… und nun ist Frankreich dran. Mit wählen.

Im April wählen ja auch die Franzosen mal wieder ihren Präsidenten, *innen, Präsidentx (bin dafür) neu.

Die meisten Informationen über den aktuell Zustand der französischen Politik habe ich zugegebenermaßen aus Thomas Pikettys Buch „Kapital und Ideologie“.

Und von Wikipedia.

Macron steht ja für eine Politik, die von sich behauptet gerne weniger neoliberal und weniger ProKapitalFreiheit zu sein, wenn der Rest der EU allen vor an Deutschland und auch gleich der Rest der Welt, sie denn lassen würde. Und die auf (konstruktive und destruktive) „Unruhen“ reagiert. Frankreich ist diesbezüglich (konstruktiv) ja noch nicht „Tod“.

Bei Macrons sozialen und ausgleichenden Zielen für Europa und Frankreich ist es wie mit Obamas Zielen für einen ausgeglichenen Welthandel. Solange der Rest, allen voran Deutschland bockt, kamen/kommen sie nicht in der Verlegenheit, zeigen zu müssen, ob sie es den ernst meinten, oder nur (neo-)proprietär Sozialer Politiker – Unsozialer Politiker mitspielten. Also wie bei Good Cop- Bad Cop.

Je nachdem welche Richtung der deutsche Ampel-Express, mit welcher Intensität auch immer, nun aber einschlagen wird, wenn er denn kommt, könnte sich das ändern. Wenn auch weniger wegen den „Fortschreitern der Ampel“, als vielmehr da die Bereitschaft der Bewohner der EU-Staaten, welche vom aktuellen Zwangssystem wirtschaftlicher Freiheit, aber auch weltweit vom freien Monopoly- Standortwettbewerb nicht (hinreichend) profitieren noch länger auf die Ausgleichs-, Priorisierungs und Regulierungsbereitschaft der Gewinnler- Staaten zu warten zu einem Ende kommen wird. Zu offensichtlich und einfach und schnell nachvollziehbar ist mittlerweile, dass sich die Weltwirtschaft seit Ende der 70er wieder auf Hayek/Buchanan- „ZuFreiMussAuchGehen“ Kurs befindet. Und es eher die Frage ist, ob sich zuerst das Kapital vom demokratisch staatlichen Zugriff befreit hat, oder ob wir zuerst unter eine totalitär, mal mehr mal weniger sozialistische Hegemonie rutschen oder ob doch irgendein zu Rechter irgendwo putscht und global aufsteigt, wenn global nicht endlich hinreichend eine APR (Ausgleich, Priorisierung, Regulierung)- Wirtschaftspolitik betrieben wird nach UMSA (universell moralischer Selbstanspruch)- Regeln. Und nach dem Klima muss man natürlich auch schauen, aber eben nicht nur.

Der Markt besteht eben aus den 3 Produktionsfaktoren Arbeit, Boden und Kapital. Und bei allen dreien kann man sich zu unsozial, zu unökologisch, zu wenig Sicherheits- und zu wenig Zukunftsorientiert verhalten (natürlich auch jeweils das Gegenteil zu sehr). Wenn also ein Staat aus dem UMSA- Rahmen fällt muss man hinreichend UMSA-Werte- gebunden darauf reagieren können und dies auch tun.

Und auch die konsequenten und hinreichend informierten UMSA- Bürger in den Gewinnler- Staaten dürften den Laissez faire- Status Quo nicht mehr hinnehmen wollen. Also wenn die eigenen Regierungen nur gewinnlern wollen oder nur unzureichend APRlern wollen anstatt hinreichend.

Fragt sich natürlich wie hoch denen ihr Anteil jeweils ist. Aber das ist eben sowieso die entscheidende Frage auch für die Nutzen- Unionler, also diejenigen, die nur mit denen und in dem Umfang kooperieren die ihnen nutzen und solange sie nutzen. In Demokratien reichen da spätestens so 60%. In Diktaturen weniger aber teurere.

