An die neue EU- Kommission: Freihandel vs. Umwelt, Soziales und Sicherheit?

Eine Frage mit welcher sich die neue EU- Kommission auseinander setzen werden muss, ist, wie sie den internationalen Handel und die weltwirtschaftlichen Rahmenbedingungen insgesamt mitgestalten möchte.

Soll sie weiter daran arbeiten TTIP, also das Freihandelsabkommen zwischen den USA und der EU, und Co umzusetzen?

Und mit welcher Begründung?

Man kann den Markt ja als einen Ort der bestmöglichen Verwendung der Produktionsressourcen: Arbeit, Boden, Kapital durch Auswahlalternativen ansehen.

Jede unnötige Vorgabe oder Beeinträchtigung bei dem Angebot von und der Nachfrage nach Auswahlalternativen erhöhen dann die Wahrscheinlichkeit, dass die Angebote hinter ihren Möglichkeiten zurückbleiben.

Damit bleiben unter anderem 2 Fragen übrig:

  • Welche Vorgaben und Restriktionen sind notwendig oder wünschenswert?
  • Wer darf über die Verteilung entscheiden und wer darf/kann welche Mengen nachfragen?

Die erste Frage betrifft dann aus dem sozialen Bereich Punkte wie
– Mindestlohn
– Arbeitszeit
– Entfernung zum Arbeitsplatz
– usw.
Aus dem Bereich Sicherheit Punkte wie
– Sicherheit am Arbeitsplatz
– Sicherheit auf dem Weg zur Arbeit
– Verbraucherschutz
– Investitionssicherheit
– usw.
Und aus dem Bereich Umwelt Punkte wie
– Klimaschutz
– Abfallbeseitigung
– Ressourcenschonung
– usw.

Die zweite Frage ist eine Frage der Verteilung:
– Wessen Wünsche soll der Markt bedienen, also wer soll über welche anteilige Kaufkraft
verfügen?
– Welche Priorisierung bei der Realisierung der Wünsche soll es geben?
– Soll nur Angeboten werden was zuvor nachgefragt/beauftragt wurde?

Man könnte diese beiden Hauptfragenkategorien auch Mindeststandards bei der Erzeugung und gerechte Verteilung des Gesamtertrags nennen.

Für die EU- Kommission bedeutet das also einerseits, dass Sie bei internationalen Handelsverträgen eine Möglichkeit bieten muss zumindest EU – seitig demokratisch legitimierte Mindeststandards aus den genannten Bereichen initial verhandeln und zukünftig neu verhandeln zu können.
Natürlich ist es hier von Vorteil, wenn die eigene Verhandlungsposition komfortabel genug ist, um seine eigenen als, aus sozial-, sicherheits- und umwelt- orientierten Gründen für zwingend nötig und den anderen Vertragspartnern gegenüber als fair und gerecht (John Rawl, Immanuel Kant) gehaltenen Mindeststandards auch tatsächlich durchsetzen zu können. Die gewünschte Mindeststandards, jenseits des zwingend nötigen, sind dann Verhandlungssache.

Andererseits muss bei solchen Verträgen natürlich auch die Frage der Verteilungsgerechtigkeit, der sozialen Sicherheit und des zumindest EU- seitig demokratisch legitimierten politischen Handlungsspielraums zur Markt korrigierenden als gerecht empfunden Umverteilung (Müller-Armack, Konrad Adenauer und aktuelle SPD?) gestellt und beantwortet werden.
Sowohl innerhalb der Vertragsparteien als auch unter ihnen.
Denn es wird wohl kaum jemand ernsthaft behauten wollen, dass ein freier Markt jemals aus sich heraus zu einer Verteilung der Wirtschaftskraft und des Gesamtertrags führen wird, der als sozial gerecht oder auch nur, im Rahmen des Möglichen, den lebenswerten Mindestbedarfs deckend bezeichnet werden kann.
Die gewünschte Priorisierungsregel des notwendigen Staatsbedarfs und des Bedarfs der privaten Haushalte bei der Verwendung der Ressourcen muss natürlich auch festgelegt werden. Konkret gilt es hier den fairen Anteil an Gemeinschaftsaufgaben wie gemeinsame militärische Verteidigung und innerer Sicherheit und ein keine Seite überforderndes Netz an sozialer Sicherheit festzulegen und einzufordern.

