähigkeiten anderer abhängig.

Vor allem in Versorgungs- kritischen Bereichen der wirtschaftlichen Wertschöpfung sollte man daher darauf achten entweder Reserven von Gütern oder gleich hinreichend zügig eigene skalierbare Produktionskapazitäten verfügbar zu haben.
Ebenso sollte man darauf achten, dass man sich von niemanden unnötig zu sehr einseitig abhängig macht.

Frage 2:

Welche Initiativen sollte die EU – allein oder mit anderen Handelspartnern – ergreifen, um
Unternehmen, einschließlich KMUs, dabei zu unterstützen, Risiken zu bewerten sowie Lieferketten zu festigen und zu diversifizieren?

Antwort 2:

Auch hier sind gemeinsame Reserven an Gütern und hinreichend schnell skalierbare Produktionskapazitäten und zusätzlich spontane Unterstützung anzuraten und nötig. Ebenso senkt es Abhängigkeiten wenn man nie nur von einem oder einigen Anbietern abhängig ist und im Zweifelsfall Verbündete hat. Hier sollte die EU durch Regulierungsmaßnahmen entsprechende Mindestvorräte und hinreichende Diversifizierung verpflichtend festsetzen, damit in diesem Bereich kein Race- To The Bottom stattfindet und dann später die Allgemeinheit, hauptsächlich durch Einkommens- und Konsumsteuer und/oder durch anschließende Austeritätspolitik, rettend einspringen muss, wenn durch den nächsten externen Schock, sich wieder einmal gezeigt hat, dass zu billig angeboten wurde, da diese Externalitätskosten preislich durch den zu wenig regulierten freien Markt nicht an die Nachfrageseite weiter gegeben werden mussten und auch konnten.

Frage 3:

Wie sollte der multilaterale Handelsrahmen (WTO) gestärkt werden, um Stabilität zu gewährleisten
Vorhersehbarkeit und ein regelbasiertes Umfeld für fairen und nachhaltigen Handel und Investitionen?

Antwort 3:

Am wichtigsten ist es zunächst mal, dass man versteht, dass es die Aufgabe des Marktes ist, die funktional bestmögliche Kombination von den Produktionsfaktoren zu finden und zwar zu einem bestimmten Zeitpunkt für die Kunden. Nicht mehr und nicht weniger. Ohne Vorgaben entweder durch die einzelnen Kunden oder durch gemeinsame nationale oder supranationale Institutionen nimmt der Markt dabei auf nichts Rücksicht, nicht die Umwelt, nicht die Menschen, nicht die Sicherheit nicht mal auf sich selbst.
Und da man von einzelnen Kunden oder sonstigen Marktentscheidern kaum erwarten kann über alle Informationen jederzeit zu verfügen und diese in jede einzelne Entscheidung einfließen können zu lassen, muss man vor allem Regeln festlegen, welche entweder gemeinsame Institutionen schaffen, die demokratisch legitimiert über genügend Macht verfügen um solche Vorgaben durchzusetzen. Oder man lässt oder gibt den einzelnen staatlichen oder suprastaatlichen Institutionen, welche bereits existieren, genug Macht um solche Vorgaben zu erzwingen.
Dann muss man eben sehen inwieweit man sich dafür auf gemeinsame Regeln einigen kann, welche Handlungsfreiheiten die Staaten haben, oder ob man zu einem gemeinsamen Welthandel „mehrerer Geschwindigkeiten“ wechseln muss. Sehr wichtig ist es auch sich klar zu werden, dass die Konzentrationskraft des Marktes, auch bei unterschiedlichen Währungen, zu groß ist, als dass man ohne Umverteilung auskommen könnte. Ansonsten hat man entweder den nächsten großen Krieg zu verantworten oder man macht sich schuldig Menschen und Staaten mit schlechteren Bedingungen unnötig im Stich gelassen zu haben.
Freihandel ohne Ausgleich ist auch nicht fair, da nicht jeder die gleichen Möglichkeiten hat. Diese Diskussion gab es schon zu Zeiten des Manchesterliberalismus, nur diesmal mit teilweise vertauschten Rollen. Und zwischen damals und heute liegen zwei Weltkriege mit Millionen Toten und jeder Menge Kriegsverbrechen. Daraus sollte man eigentlich gelernt haben, dass es ohne hinreichende Kooperation für das gemeinsame Wohl nicht gehen kann.

Frage 4:

Wie können wir unser breites Netzwerk bestehender oder neuer Freihandelsabkommen nutzen, um den Marktzugang für EU-Exporteure und -Investoren zu verbessern und zur Förderung der internationalen regulatorischen Zusammenarbeit – insbesondere in Bezug auf digitale und grüne Technologien und Standards – beitragen, um deren Potenzial zu maximieren?