Aber zurück zur Frankreichwahl. Bei Frau Le Pen, zeigt sich mal wieder der alte Grundsatz:
Die zu Rechten dürfen in wichtigen Dingen nicht alleine recht haben. Also die einzigen sein, die eine notwendige Position vertreten und zum handeln, dann aber eben zu rechts, bereit sind.

Im Falle Frankreichs ist das eben der Fall bei der Frage wie lange sie das Zwangssystem der wirtschaftlichen Freiheit inklusive Euro mitmachen wenn nicht hinreichend viele (Gewinnler-) EU-Staaten zumindest soweit aprlern, dass zumindest auch Frankreich für dessen Wähler annehmbar dasteht.

Da sollte Macron und auch die anderen die zu rechts verhindern wollen im Wahlkampf nicht vergessen, dass die nächste deutsche Bundesregierung wohl leider erst aprlert wenn’s hinreichend „unruhig“ wird. Und ohne Deutschlands Einwilligung wird man in der gegenwärtigen EU wohl kaum hinreichend aprlern können.

Also die nicht zu rechten sollten sich zumindest hinreichend offen zeigen für alternative Bündnisse und auch das Recht für sich beanspruchen sich gegen ein zu unkooperatives Deutschland und Co. wirtschaftspolitisch wehren zu können und auch zu wollen. Noch ist Frankreich ja nicht von den Exportweltmeistern komplett gewinnlert worden. Noch sind sie militärisch überlegen. In Deutschland, nicht nur bei den Alt- Deutschen fehlt eben zu sehr die Einsicht und irgendwie auch leider (etwas) zu sehr schon der Wille sich mit Fragen zu beschäftigen wie: Kann ein Standortwettbewerb fair und nachhaltig sein, und wo liegt der Unterschied zum Systemwettbewerb? Und nutzen wir nur (kurzfristig) oder nutzt der aktuelle Zustand überhaupt auch nur nachhaltig zumindest uns selbst? Wobei das mir als UMSAler natürlich nicht reichen würde. Aber nachhaltig nutzen tut der Mehrheit bei uns das Gewinnlern aber nach meiner Meinung eh nicht.

Den einzigen Kandidaten den ich von der Liste (https://de.wikipedia.org/wiki/Präsidentschaftswahl in Frankreich 2022) ansonsten schon vorher „kannte“ ist Jean-Luc Mélenchon.

Der ist ja der Kandidat der Französischen Linken. Im Sozialen gibt es daher viele Übereinstimmungen mit meinen S³IA- Werten. Und weniger aufs Klima achten als die zuvor genannten wird er wohl auch nicht. Und von ihm ist wohl auch eine zumindest nicht minder kritische Haltung gegenüber Deutschlands und dem Rest der Gewinnler- EU zu erwarten, aber ohne dabei wie Le Pen auf zu rechte Positionen zurückzugreifen. Wobei seine Ansichten in der Flüchtlingskrise standen sogar zumindest teilweise weiter rechts als meine. Spannend bei ihm wäre seine Meinung zu einer totalitär sozialistischen mehr oder weniger Hegemonie Chinas zu kennen. Meine Meinung ist ja das man aus allem Werte- und/oder fair Interessen gebunden zur Not rauskommen können muss, auch aus „sozialistischen“ Staaten oder Staatenbündnissen, wenn einem die Sache dann doch nicht mehr als tolerierbar sozial und/oder sicher erscheint. Ich bin aber auch fair Werte gebunden für Interventionen in andere Staaten, wenn es UMSA- mäßig nötig erscheint.

Aber zurück zu Frankreich. Und Herrn Mélenchon. Bei dem ist eben auch die Frage, ob er es nicht übertreibt und ob Frankreich mit ihm international Werte- gebunden, den Umständen entsprechend, gut bestehen kann. Und ob es dann die 6. Republik, oder so, gibt. 🙂 Je nachdem was das aktuelle deutsche Parlament mehrheitlich, 2/3, unter Staatsmodernisierung versteht oder eventuell nach mehreren Evil- Nudging Runden verstehen oder im Detail überhaupt mitbekommen wird, werden wir wohl auch mal bald einen Verfassungskonvent brauchen.