Bezogen auf Nachhaltigkeit und Umweltschutz ist es natürlich auch wichtig auf einen Ressourcen- und Klima- schonenden Gebrauch und Verbrauch der Produktionsressourcen zu achten.

Zum Schluss stellt sich natürlich noch die Frage, wie man reagieren kann, wenn eine Vertragsseite ihren Beitrag in den genannten Bereichen nicht leisten möchte.
Die beste Möglichkeit stellt da aus meiner Sicht die Beschränkbarkeit der wirtschaftlichen Freiheiten aus Sicherheits-, sozialen und Umwelt- politischen Gründen dar.

Wenn man es sich denn leisten kann und zuvor der politische Handlungsspielraum durch Beschränkungen/Bremsen in der Verfassung oder in schon bestehenden internationalen Verträgen nicht bereits zu stark eingeschränkt wurde. Da sollte man drauf achten, dass sowas nicht passiert …

All diese Erwägungen gelten natürlich auch für den EU- Binnenmarkt und vor allem die Eurozone, solange wir den Prozess hin zur vollständigen politischen Union noch nicht abgeschlossen haben.

Stichwahl um den SPD Vorsitz

Nachdem es mein favorisiertes Paar „Schwan/Stegner“ (http://konservativsozialliberaleplattform.org/2019/10/11/wahl-des-neuen-spd-vorstands-abschliesende-einschatzung, http://konservativsozialliberaleplattform.org/2019/09/15/wahl-des-neuen-spd-vorstandes-aktuelle-einschatzung) nicht ganz bis in die Stichwahl geschafft hat, gilt es nun sich zwischen „Scholz/Geywitz“ und „Walter-Borjans/Esken“ zu entscheiden.

Die beiden Hauptanliegen dieses Blogs sind ja:

  • ein tragfähiges, faires, machbares und keine EU- Nation überforderndes gemeinsames soziales und Haushalts- Finanz ausgleichendes Netz in der EU, zur Sicherung eines sozialen Mindeststandards und zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Mindestleistungen, wie innere Sicherheit usw., in jedem EU- Staat.
    In einem gemeinsamen EU- Binnenmarkt und vor allem im Euro- Raum wird die Konzentration der Wirtschaftskraft wohl fast immer so einseitig verteilt sein, dass einzelne EU- Staaten, nicht unbedingt immer die gleichen, ohne Finanzausgleich immer in Schwierigkeiten geraten werden. Dazu habe ich aber auch schon einiges in diesem Blog geschrieben.
    Und Kooperation bei Wirtschafts- und Investitionspolitischen Entscheidungen.
    Wobei aber fraglich erscheint, ob man mit Investitionen „gegen den Markt“, zumal mit Schulden basierten, wirklich weiterkommt. Gute Investitionsmöglichkeiten werden wohl meist, wenn auch nicht immer, siehe Keynes, bereits vom Markt bedient. Wirtschaftspolitisch steuernde Mindestvorgaben wie ein ausreichender Anteil an der Produktfertigung oder eine gemeinsame Steuerpolitik mit Förderung für wirtschaftlich weniger produktive Standorte wirken da sinnvoller und fiskalpolitisch weniger belastend bzw. risikoreich. Eine hinreichende Aufteilung der Wirtschaftskraft durch den komparative Vorteil stellt sich nur selten von alleine ein. Man muss dabei aber natürlich auch die notwendige internationale Konkurrenzfähigkeit der EU- Wirtschaft im Auge behalten.
    Der Weltmarkt ist eben aktuell ein laissez faire Markt. Das dies nicht so bleiben soll gehört auch zu den Zielen dieses Blogs.
  • In Deutschland muss es bei den nächsten Wahlen, wieder eine Partei geben, welche für die Werte „Sozial, Sicher, Standhaft – im Sinne von international bestehen können-; je nach innen und außen“ zusammengenommen steht.
    Zurzeit stehen eben CDU/CSU und FDP für Sicherheit und Anpassung an die Hyperglobalisierung. Die Union auch noch in Teilen für nationale soziale Notfall- Absicherung. Ein Streben zur Überwindung der Hyperglobalisierung und zur Solidarität in der EU ist dort aber aktuell definitiv nicht erkennbar. Die sind mehr mit sozialpolitischen „Verfassungsbremsen“ beschäftigt.
    Bei den Grünen bereiten mir die „Öko- Libertären“ aus sozialer Sicht etwas Sorge.
    Aber die haben ja immerhin auch noch Frau Keller.
    Und die SPD, Grünen und vor allem die Linke sind bei Fragen der äußeren und inneren Sicherheit und beim Leisten eines fairen Beitrags zur internationalen Sicherheit, sagen wir mal eher etwas zurückhaltend bis zu stark bremsend. Und bei der Linken hat man eben immer auch noch Sorge vor zuviel staatlicher oder durch Vergesellschaftung verursachter Vermachtung und vor Wirtschaftsertragsreduktion. Und die AfD ist aus Sicht der KSLP zu weit rechts und zu ausgrenzend und begrenzend national ausgerichtet, um eine wählbare Alternative für Deutschland zu sein.