Antwort 4:

Zunächst mal indem man statt Freihandelsverträge, Handelsverträge zum gemeinsamen Wohl abschließt. Selbst die Konzepte zum ursprünglichen „Neoliberalismus“ wurden mit dem Ziel entwickelt, den Liberalismus zumindest ausreichend sozial und stabil zu gestalten, nachdem man damals gemerkt hatte, dass reiner Freihandel zu unsozial und instabil ist, um für sich alleine bestand haben zu können. Erst durch Herrn Hayek, Ayn Rand (https://de.wikipedia.org/wiki/Ayn_Rand) und dem „deutschen Hang zum Handelsüberschuss“ wurde dies wieder aus der öffentlichen Meinung getilgt. Gemeinsame Märkte brauchen eben einen Ausgleich, wirtschaftlicher oder finanzieller Art, eine Priorisierung der Wirtschaftstätigkeit hin zur gemeinsamen Grundbedarfssicherung und hinreiche Regulation, sozialer, ökologischer oder sicherheitsbezogener Art. Und diese Regulation muss dann natürlich in hinreichendem Umfang für alle gelten, damit nicht diejenigen die aus globaler Sicht zumindest ausreichend ökologisch, sozial und sicherheitsbewusst nachhaltig handeln am Ende nicht den Kürzeren ziehen. Wer da nicht hinreichend mitmacht gegen den muss man sich wehren können.

Frage 5:

Mit welchen Partnern und Regionen sollte die EU ihr Engagement priorisieren? Genauer gefragt,
wie können wir unsere Handels- und Investitionsbeziehungen zu den Nachbarländern und
Afrika zum gegenseitigen Nutzen stärken?

Antwort 5:

Prinzipiell sollte man einen nachhaltigen, solidarischen und fairen Handel in hinreichendem, aber nicht zu großem Umfang, mit allen Staaten und sonstigen Partnern anstreben. Zumindest das Wohl der eigenen direkten Nachbarn sollte man aber natürlich schon aus reinem Eigennutz- Interesse mit anstreben, und sei es nur damit es „auf den Straßen ruhig bleibt“. Wenn man die weltweiten Ressourcen nachhaltig optimal Bedarfs- priorisiert nutzen würde und ein Ausgleichssystem schaffen würde, dass jedem eine hinreichende Kaufkraft garantiert müsste wohl recht schnell keiner mehr Mangel leiden. In diesem Zusammenhang ist auch eine kooperative global- Nachfrage- orientierte Wirtschaftspolitik anzuraten. Denn wenn jede Regierung nur die Optimierung der eigenen Angebotskapazitäten im Sinn hat, und es dafür auch noch für sinnvoll halten die nationale Nachfrage möglichst klein zu halten, ist das für die gesamte globale Nachfrage nicht gerade förderlich, um es mal vorsichtig zu formulieren. Ebenfalls konkurrieren so die Staaten nur destruktiv miteinander indem es zu Race- To- The- Bottom Effekten kommt, welche die weltweite Ungleichveteilung nur verstärken.

Frage 6:

Wie kann die Handelspolitik die erneuerte europäische Industriepolitik unterstützen?

Antwort 6:

Die Wirtschaft und das Kapital sollte den Menschen dienen. Also auch die Industrie. Zunächst mal den eigenen Bürgern aber auch dazu seinen fairen, solidarischen, sicherheitsbewussten und nachhaltigen Beitrag zum weltweiten Gemeinwohl zu leisten. Die Handelspolitik sollte sicher stellen, dass wir zumindest eine hinreichende Anzahl von Handelspartnern haben, die dies auch so sieht oder dieses Ziel zumindest toleriert. Vor allen anderen sollte sie uns hinreichend schützen.

Frage 7:

Was kann noch getan werden, um KMUs dabei zu helfen, von den Möglichkeiten des internationalen Handels und Investitionen zu profitieren?
Wo haben sie spezifische Bedürfnisse oder besondere Herausforderungen, die
durch Handels- und Investitionspolitische Maßnahmen und Unterstützungen angegangen werden könnten?

Antwort 7:

Sicherstellen, dass die „KMUs der EU“ internationaler Konkurrenz soweit wie möglich nur insoweit ausgesetzt sind, also wie dadurch unsere Werte- und Vernunfts- orientierten öffentlichen Regulierungen ihnen keinen ernsthaften und unfairen Nachteil einbringen.
Es kann auch helfen in Kooperation mit nicht EU- Staaten die globale Nachfrage zu stärken und stabil zu halten.
Ansonsten gilt für KMUs das gleiche wie für den Rest der Wirtschaft. Sie müssen für die Menschen da sein und nicht umgekehrt, dabei aber die KMUs- Eigentümer natürlich fair behandeln. Zur Erfüllung dieses Ziels muss die Politik allerdings notfalls steuernd zur Erreichung oder Wahrung des Außenhandelsgleichgewichtes, auf mindestens Wert- gebunden hinreichendem aber nicht zu hohem Niveau, eingreifen.

Frage 8:

Wie kann die Handelspolitik den Übergang zu einer grüneren, gerechteren und verantwortungsbewussteren Wirtschaft im In- und Ausland erleichtern? Wie kann die Handelspolitik die Erreichung der UN- Nachhaltigkeitsziele (SDGs) nachhaltig fördern?
Wie sollten die Umsetzung und die Durchsetzung diese Ziele unterstützen?

Antwort 8:

Diese Frage wurde in Antwort 3 schon mit beantwortet.

