Der Unterschied zwischen einer Agenda für Fair-Genug und einer zur ungebremsten und unfairen Anteilsjagt

Aktuell wird in der online Ausgabe des vorwärts, SPD Parteizeitung, in 2 Artikeln unter der Rubrik „Geschichte“ hervorgehoben inwieweit zu einem Karl Kautsky und zum andern Eduard Bernstein die SPD geprägt hätten.

Die beiden waren ja nun nur in ihrer Anfangszeit innerhalb der SPD im gleichen Flügel der SPD aktiv. Und entzweiten sich bald inhaltlich am Revisionismus von Bernstein.

Trotzdem waren sie später, obwohl sie die Burgfriedenspolitik zunächst mittrugen, beide Mitglied der USPD, welche sich gegen eine weitere Ausweitung des 1.Weltkriegs und vor allem der Kriegsziele einsetzte.

Sie machten also ihre Zustimmung zu weiteren Krediten, von weiterer Unterstützung des Krieges, von den Kriegszielen abhängig. Sie waren (wohl) nicht gegen das Ziel sich und den fairen Anteil verteidigen zu können und dies auch zu tun. Sie waren aber (anscheinend) sehr wohl gegen einen Krieg mit dem Ziel Gewinnfrieden. Also sie wollten keine Kriegsprofiteure werden.

Wahrscheinlich wollten das die meisten in der MSPD auch nicht, sie werden aber nicht genug Zeit gehabt haben sich hinreichend über die Kriegsziele Gedanken machen zu können, um den Unterschied zwischen dem Ziel: „Fair Genug“ und dem Ziel: „Kriegsprofiteur“ erkennen zu können. Deshalb lief die MSPD im Krieg weiter auch auf Profitjagt mit. Vielleicht wollte aber die Mehrheit der MSPD genau das. Das wäre dann unsozial gewesen. Aber sind wir mal optimistisch.

Naja, der Krieg ging ja dann verloren und der Bolschewismus war für Kautsky und Bernstein dann doch zu extrem. Deshalb gingen sie nicht zum Spartakus-Bund sondern nach Auflösung der USPD wieder zurück zur MSPD. Man wurde wieder die SPD. Solange man eh weniger als fair viel hat, liegen die Linken und Rechten Bestrebungen ja eh noch meist nahe genug zusammen.

Weniger direkt blutrünstig als das gewalttätige „Nehmen und Halten“ ist ja das „Tauschen“.

Dann ist man im internationalem Standortwettbewerb. Und auch da sind die Karten ungleich verteilt. Politische Gebietsgewinne, also die Wählermehrheit an einem Standort, kann man da höchstens durch Zuzug bzw. Wegzug erreichen. Das muss man sich natürlich leisten können. Aber Geschossen wird (erstmal) nicht. Es geht um wirtschaftliche Zugewinne und um „Investitionsschutz“ unter fremder Herrschaft.

Und auch hier muss man zwischen einem Streben nach einem fairen, vor allem genügendem, Anteil unterscheiden und dem Streben nach soviel Profiten, Anteilen, wie möglich.

Und auch hier gilt: Dafür muss man erstmal die Zeit haben. Vor allem wenn die Anteilsjagt noch als Streben nach Genug von den Gierigen und dem „Teilen und Herrschen“-Außen dargestellt wird.

Bei der Agenda 2010 hieß es daher auch nicht: Lasst uns Sozialabbau und Deregulierung machen damit wir über den Standortwettbewerb auf ungebremste Anteilsjagt, Profitjagt, gehen können. Wir haben da eh einen natürlichen Vorteil.
Nein es hieß: Wir müssen uns für den Standortwettbewerb fit machen damit wir bestehen können. Das spricht auch die „Hoffentlich haben wir Genug“- Fraktion an.
Wie 1914 beim Burgfrieden.

Aber aus diesem Streben nach Genug wurde, für viele wie mich zunächst nicht ersichtlich weil man an der falschen Stelle prüfte, eine Ungebremste Anteilsjagt. Das sieht man schön an der Kurve zum Außenbeitrag.