Bezogen auf die Wahl des SPD Vorsitzes komme ich dann zu folgendem Ergebnis

  • Sozial (nach innen): Esken/ Walter-Borjans stehen hier mehr für ein
    Umverteilungskonzept, dass die Einkommensverteilung weniger
    stark dem Markt überlassen will. Solidarität und soziale
    Gerechtigkeit werden aber natürlich von beiden Duos betont.
  • Sozial (nach außen): Herr Scholz hatte sich für eine EU- Arbeitslosenversicherung
    und mehr Solidarität in der EU ausgesprochen.
    Esken/ Walter-Borjans wollen wirtschaftliche Kooperation
    und einen finanziellen Ausgleich durch Schulden basierte
    angestrebt zukunftsförderliche Investitionen erreichen.
    Esken/ Walter-Borjans setzen sich aber auch für eine
    Überwindung des „neoliberalen“ Dogmas ein.
    Damit wird wohl die Hyperglobalisierung und das libertäre
    Weltbild bemeint sein. Solch eine Aussage hätte man sich auch
    von Scholz/Geywitz einmal gewünscht und tut es immer noch.
    Bleibt, aus Sicht der KSLP, zu hoffen das Esken/ Walter
    -Borjans damit keine vergesellschaftete, gelenkte Wirtschaft als
    Ziel gemeint hatten. Aber wohl eher nicht.
  • Innere und äußere Sicherheit: Esken/ Walter-Borjans treten vor allem bei äußerer
    Sicherheit und Mitverantwortung aus Sicht der KSLP
    (zu) stark auf die Bremse auf dem Weg in die richtige
    Richtung. Geywitz/Scholz weit weniger stark.
  • Standhaft – im Sinne von international bestehen können -: Geywitz/Scholz erscheinen pragmatischer und haben weit mehr Erfahrung und Kontakte.

Fazit: Aus Sicht der KSLP hat das Team Scholz/Geywitz (knapp) die Nase vorn.

Netzwerk Plurale Ökonomik und Herr Nils Goldschmidt

Das Netzwerk Plurale Ökonomik ist ja nach Selbstdefinition ein von studierenden getragenes Netzwerk.

Es wurde laut der Entstehungsgeschichte https://www.plurale-oekonomik.de/das-netzwerk/geschichte-des-netzwerkes/entstehung/ auf einer Attac-Sommerakademie 2003 gegründet. 

Aus einer Bewegung heraus, welche, nach Ansicht der Autoren der Entstehungsgeschichte, ,neben einem zu großen Anteil der neoklassischen Ökonomie während des wirtschaftswissenschaftlichen Studiums auch ein zu großes Übergewicht von Public-Choice-Ansätzen ( Perestroika-Movement : wobei hier in den Artikeln die ich finden konnte von Rational Choice gesprochen wurde) im Politik- wissenschaftlichem Studium kritisierte.