Frage 9:

Wie kann die Handelspolitik dazu beitragen, ein verantwortungsbewussteres Geschäftsverhalten zu fördern? Welche Rolle sollte die Handelspolitik zur Förderung transparenter, verantwortungsbewusster und nachhaltiger Lieferketten beitragen?

Antwort 9:

Durch Werte- gebundene angemessene öffentliche Regulierung, auch des Außenhandels, und eventuell durch Steuervorteile für Unternehmen die nachweisen können, dass sie sich entsprechend verhalten. Es muss jedem klar gemacht werden, dass man hierfür nicht auf die „Selbstregulierungskräfte“ der Märkte vertrauen darf. Und auch gar nicht kann, denn der Markt kann nur mehr oder weniger optimal Produktionsfaktoren kombinieren, bezogen auf den Preis. Alle Standards die für alle gelten sollen, kann nur eine öffentliche Institution durchsetzen.

Frage 10:

Wie können digitale Handelsregeln EU-Unternehmen, einschließlich KMUs, zugute kommen? Wie könnte der digitale Übergang innerhalb der EU, aber auch bei Handelspartnern aus Entwicklungsländern durch die Handelspolitik unterstützt werden, insbesondere wenn es um digitale Schlüsseltechnologien und wichtige Entwicklungen (z. B. Blockchain, künstliche Intelligenz, Big Data Flows) geht?

Antwort 10:

Die (Handels-) politik sollte sich z. B. für Sicherheitsstandards, die Einhaltung von Arbeitsschutzstandards, wie die Arbeitszeiten, und dafür dass im Bereich der Digitalisierung und Automatisierung keine kritischen Abhängigkeiten, vor allem mit Akteuren außerhalb des politischen Machtbereichs der EU und/oder ihrer Mitgliedstaaten entstehen, einsetzen. Aber auch dafür, dass durch die Digitalisierung keine Schocks für den Arbeitsmarkt entstehen. Vor allem nicht auf Kosten des Gemeinwohls, also jedes oder einzelner Bürger. Auch nicht in Nicht- EU Staaten.

Frage 11:

Was sind die größten Hindernisse und Chancen für europäische Unternehmen, die in Drittländern im digitalen Handel tätig sind, oder für Verbraucher, die im elektronischen Handel einkaufen? Wie wichtig sind die internationalen Datenübertragungen für die Geschäftstätigkeit der EU?

Antwort 11:

Die größte Gefahr ist, dass europäische Unternehmen, sowohl in als auch außerhalb der EU mit Staaten konkurrieren müssen, die eventuell nicht in hinreichendem Maße gleichwertigen Werte- und Vernunfts- gebundenen öffentlichen regulativen Standards unterworfen sind wie sie selbst und dadurch einen zu großem Nachteil haben. Und für die Verbraucher ergeben sich dadurch unmittelbare und mittelbare Gefahren und Kosten. Zum Beispiel wenn später staatlich wieder ausgebügelt werden muss, was zuvor regulativ versäumt wurde und daher im Angebotspreis der Unternehmen nicht enthalten war.

Frage 12:

Wie sollte die EU neben bestehenden Instrumenten wie der Handelsverteidigung gegen erzwungene, verzerrende und unfaire Handelspraktiken von Drittländern vorgehen? Sollten bestehende Instrumente weiter verbessert oder zusätzliche Instrumente in Betracht gezogen werden?

Antwort 12:

Ein gemeinsamer Markt kann nur nachhaltig sozial und stabil sein, wenn alle Teilnehmer ihren hinreichenden und angemessenen sozialen, ökologischen und sicherheitsbezogenen Beitrag leisten.
Gegen Staaten oder nicht-staatliche Akteure, die dies nicht tun, muss man sich schützen können.
Sei es durch Zölle, Handelsbeschränkungen oder durch regulative Mindeststandards. Schon die WTO- Verträge sind da, zurückhaltend formuliert, nicht gerade hilfreich, da sie den freien Markt ideologisch- oder Interessens- bedingt glorifizieren. Die EU wäre also nicht nur aus ethischer Sicht gut beraten, wenn sie sich vom Dogma „Freihandelsverträge sind gut für alle“ verabschiedet und stattdessen endlich „Gemeinwohl- orientierte“ Handelsverträge anstrebt und auch verabschiedet.

Frage 13:

Welche anderen wichtigen Themen, die in den obigen Fragen nicht behandelt werden, sollte die Überprüfung der Handelspolitik behandeln?

Antwort 13:

Auch an dieser Stelle möchte ich zum Abschluss nochmals betonen, dass die EU, ihre Mitgliedsstaaten und am besten auch der Rest der Welt sich endlich vom Dogma „Freihandelsverträge sind gut für alle“ verabschieden sollen und Werte- und Vernunfts- gebunden auch müssen, denn, man kann es gar nicht oft genug wiederholen:

