Ethik der Corporate Governance von Ralf Wintergerst (Bitkom Präsident seit 2023)

Offener Brief an einen Bekannten aus dem Peter Ulrich Umfeld:

Hallo Ulrich,

ich habe mir mal Ethik der Corporate Governance von Ralf Wintergerst (BitKom-Präsident) „durchgelesen“: https://edoc.ub.uni-muenchen.de/29209/1/Wintergerst_Ralf.pdf

Also von hinten nach vorne.

Die ersten 170 von 260 Seiten kann man ignorieren. [Zusatzt zur Blogveröffentlichung: „Denn da gibt es nichts zu beanstanden oder #UMSA kritisch zum hinterfragen] Immerhin sind die Big Five der Psychologie da mit drin. 🙂

Später kommt Homann.

Also für mich steht Homann wie Buchanan für die Legitimierung der Beschränkung demokratischer Umverteilungsmacht und generell der Möglichkeit andern gegen deren Willen was wegzunehmen. Also auf staatliche Umverteilung muss man in der Wirtschaftsethik ja nicht eingehen. Aber ein Mittel von Homann wie von Buchanan besteht darin, schon das Streben nach Moral als unmöglich darzustellen. Das findet sich auch positiv dargestellt bei Wintergerst wieder. Also Handlungsethik als nicht geeignet für kollektive Problemlösung darzustellen. Und Peter Ulrichs universelle Ethik als utopisch darzustellen, da man sich bei so vielen ja eh nicht einig wird. Wie man dann sonst zu einer Rahmenordnung kommen soll, oder was Homann und Buchanan darunter verstehen (halt jeder was eher will versuchen rauszuverhandeln so gut wie möglich) beschreibt Wintergerst nicht. Der geht dann nur darauf ein, dass man sich innerhalb einer Ordnung ethnisch moralisch verhalten sollte. Das passt ja durchaus zu Homann und Buchanan, wer das will soll das dürfen. Also über Homann verliert er kein schlechtes Wort. Stellt nur das positive da. Freie Vertragswahl findet er gut. Und an Anlehnung an das Pareto Optimum, schreibt er das ein Kapitalistischen Vorteilsstreben System erst da unethisch werden würde wo ein Vorteil nur mit einem Nachteil von einem andern erreicht werden kann. Klingt ja erst mal gut, ist halt mehrdeutig. Umverteilung zu einem mit zu wenig von einem mit mehr als genug oder gar überdurchschnittlich viel ist aber nach dieser Definition eben auch schlecht. Und wenn Vertragsfreiheit gut ist, fühlen sich da auch die Homanns wohl.

Immerhin schreibt er: Unternehmen und Führungsethik können aber Grenzlinien bezüglich des Verhaltens im eigenen Einflussbereich setzen und daher die eigenen Maßstäbe in allen
Bereichen des unternehmerischen Handelns um- und durchsetzen.

Und das der Rest Aufgabe der Politik wäre mit Diplomatie und Militär. Umverteilung erwähnt er nicht. 🙂 [Anmerkung für den Blog – war nicht in der Mail – : Da schimmert immerhin mal Deneen durch.]

Also er bleibt schön in der freiwilligen Moral jeder Führungskraft in ihrem Machtbereich. Klingt sehr proprietär. Immerhin könnte man so Deutschlands Ausnutzen von unverdienten Vorteilen im internationalem Standortwettbewerb anmeckern. Aber Wintergerst schreibt halt nur über Unternehmen.

Was er auf der letzten Seite schreibt, finde ich aber tatsächlich gut:

Kant sieht den Zustand des Friedens als sehr fragil an, daher muss dauerhaft an diesem Zustand gewirkt und gearbeitet werden, und dies zuvorderst auf den Wegen einer auf Moral basierenden Politik und einer kontinuierlichen Friedensstiftung. Dies
spiegelt eine gewisse Ähnlichkeit mit den Situationen in dynamischen Märkten und
komplexen Gesellschaften wider, wobei im Kontext dieser Arbeit das Wort „Krieg“
durch Wettbewerb ersetzt werden sollte und der bei Kant erwähnte Frieden im Kontext der Arbeit den sozialen Frieden und die Gerechtigkeit in einer Gesellschlaft darstellt. Nur über dauerhafte Bemühungen und Kooperation, über kleinere und größere
Fortschritte, eben über das dauerhafte „Stiften“ kann ein gemeinsamer Fortschritt
erreicht werden. Dazu ist eine grundlegende Voraussetzung notwendig: Der (dazu
notwendige) Wille, genau diesen Zustand auch zu denken und zu wollen.

Vorher betreibt er aber eben Schönreden von Homann und ist sonst auch sehr mehrdeutig in seiner Ethik. Auch „sozialen Frieden und die Gerechtigkeit“ kann man einfach in „auf den Straßen Ruhe“ und „Gleiches für Gleiche“ übersetzen.

Naja. Wobei bei euch Peter Ulrichs aber wirklich ein Konzept fehlt was man eigentlich bei Uneinigkeit macht. [Zusatz zur Blogveröffentlichung: „Also bei demokratischer Uneinigkeit bzw. fehlender demokratischer Durchsetzungsmöglichkeiten der eigenen Überzeugung von universeller Moral. Die Peter Ulrichs streben zwar, nach meiner Interpretation, nach gesellschaftlichen Konsens. Ihnen reicht aber eine demokratische Mehrheit. Integrative Wirtschaftsethik strebt Regeln nach universell fairen Moralvorstellungen an. Keineswegs wird ein Rahmen als Ziel gesetzt dem alle freiwillig zustimmen müssen, damit er gültig wird, wie Herr Wintergerst das andeutet, angestrebt. Sondern einer dem jeder zustimmen können sollte. Das ist ein wichtiger Unterschied. Homann, vor allem Buchanan, stehen für Feilschen um Regeln die man mit Moral oder ohne gut findet. Sie gehören eben zum „Finger weg von meinem erwirtschaftetem Vermögen“. „Wie erwirtschaftet ist meine Sache“. Das hat Herr Wintergerst aber einfach alles weggelassen. Was den Ulrichianern aber tatsächlich fehlt ist ein Konzept bei fehlender demokratischer Mehrheit. Und bisher das politische Kandidieren.“] Ich bin da für „Zusammen mit denen, mit denen man sich hinreichend bis tolerierbar einig wird“ und den Rest fair, zumindest nachhaltig fair-nötig begrenzen (auch mit Bezug auf die nötige Arbeitskraft) aber auch schauen, dass die ihren fairen Anteil bekommen. All das auch militärisch hinreichend (herbei) gesichert. Aber alles nur wenn man sich nicht tolerierbar demokratisch einigen konnte.

Gruß,
Thomas Hinkelmann
rkslp.org