Und die beiden wohl federführenden Institute bei der Verbreitung der Public Choice Theorie von James Buchanan in Deutschland sind nun einmal das Walter Eucken Institut in Freiburg und das Zöbis in Siegen. Und bei beiden Instituten ist Herr Nils Goldschmidt in mehr oder weniger zentraler Rolle mit tätig. Ebenso war er einer der führenden Personen bei der Gründung der Jenaer Allianz zur Erneuerung der Sozialen Marktwirtschaft. Die haben es fertig gebracht 2015 einen angeblich ordoliberalen Aufruf für Europa zu verfassen ohne ein System für eine gemeinsame soziale Absicherung auch nur zu erwähnen (https://web.archive.org/web/20151203105933/http://jenaerallianz.de/index.php?id=8363)
Genaugenommen lehnen sie soziale Transferzahlungen sogar strikt ab. Für Walter Eucken galt der Grundsatz „Die Grundbedürfnisse jedes einzelnen haben Vorrang“ ( Grundsätze der Wirtschaftspolitik).
Für das „Walter Eucken Institut“, gilt wohl eher „Die wirtschaftliche Freiheit hat Vorrang“. Diese Gedankenrichtung heißt aber „Libertär“. Zu der Überzeugung sollte man dann wenigstens stehen und nicht unter falscher Flagge fahren.

Herr Goldschmidt bezeichnet sich auch als kontextualer Ökonom. Dieser Begriff wurde aber von Herrn Büscher, einem Mitglied des Wissenschaftlichem Beirats von Attac geprägt. Und der wird hoffentlich nicht zu den Ökonomen zählen, denen die wirtschaftliche Freiheit am wichtigsten ist. Und die sich international gegen Sozialtransfers (gemeinsame soziale Sicherheit) stellen.

Und bei der Internetseite des Studiengangs „Plurale Ökonomik“ der Universität Siegen (https://plurale-oekonomik-siegen.de/), Mitglied im Netzwerk Plurale Ökonomik:

steht Herr Goldschmidt ( https://de.wikipedia.org/wiki/Nils_Goldschmidt ) ebenfalls als Verantwortlicher:

Und es steht seit Nancy MacLeans Buch „Democracy in Chains“, in Deutschland weitgehend ignoriert, eben der Vorwurf im Raum, das eine Gruppe reicher US- Milliardäre um die Koch Brüder unter Leitung von Herrn Buchanan versucht haben, und nun ohne ihn weiterhin versuchen, die nationalen Verfassungen und internationale Verträge und Verfassungen so zu gestalten, dass der sozialpolitische Handlungsspielraum möglichst gering bis nicht mehr vorhanden ist und stattdessen die wirtschaftlichen Freiheiten nur noch geschützt werden. Und dieser Vorgang würde verdeckt und verschleiert ablaufen.
In rohstoffarmen Staaten, die auf Exporte angewiesen sind wie Deutschland wäre es wohl auch nicht schwer durch mehr oder weniger starke Verschleierung Unterstützung für solch ein „Freimarktsystem“ zu finden.

Da passt Herr Goldschmidts berufliche Laufbahn leider sehr gut ins Bild.

Das muss nicht so sein, man sollte aber spätestens ab jetzt ganz genau hinsehen.

Mit Herrn Lars Feld ist ja bereits ein Buchanan- Public Choice Anhänger bei den Wirtschaftsweisen der Bundesregierung (Schuldenbremse). Wohl der einzige dort der sich mit Verfassungsökonomik auskennt, sonst sind da wohl eher nur reine Ökonomen.

Da wir gerade dabei sind die EU- Verfassung neu zu regeln und auch internationale Handelsverträge neu ausgehandelt werden, brauchen wir zumindest ein Höchstmaß an Transparents und Klarheit über die Ziele und Beweggründe der wichtigsten Wirtschafts- und Verfassungsberater.

Und dass sich die KSLP, also dieser Blog, für machbare gemeinsame soziale Sicherungssysteme in der EU und soweit möglich schrittweise auch darüber hinaus einsetzt, sollte den regelmäßigen Lesern mittlerweile klar sein.