„Ein gemeinsamer Markt, national oder transnational, braucht einen Ausgleich, wirtschaftlicher oder finanzieller Art, eine Priorisierung der Wirtschaftstätigkeit hin zur allgemeinen
Grundbedarfssicherung und hinreichende staatliche Regulierung für soziale, ökologische oder
sicherheitsrelevante Zwecke.
Ein Ausgleich ist wichtig, da die wirtschaftliche Konzentrationskraft des Marktes hin zu Standorten
mit optimalen Produktionsbedingungen einfach zu groß ist, um die unkorrigierte
Marktentscheidung einfach komplett akzeptieren oder tolerieren zu können.
Das ergibt sich ja schon aus der Hauptaufgabe des Marktes, durch einen fairen Wettbewerb der
Ideen, die optimale Kombination der Produktionsfaktoren Arbeit, Boden und Kapital zu finden. Zur
Erfüllung der Kundenwünsche.“

Großbritannien: Fabian Society, New Labour und der freie Markt

Die Fabian Society (https://de.wikipedia.org/wiki/Fabian_Society) geht ja auf die „The Fellowship of the New Life (1883-1899)“ – Bewegung (https://de.wikipedia.org/wiki/The_Fellowship_of_the_New_Life), welche sich dem Ziel verschrieben hatte die „Kultivierung eines perfekten Charakters in jeder Hinsicht“ zu erreichen, zurück.

Aus dieser Bewegung heraus wurde 1884 die Fabian Society gegründet, um sich für die politische Umsetzung dieses Zieles einzusetzen. Wobei der Schwerpunkt der politischen Arbeit von Anfang an auf die Sozialisierung der Gesellschaft gelegt wurde. Allerdings auf einem reformistisch, evolutionärem Weg, nicht durch Revolution.

Die Fabian Society entstand also zu einer Zeit als in Großbritannien der Manchester Kapitalismus (https://de.wikipedia.org/wiki/Manchesterliberalismus) bzw. Gladstone Liberalismus (https://en.wikipedia.org/wiki/Gladstonian_liberalism) politisch den meisten Einfluss hatte.
Also laissez-faire pur.

Zusammen mit mit mehreren Gewerkschaften, der linken politischen Partei „Independent Labour Party“ (https://de.wikipedia.org/wiki/Independent_Labour_Party) und der sozialistischen Partei „Social Democratic Federation“ (https://en.wikipedia.org/wiki/Social_Democratic_Federation) gründete die Fabian Society dann 1900 das „Labour Representation Committee“ (https://en.wikipedia.org/wiki/Labour_Representation_Committee_(1900)), aus welchem dann 1906 die Labour Party (https://de.wikipedia.org/wiki/Labour_Party) entstand, mit.

Mitglieder der Fabian Society setzten sich dann innenpolitisch durchaus erfolgreich für Mindestlöhne, Wohlfahrtstaatsprogramme und staatliche soziale Sicherheit ein.

Außenpolitisch unterstütze aber zumindest die erste Generation der „Fabianer“ die Aufrechterhaltung des Britischen Empires auch gegen den Willen einzelner „Mitgliedsstaaten“, und vor allem auch die Aufrechterhaltung des freien Marktes (https://en.wikipedia.org/wiki/Liberal_internationalism) im Empire. Wikipedia-Zitat zur Positionierung der Fabian Society zur Außenpolitik 1900 in deren Buch „Fabianism and the Empire“: „The question was whether Britain would be the centre of a world empire or whether it would lose its colonies and end up as just two islands in the North Atlantic. It expressed support for Britain in the Boer War because small nations, such as the Boers, were anachronisms in the age of empires.“

Aus der Zeit der ersten Generation der Fabianer ist noch die Auseinandersetzung zwischen H.G. Wells (https://en.wikipedia.org/wiki/H._G._Wells) und George Bernard Shaw (https://en.wikipedia.org/wiki/George_Bernard_Shaw) zur sozialpolitischen Ausrichtung der Society besonders bemerkenswert (https://www.nytimes.com/2020/07/24/books/hg-wells-and-george-bernard-shaw-fight-over-socialism.html). Da muss man wohl leider sagen, dass damals mit Herrn Wells die international sozial kooperativ ambitioniertere Gruppierung unterlegen war.

Von der zweiten Generation sei G. D. H. Cole (https://en.wikipedia.org/wiki/G._D._H._Cole), mit seiner Theorie des Gildensozialismus (https://de.wikipedia.org/wiki/Gildensozialismus) kurz erwähnt.

John Maynard Keynes war, nach diesem Artikel (https://www.sabhlokcity.com/2011/09/keynes-was-not-technically-a-fabian-but-was-fabian-socialist-nevertheless/) auch mit der Fabian Society verbunden, wenn auch kein offizielles Mitglied.

In den 1990 kam dann New Labour, mit dem „Fabianer“ Tony Blair (https://de.wikipedia.org/wiki/Tony_Blair), Peter Mandelson (https://de.wikipedia.org/wiki/Peter_Mandelson) und Anthony Giddens (https://de.wikipedia.org/wiki/Anthony_Giddens).

Tony Blair und Anthony Giddens hatten 1994 „New Labour“ als dritten Weg zwischen laissez faire und Sozialismus vorgestellt. Vor allem das Ziel im Parteiprogramm von Labour die Schlüsselindustrie zu verstaatlichen wurde von Tony Blair gestrichen. Peter Mandelson wiederum gilt als der Hauptarchitekt hinter der Konzeption von New Labour, welches nicht nur Verstaatlichungen der Schlüsselindustrien ablehnt, sondern auch international auf einen Freimarkt setzt an den man sich national einfach möglichst sozialverträglich anzupassen hat. Also die Zementierung der Hyperglobalisierung, und die eigene Rolle darin, einfach hinnehmen.
Am besten deutlich wird dies durch das Schröder-Blair-Papier von 1999 (http://www.glasnost.de/pol/schroederblair.html), welches die europäische Sozialdemokratie „erneuern“ wollte.