Wenn die bei Null bleibt hat man von Außen Genug, zumindest wenn man hinreichend einkaufen durfte und konnte. Alles darüber ist ein Wachsen durch Anteilsgewinne von Außen anstatt ein Wachsen durch Innovation. Und das noch bei einem unfairen natürlichen Vorteil.

2004 gingen aus der SPD ja schon einige raus, die die „Sozialen Einschnitte“, welche damals noch als Streben nach Genug bezeichnet wurden, nicht hinnehmen wollten und gründeten erst die WASG und dann mit der PDS zusammen die Partei die Linke.

Da ich für die Beurteilung ob wir fair-genug haben, bis 2017 auf den Bundeshaushalt schaute anstatt aufs außenwirtschaftliche Gleichgewicht fand ich bis dahin die Reformen für nötig und auch durchaus sozial, da ja (angeblich) die Grundsicherung mit Einführung der Reformen angehoben wurde. Wobei die Grundsicherung unter Merkel dann aber relativ (eher) immer weiter abnahm, was mir aber auch erst 2016 auffiel.

Den Bundeshaushalt muss man aber durch interne Verteilungsmaßnahmen ausgleichen und nicht die Armen Außen mit auf die unfaire Anteilsjagt gehen müssen lassen.

Wobei der 1. Weltkrieg aber halt auch nur 4 Jahre dauerte. Der sozialdarwinistische Standortwettbewerb mit unserem sich langsam verstopfenden, „verkriegten“ und an andere Mehrheiten gehenden natürlichen Vorteil läuft aber nun schon fast 20 Jahre, oder eigentlich schon seit den 1980ern, eingeläutet durch die freien Wechselkurse und dem Ende des Bretton Woods Systems, welches jetzt aber auch noch nicht unbedingt der sozialdemokratischen Weisheit letzter Schluss war.

Genug Zeit also für die aktuellen Mitglieder in der SPD, den Grünen aber auch den beiden Unionsparteien CDU/CSU sich mal zu überlegen, ob sie wirklich weiter sozialdarwinistisch „tauschend“ international auf Anteilsjagt gehen wollen, oder sich nicht lieber wieder aufs Außenwirtschaftliche Gleichgewicht, Magisches Viereck, und faire soziale Stabilität zurückbesinnen wollen. Nicht zuletzt da man vor allem „unfaire“ existenzgefährdend, wenn auch nicht nur diese, erworbene Anteile früher oder später wieder militärisch Verteidigen können muss. Und Sozialdarwinistisch kommt das eher früher als später.
Aber genau so einen neuen Krieg in Europa wollten wir mit der EU aber doch verhindern, oder etwa nicht. Der würde uns auch global zur Peripherie machen: „Wenn zwei sich streiten ….“ eben.

Zeit für Fair-Genug. Entweder von innerhalb der SPD, den Grünen oder den Unionsparteien heraus. Oder eben aus einer neuen zumindest relativ besser passenden Partei heraus.
Die Europawahl mit ihrer geringeren %-Hürde bietet hier ja die Möglichkeit es etwas genauer zu nehmen. Und zumindest sichere Möglichkeiten, ebenso wie Eigentum, verpflichten einem sozial-moralisch eben (eigentlich).

Fair begrenzen sollte man eben die Anteilsjagt/Anteilsverteidigung über den fair-gleichen Anteil hinaus, egal ob von Vielen oder Wenigen durchgeführt, und egal ob mit Waffen oder durch Handel. Und nicht die Möglichkeit Anteilsjagt zu unterbinden, oder Anteile bis zum fair-gleichen fair-menschlich-angemessen zu erlangen.

Eine Entgegnung auf den Artikel „SICH ABSCHOTTEN NUTZT KEINEM“ von Jakob von Weizsäcker im aktuellen Vorwärts

Jakob von Weizsäcker (SPD), Chefvolkswirt im Bundesfinanzministerium hat für den neuesten „Vorwärts“ einen Artikel geschrieben, „SICH ABSCHOTTEN NUTZT KEINEM“.

Darin kritisiert er einerseits einen wieder erstarkenden Wirtschaftsnationalismus, welcher sich dadurch zeigen würde, dass einige Staatenlenker mächtiger Staaten, ohne einen Namen zu nennen, auch schon vor der Corona- Pandemie begonnen hätten der „protektionistischen Irrlehre“ zu folgen, dass die Weltwirtschaft ein „merkantilistisches Nullsumenspiel“ sei, in welchem der Starke versuchen sollte anderen Nationen seinen Willen durch Tricks und Erpressung aufzuzwingen.
Als anderes Negativbeispiel für die aktuelle Entwicklung nennt er Vorschläge, er hat dabei wohl Bayern im Blick, dass ein „Präventismus als neuer Protektionismus“ aktuell entstehen würde, welcher Handelsbeziehungen zu anderen Nationen deshalb „kappen“ bzw. „reshoren“ wolle, da man sonst Gefahr laufen würde, dass die anderen später ihrerseits zu einem ungünstigen Zeitpunkt die Handelsströme „kappen“ könnten.

Das klingt zunächst mal sehr nach der alt bekannten kurzsichtig national sozialen bzw. national wirtschaftslibertären Darstellung, dass der frei oder offene Markt schon von sich aus fair und solidarisch wäre, da er jedem Menschen aus jedem Staat die gleichen Chancen auf Wohlstand oder zumindest auf ein auskömmliches Einkommen bieten würde und die Gesamtleistungskraft der Weltwirtschaft dadurch so groß werden würde, dass es irgendwann von alleine schon durch die Ausgleichskräfte des Marktes für alle reichen würde.

Darauf, dass ein freier und offener Weltmarkt vor allem den Staaten, welche über Standorte mit guten Produktionsbedingungen oder gefragten Ressourcen verfügen und zusätzlich selbst einen hohen Importbedarf haben, entgegenkommt wird dabei nicht eingegangen.

Und auch nicht darauf, dass die Konzentrationskraft der Wirtschaft hin zu wenigen Orten zu groß ist, als dass ein freier Markt alleine, mit zumindest ausreichender Sicherheit, zu einem Gleichgewichtszustand führen könnte, welchem jedem ein Auskommen ermöglichst, nicht mal nur für die Arbeitswilligen.

Es ist also wichtig zunächst mal zu unterscheiden aus welcher Intention heraus man sich für faire und offene Märkte einsetzt und bis zu welchem Punkt der Handel frei also sich selbst überlassen bleiben soll.

Einer der wichtigsten Gradmesser hierfür ist aber eben die Leistungsbilanz, zusammen mit dem Importbedarfsniveau und dem Lebensstandard, zumal wenn man über eine gemeinsame Währung verfügt.

Sobald man hier, zum Beispiel durch einen natürlichen Produktionsstandortsvorteil oder durch das vorhanden sein gefragter Ressourcen einen Überschuss aufweist und trotzdem nicht für einen primären wirtschaftlichen oder einen sekundären finanziellen Ausgleich sorgt, wenn dies von den Staaten mit einem Minus gefordert wird, verhält man sich unfair und unsozial. [Sparen für die Rente bei einer ungünstig verlaufenden demokratischen Entwicklung mag da ein berechtigter Einwand sein, dann muss man sich aber fair einigen und es nicht einfach einseitig so festlegen wollen, eventuell müssen die anderen auch für die Rente sparen.]

Obwohl man einen höheren Anteil an der Weltwirtschaftskraft besitzt als man aktuell benötigt oder für den aktuellen eigenen Konsum haben möchte versucht man nicht einen Ausgleich herbeizuführen, damit es für die anderen auch reicht, oder diese von ihrem Lebensstandard näher an den eigenen heranrücken können, sondern warnt nur gleich vor ideologischen Protektionisten, die sich komplett soweit es nur irgendwie geht zum eigenen Vorteil vom Rest der Welt abschotten wollen. Meistens wird dann noch auf die Weltwirtschaftskrise nach 1929 verwiesen.
Freilich ohne zu betonen, dass damals die „Hayek’sche den freien Markt einfach machen lassen“- Position zusammen mit der Politik des knappen Geldes die Krise erst richtig ins Rollen gebrachte hatte. Die dann noch von der US- Seite durchgeführten protektionistischen Maßnahmen hatten die Sache dann internationale nur noch weiter verschlimmert. Zumal die USA damals einen Leistungsbilanzüberschuss mit dem Rest der Welt hatten. Damals hatten wir das Defizit. Und das wurde dann natürlich als wir immer noch unseren Importbedarf decken mussten aber noch weniger Güter deswegen exportieren konnten noch größerer. (https://de.wikipedia.org/wiki/Weltwirtschaftskrise)