Darin heißt es u. a.: „Um dieser Herausforderung begegnen zu können, müssen die europäischen Sozialdemokraten gemeinsam eine neue angebotsorientierte Agenda für die Linke formulieren und umsetzen.“. Immerhin kam hier noch das Wort „gemeinsam“ vor.
Und es ist zwar, auch meiner Meinung nach richtig, dass man sich in einem freien Weltmarkt verstärkt darum kümmern muss, von der globalen Gesamt- Nachfrage ein zumindest ausreichend großes, aber aus nachhaltigen und nicht zuletzt auch nach außen hin solidarischen Gründen kein zu großes Stück selbst, durch ein eigenes, oder besser noch eines gemeinsam mit anderen erbrachten Angebots, mit entsprechendem Eigenanteil, bedienen zu können. Aber dabei muss man eben auch die globale Gesamtnachfrage im Auge behalten, wenn jede Nation weniger Löhne zahlt, weniger für Soziales ausgibt und weniger umverteilt an diejenigen die noch den größten „Einkaufsbedarf“ haben, geht auch die transnationale Gesamtnachfrage zurück. Ein internationaler Markt braucht eben auch eine international koordinierte Nachfragepolitik. Und wenn schon die sozialdemokratischen Parteien anstatt politisch zu kooperieren, und z. B. eine koordinierte Lohn- und Steuerpolitik betreiben, sich gegenseitig auch durch steuerlichen und Lohndrückungs- Wettbewerb unterbieten wollen, eventuell zumindest noch mit dem gemeinschaftlichen Ziel als EU nach außen hin preiswerter Anbieten zu können, um den Preis großer nationaler Einkommensunterschiede und internationaler Leistungsbilanzdifferenzen, muss man sich nicht wundern, wenn immer mehr Staaten der EU und auch sonst auf der Welt in Schwierigkeiten geraden.

Ein gemeinsamer Markt bedeutet eben, dass man sich dazu entschlossen hat, gemeinsame zu wirtschaften, also einen gemeinsamen Ertrag einzufahren. Und den muss man hinterher natürlich fair verteilen. Sonst bricht wieder das Zeitalter des ebenfalls unkooperativen, übertriebenen Protektionismus und der übertrieben Abschottung ein, und das wäre auch, wenn nicht, vor allem, für Deutschland schlecht. Wir sollten daher unseren aktuellen Vorteil im internationalen Freihandel nicht soweit wie möglich kurzfristig ausschöpfen wollen, sondern nachhaltig kooperativ und zum gemeinsamen Gemeinwohl nach außen handeln. Alleine stehen wir schlecht da und wenn wir nur auf unsoziale Partner setzen, leben wir hinterher, wenn wir auch mal wieder in einer ungünstigeren Lage sind, in einer zu unsozialen Welt, als dass wir dann auf andere zählen könnten. Wenn es nicht vorher eh schon zu erfolgreichen Aufständen und zum Zusammenbruch gekommen ist. Und das sollte nicht nur die Sozialdemokratie verhindern wollen.

Daher nochmal das selbe was ich auch schon in meinen vorherigen Beiträgen häufig geschrieben habe:

„Ein gemeinsamer Markt, national oder transnational, braucht einen Ausgleich, wirtschaftlicher oder finanzieller Art, eine Priorisierung der Wirtschaftstätigkeit hin zur allgemeinen
Grundbedarfssicherung und hinreichende staatliche Regulierung für soziale, ökologische oder
sicherheitsrelevante Zwecke.
Ein Ausgleich ist wichtig, da die wirtschaftliche Konzentrationskraft des Marktes hin zu Standorten
mit optimalen Produktionsbedingungen einfach zu groß ist, um die unkorrigierte
Marktentscheidung einfach komplett akzeptieren oder tolerieren zu können.
Das ergibt sich ja schon aus der Hauptaufgabe des Marktes, durch einen fairen Wettbewerb der
Ideen, die optimale Kombination der Produktionsfaktoren Arbeit, Boden und Kapital zu finden. Zur
Erfüllung der Kundenwünsche.“

International muss man also offene Bündnisse mit zumindest hinreichend vielen Staaten anstreben, die dies auch so sehen und umsetzen wollen. Und dann muss man sich von den übrigen, die dies nicht so sehen hinreichend schützen.

Markt, Eigentum und Staat

Ein gemeinsamer Markt, national oder transnational, braucht einen Ausgleich, wirtschaftlicher oder
finanzieller Art, eine Priorisierung der Wirtschaftstätigkeit hin zur allgemeinen
Grundbedarfssicherung und hinreichende staatliche Regulierung für soziale, ökologische oder
sicherheitsrelevante Zwecke.
Ein Ausgleich ist wichtig, da die wirtschaftliche Konzentrationskraft des Marktes hin zu Standorten
mit optimalen Produktionsbedingungen einfach zu groß ist, um die unkorrigierte
Marktentscheidung einfach komplett akzeptieren oder tolerieren zu können.
Das ergibt sich ja schon aus der Hauptaufgabe des Marktes, durch einen fairen Wettbewerb der
Ideen, die optimale Kombination der Produktionsfaktoren Arbeit, Boden und Kapital zu finden. Zur
Erfüllung der Kundenwünsche.
Und da vor allem die von Natur aus begünstigten Standorte, sei es nun in Bezug auf die
Produktionsbedingungen, eine logistisch vorteilhafte Lage oder einfach die Nähe zu den
bevorzugten oder vorteilhaften Wohnorten der Kunden, doch recht unterschiedlich innerhalb wohl
praktisch aller Märkte verteilt sind, wird auch der Markt, wenn er denn seine Hauptaufgabe erfüllt,
für eine entsprechend ungleiche Verteilung der Produktionsfaktoren, sprich der Wirtschaftskraft,
sorgen.
Also diese Ungleichverteilung ist gerade die Aufgabe des Marktes.
Deshalb ist es wichtig dem Markt bei seiner Suche nach der optimalen Kombination der
Produktionsfaktoren, zum einen unmittelbare Vorgaben zu machen, an die er sich dabei in Bezug
auf die primäre, wirtschaftliche Verteilung, welche schon im Moment des Auswahlentscheids des
Marktes greift, zu halten hat. Als auch, zum anderen, eine nachträgliche Umverteilung der
finanziellen Einnahmen der Marktteilnehmer vorzunehmen, um damit den Anteil jedes einzelnen
am „Gesamtertrag“ an Waren und Dienstleistungen demokratisch legitimiert Markt- korrigierend zu
bestimmen.
Denn das unkorrigierte Marktergebnis bestimmt auch wer in Zukunft, mit welcher Kaufkraft als
Kunde am Marktgeschehen teilnehmen kann und damit auch für wen, und welche, Waren und
Dienstleitungen zukünftig angeboten werden. Also für wen der Markt, quasi wie durch eine
unsichtbare Hand, um auch mal Adam Smith zu zitieren, die Produktionsfaktoren denn nun optimal
zu kombinieren bestrebt ist.
Ein anderer Grund dem Markt Vorgaben zu machen ist die Priorisierung der Wirtschaftstätigkeit.
Demokratisch legitimiert muss über den Staat festgelegt werden, welche wirtschaftlichen Güter
denn nun vorrangig produziert und/[oder, bei Dienstleistungen], vorrangig angeboten werden sollen,
um sicherzustellen, dass sie in ausreichendem Maße vorhanden sind. Hierfür bieten sich natürlich
vor allem alle Güter und Dienstleistungen an, welche für den Grundbedarf jedes einzelnen und/oder
der Gesellschaft als ganzes zwingend notwendig sind. Diese Liste lässt sich aber noch bis zu jedem
beliebigen Punkt mit, als priorisierungswürdig, erachteten Gütern oder Dienstleistungen erweitern.
Damit kann auch einer unnötigen Verknappung wichtiger Güter und Dienstleistungen entgegen
gewirkt werden, was sonst die Preise für diese in die Höhe getrieben hätte.
Der dritte Grund schließlich, der es nötig macht dem Markt Vorgaben zu machen ist der sehr
facettenreiche Punkt der Regulierung. Hier kann man zunächst nochmal z. B. nach sozialer,
ökologischer oder sicherheitsbezogener Regulation unterscheiden. Beispiele für soziale Regulation
sind Arbeitsumfeldgestaltung, Arbeitszeitbegrenzungen, usw. Beispiele für ökologische Regulation
sind Begrenzung des Ressourcenverbrauchs während der Produktion, Umweltverträglichkeit von
Endproduktion usw. Und Beispiele für sicherheitsbezogene Regulation sind Sicherheitsprüfungen
für Endprodukte, Arbeitsschutzvorschriften usw.. Generell kann man alle Gesetze wie
Antidiskriminierung, Gleichstellung usw. als Regulierungen des Marktes auffassen, solange sie
diesen zumindest mittelbar betreffen.
Nun stellt sich natürlich zum einen die Frage, was man als Bürger machen kann, wenn man in
seinem Staatsgebiet zwar einen gemeinsamen Markt aber eben keinen, den eigenen Werten
zumindest in ausreichendem Maße gerecht werdenden Ausgleich, keine ausreichende Priorisierung
und/oder keine ausreichende Regulation vorfindet.
Die Frage lässt sich recht einfach beantworten, in einer, (noch) nicht zu sehr beschränkten,
Demokratie, muss man danach streben, dass eine Regierung gewählt wird, zur Not muss man sich
eben selbst zur Wahl stellen, deren Regierungsarbeit den eigenen Mindeststandards zumindest
ausreichend nahe kommt. Wenn die dafür nötige Wählermehrheit nicht in Sicht ist oder die
Handlungsfreiheit des Staates nicht (mehr) ausreicht, da zuvor zu viele „Bremsen“ oder „Fesseln“
in die Verfassung oder supranationale Verträge eingebaut wurden, oder Parteien oder
Einzelpersonen mit den eigenen Ansichten nicht zur Wahl zugelassen werden oder man einfach gar
nicht in einer Demokratie lebt, bleibt einem außer hoffen und abwarten, eigentlich nur der
außerparlamentarische Protest bis hin zur offenen Revolution, rein hypothetisch gesprochen
natürlich. Oder besser das Streben nach einer Art Autonomiestatus oder gleich nach einer
Ausgründung eines neuen Staates, ebenfalls rein hypothetisch natürlich. Aber auch schon beim rein
hypothetischen durchspielen der Optionen, sollte man sich immer überlegen, ob es hinterher