Also für das Urteil, ab wann ein Staat, welcher zu Abwehr- oder Schutzmaßnahmen im Handel mit einem anderen Staat greift unfair oder unsolidarisch handelt, ist es sehr entscheidend den Gesamt- Kontext zu betrachten.
Kurzgesagt: Ein Staat mit Überschuss, welcher zu solchen Mitteln greift, handelt dann meist unfair und unsozial einer mit Defizit meist nicht.

Außnahmen bilden zum Beispiel zu starke Abhängigkeiten bei wichtigen Gütern,
(siehe hier: https://rkslp.org/2019/06/30/ein-paar-uberlegungen-zu-leistungsbilanzen/).
Da gebe ich dann Herrn Söder von der CSU recht. Wobei dieser aber zusammen mit der gesamten Union immer noch viel zu sehr versucht unseren Überschuss schön zu reden und sich zumindest bisher noch gegen jeglichen, wie schon mehrfach beschrieben, aus fairen, solidarischen und nicht zuletzt dadurch auch aus eigennützigen Gründen nötigen Ausgleich vor allem mit den Eurostaaten aber auch mit dem Rest der EU, Europas und der Welt stemmt.

Wer sich anderen gegenüber nicht fair und machbar solidarisch genug verhält, steht früher oder später alleine da und hat dann ein schlechtes Vorbild abgegeben, wenn er selbst mal auf Solidarität angewiesen ist.

Deshalb gilt: der Markt darf nicht zu frei sein. (#nichtzufrei, #nottoofree)

Zumindest das scheint auch Herr Weizsäcker mehr oder weniger so zu sehen, wenn er schreibt, dass „wenn der Handel nicht nur frei, sondern auch fair ist“, „Natürlich muss man gezielte
Abwehrmechanismen haben und die Resilienz von Wertschöpfungsketten erhöhen.“ und „kein Mensch und Land heutzutage ausschließen können, eines Tages international auf faire Regeln und Solidarität angewiesen zu sein“.

Aber auch in seinem Artikel fehlt eben die zum Ausdruck gebrachte Einsicht, dass ein Staat der Leistungsbilanzüberschüsse, trotz Aufforderung durch „Defizit-Staaten“, zumal aus dem gleichen Währungsraum, nicht machbar und zumutbar ausgleicht sich unfair und unsozial verhält und dadurch eine zu weitreichende Gegenreaktion herbei beschwören kann, welche die wirtschaftliche Freiheit auf dem Weltmarkt zu sehr eingeschränkt und zu noch mehr unfairen und unsolidarischen Handlungen führen kann, anstatt einfach nur zu einem fairen und machbar solidarischem Ausgleich.

Ebenso muss man vorsichtig sein, wenn man ein internationales Regelwerk anstrebt, welches Fairness und Solidarität durch internationale Regeln erzwingen möchte. Ein Rechtsrahmen, welcher Nationalstaaten und ihre Bürger zu Ausgleich und zum Leisten ihres gemeinschaftlichen sozialen, ökologischen und sicherheitspolitischen Beitrags zwingt, mag zwar ein nötiges anzustrebendes Ziel sein. Aber der nötige politische, demokratisch legitimierte Handlungsspielraum muss trotzdem national erhalten bleiben und transnational geschaffen werden. Und man muss aufpassen, dass einem das „Nachtwächterstaats Lager“, der „Freunde des Vorrangs der wirtschaftlichen Freiheit“ dabei nichts „unterjubeln“ und man später mit einer internationalen Regelordnung dasteht, welche den unbedingten Vorrang der wirtschaftlichen Freiheiten vor jedweden transnationalen aber auch vor zu vielen nationalen demokratisch legitimierten sozialpolitischen Maßnahmen vorsieht, und aus welcher man auch später nicht mehr so ohne weiteres wieder raus kommt, obwohl man es mehrheitlich möchte.