wirklich besser ist, und ob einem der Preis den man selbst oder andere dafür zahlen müssten die
Sache wirklich Wert ist.
Soviel zum gemeinsamen nationalen Markt. Bleibt noch der oder besser die supranationalen
gemeinsamen Märkte. Auch hier sollte man sich, am besten schon bevor man neue Handelsverträge
oder neue supranationale Verfassungen unterschreibt, sich überlegen, ob man selbst oder eine,für
diesen Vertrag oder diese Verfassung neu begründete gemeinsame Institution denn nun ab einem
hinreichend frühem Zeitpunkt und zumindest ausreichend lange über die nötige demokratisch
legitimierte Handlungsfreiheit verfügt um für einen hinreichenden Ausgleich, hinreichende
Priorisierung und hinreichende Regulierung sorgen zu können. Falls davon nicht auszugehen ist,
sollte man sich sehr genau überlegen, ob man solch einen Vertrag denn wirklich „freiwillig“
unterschrieben möchte. Selbst wenn man meint davon zu profitieren und einem nicht soviel am
Wohl der anderen liegt, sollte man zumindest genau bedenken, wen man sich mit seiner Unterschrift
oder seiner Weigerung zur Erschaffung einer gemeinsamen Institution mit hinreichender
demokratisch legitimierter Handlungsfreiheit alles zukünftig zum Gegner oder Feind machen kann,
oder wer einem zukünftig zumindest keinen „Gefallen schulden“ würde.
Eine andere Frage ist, auch auf supranationalem Level, was man machen soll und (rechtlich) kann,
wenn denn die Mehrheitsentscheidungen zu häufig die eigenen Mindeststandards an Werten oder
die eigenen, zumindest als zwingend nötig, empfunden Interessen nicht hinreichend
berücksichtigen. Die Antworten auf diese Frage dürften im wesentlichen die gleichen sein, wie
diejenigen weiter oben für die Möglichkeiten von Bürgern im Staat geschilderten Optionen.
Bleibt zum Abschluss noch zu klären, wie man sich denn am besten auf gemeinsame Regeln in
Verfassungen und Verträgen und später auf ein bestimmtes Maß an Ausgleich, Priorisierung und
Regulierung einigen kann.
Laut Amartya Sen, „Development as Freedom“ kann man zwischen 3 Sichtweisen auf das optimale
Verhältnis zwischen Staat, Eigentum und Markt unterscheiden. Zum einen gibt es das Wirtschaftslibertäre
Prinzip, dass die möglichst freie Verfügungsgewalt über eigenes Eigentum am wichtigsten
wäre, weitgehend auch unabhängig vom Ergebnis. Das gleiche gilt hier übrigens auch für
Verfassungen und Vertragsregeln, auch wenn Herr Sen, das nicht explizit anspricht, die sollten, nach
dieser Ideologie, nach Möglichkeit nur solche Regeln enthalten denen jeder freiwillig zugestimmt
hat. Und rein Wirtschafts- libertäre werden kaum Regeln zustimmen oder „widerstandslos“
dauerhaft akzeptieren, die ihre freie Verfügungsgewalt an ihrem Eigentum einschränken oder
öffentlichen Institutionen dafür die nicht in ihrem Sinne beschränkte Macht gibt.
Zum andern gibt es den utilitaristischen Ansatz. Dieser orientiert sich nur am Gesamtergebnis und
nicht an den Vor- oder Nachteilen für einzelne. Und abschließend gibt es noch Sichtweisen, wie die
Originalposition, von John Rawls, bzw. Aristoteles. Hier sollen sich alle Vertragspartner gedanklich
einmal in die Position der anderen versetzen, und sich vorstellen, dass sie nicht wüssten in welcher
Position sie sich zukünftig, nach Vertragsabschluss, wiederfinden werden. Dadurch soll ein Vertrag
eine Verfassung entstehen oder eine Anwendung von Regeln erfolgen, welche jeder freiwillig
zustimmen kann. Also das Endergebnis soll den Werten und Interessen jedes einzelnen hinterher
möglichst gerecht werden.
Hier sieht man mal wieder schön, in wieweit ein einzelnes Wort, hier „kann“, einem Satz direkt
einen ganz anderen Sinn geben kann. Wenn man ein Regelwerk sucht, dem jeder zustimmen kann,
provoziert dies direkt die Nachfrage, nach welchen Kriterien man denn entscheidet, welchen Regeln
jeder zustimmen können sollte. Also die Nachfrage nach der Moral oder Ethik, welche hinter solch
einer Entscheidung steht. Es handelt sich daher um eine normative Entscheidung. Ebenso wird es
hier meist auch um die Frage gehen, welche Regeln denn nun Werte- gebunden in einer Verfassung
nicht fehlen sollen und nicht nur welche drin stehen dürfen.
Ohne das Wort „kann“ ergibt sich die Aussage, dass eine Verfassung oder ein Vertrag nur diejenigen
Regeln enthalten soll, denen jeder freiwillig zugestimmt hat. Es geht als gerade nicht um eine
normative Bewertung dieser Entscheidung, nicht um die Frage nach welchen moralischen oder
ethischen Prinzipien sie erfolgt ist. Nicht mal ob sie, aus Sicht eines unbeteiligten Beobachters,
vorteilhaft war. Man kann höchstens noch darüber streiten, was man unter „freiwillig“ versteht.
Geht es nur um unmittelbaren Zwang. Oder ist hier auch Not ein Grund von „unfreiwillig“ zu
sprechen. Auf jeden Fall steht bei dieser Formulierung wohl der Wille im Vordergrund, dass am
Ende nur das in einer Verfassung oder im einem Vertrag steht, was jeder haben wollte, oder
zumindest was jedem als Tausch gegen eine andere Regel tolerabel genug erschien.
Ganz im Sinne des Prinzips:
Die freie Verfügungsgewalt über das eigene Eigentum ist am wichtigsten.
Oder die freie Verfügungsgewalt über den Umgang mit und die Verwendung von
Leistungsbilanzüberschüssen …
Na, wenn man sich dann da mal keine Laus in den Pelz gesetzt hat.
Bleibt nur zu hoffen, dass „wir“ in Zukunft hinreichend ausgleichend, priorisierend und regulierend
genug wählen, entscheiden und handeln „können“.

Anti- Kriegstag 01.09.20

Ein Grund wieso ich mit dieser Plattform und diesem Blog begonnen hatte war ja, um einmal den Wunsch nach Sozialem, nach Sicherheit, und nach Standhaftigkeit – im Sinne von Werte- gebunden international bestehen können-; je nach innen und außen, auch mal in dieser kombinierten Form nach außen tragen zu können und dadurch selbst auch vorfinden zu können.

Organisationen mit sozialen Zielen gibt es ja durchaus schon in großer Zahl.
Nur in Kombination mit dem Streben nach hinreichender militärischer und polizeilicher Sicherheit, auch für andere, inklusive zumindest der Bereitschaft da als Gemeinschaft oder auch selbst (zumindest zur eigenen Sicherheit) einen fairen Beitrag zu fairen Bedingungen zu liefern fehlte mir da noch was.

Auch oder vor allem auf Ebene der Parteien gab und gibt es mir noch zusehr die Aufsplittung in Union/FDP stehen für militärische Sicherheit; Linke, Grüne und SPD stehen für Soziales, zumindest nach innen.

Und da ich es wichtig finde, dass nicht nur vor allem „Anti- Militärs“ und „Anti- Interventionisten“ am Anti- Kriegstag demonstrieren, schreibe ich jetzt auch einmal ein paar Zeilen, mit dem Ziel, dass irgendwann, am besten ab jetzt, niemand mehr einem anderen berechtigte Gründe für bewaffnete Konflikte liefert oder ungerechtfertigter Weise solch einen Konflikt startet.

Generell sollte es wohl das Ziel sein, dass jeder nach Regeln und Werten lebt, die es ermöglichen würden mit einer Art gemeinsamer Weltpolizei aus zu kommen.

Bis es soweit ist oder wohl immer mal wieder zwischendurch sollte man auf hinreichende militärische Stärke, auf einem möglichst niedrigen Gesamtniveau und einen fairen Eigenbeitrag, zumindest als Staat, achten.

Und mit Hinblick auf den internationalen Handel, bleibt etwas provokant abschließend noch zu sagen:

Freihandel aber auch Abschottung ohne Werte- gebunden hinreichenden Ausgleich, wirtschaftlicher oder finanzieller Art, hinreichende Priorisierung der Wirtschaftstätigkeit hin zur allgemeinen Grundbedarfssicherung und hinreichende staatliche Regulierung für soziale, ökologische oder sicherheitsrelevante Zwecke.sind schon eine Form von Krieg oder provozieren ihn zumindest.

Denn ein Ausgleich ist wichtig, da die wirtschaftliche Konzentrationskraft des Marktes hin zu Standorten mit optimalen Produktionsbedingungen einfach zu groß ist, um die unkorrigierte
Marktentscheidung einfach komplett akzeptieren oder tolerieren zu können.
Das ergibt sich ja schon aus der Hauptaufgabe des Marktes, durch einen fairen Wettbewerb der
Ideen, die optimale Kombination der Produktionsfaktoren Arbeit, Boden und Kapital zu finden.

Und wenn man sich mit einem überproportional hohen Anteil an Ressourcen, Nutzflächen und zumindest kurzfristig auch an Arbeit und Kapital einfach vom Rest der Welt abschottet, erschwert oder verhindert man gar bei anderen ihre Grundbedarfssicherung oder ihre Erlangung ihres fairen Anteils.