Dann will ich noch einen Blick auf die Kandidatin der Sozialistischen Partei Frankreichs werfen:

Anne Hidalgo, Bürgermeisterin von Paris und gebürtige Spanierin.

Sie macht einen recht sozialen, soliden Eindruck, aber es ist eben die Frage ob sie auch Grundsätzliches angeht und auch notfalls Wertegebunden auf Konfrontationskurs geht. Aber das wird der Wahlkampf zeigen und das müssen eh die französischen Wähler entscheiden.

Über die französischen Republikaner, also die Nachfolger der UMP, kandiert der Ex- Wirtschafts- und Finanzminister Francois Baroin. Der dürfte nach S³ÖIA- Kriterien aber in zu vielen wichtigen Punkten schlechter abschneiden als Macron. Vor allem beim Sozialen. (Nachtrag: Wobei der wohl doch nicht kandidieren wird sondern nur in der Umfrage unten mit drin stand. Genauso wie Faure der „Chef“ der Sozialisten. Also die Republikaner sind noch beim Vorwählen)

Hier noch eine aktuelle Umfrageseite: https://de.polyd.org/FR/49/presidential-election-2022, da fehlt aber Frau Hidalgo.

Also vorläufige Abschlusseinschätzung: Es wird wohl auf eine Entscheidung zwischen Macron und Le Pen hinauslaufen und da mir Frau Le Pen, nach allem was ich über sie gelesen habe immer noch zu weit rechts steht, drücke ich, spätestens in dieser Stichwahl, Macron die Daumen.

Steuer- und Schuldenunion

Ein Thema über das ich bisher noch nicht geschrieben habe ist eine Schuldenunion.

Sollte die EU wie die USA zumindest zu einem späteren Zeitpunkt auch zu einer Schuldenunion werden?

Also gemeinsam Schulden aufnehmen und auch die Bestandsschulden der Mitgliedsstaaten gemeinsam abbezahlen?

Hm.

Machen wir mal eine Pro- und Contra- Liste.

Zuerst mal Contra.

Die staatlichen Schulden sagen ja zunächst mal nichts darüber aus, wie vermögend ein Staat ist.
Zum einen muss man zunächst mal den staatlichen Besitz gegenrechnen. Also die Nettoschulden, wenn den welche übrig bleiben, das dürfte aber in der EU wohl bei allen Staaten der Fall sein, sind erstmal zu ermitteln.

Und dann muss man sehen wie hoch das Privatvermögen relativ zu den Schulden ist. Nicht jeder Staat hat gleich hohe Prozentsätze. Hier muss man zwischen Steuer- und Schuldenstaaten unterscheiden. Also zwischen denjenigen, die ihre Staatsausgaben, primär durch Steuerzahlungen finanziert haben und solchen die lieber ihrem Staat Geld geliehen haben, damit dieser das durch Einnahmen wieder abbezahlen kann.

Und es ist zu unterscheiden, ob ein Staat, vor allem bei seiner eigenen Bevölkerung verschuldet ist, oder im Ausland. Und ob in eigener Währung oder ausländischer. Ob er und sein Staatsvolk verschwenderischer gelebt hat, aktuell lebt und eventuell leben wird als andere. Usw.

Es ist also zunächst mal zu klären, welcher Anteil der Staatsschulden von der eigenen Bevölkerung fairerweise auf jeden Fall weiterhin alleine, und nicht gemeinschaftlich zu tragen, bzw. abzutragen ist.

Außerdem ist zumindest aus reiner Interessen- Sicht zu prüfen, ob man sich bei einer Erweiterung einer Schuldenunion, die auch erstmal nur aus einem selbst bestehen kann, nicht allzu sehr verschlechtert. Eventuell sogar soweit, dass es für einen selbst kritisch wird. Auch das ist wieder eine Frage der Fairness. Und in wieweit man eher Werte- oder Interessen- gebunden vorgehen möchte.

Nun aber zum Pro.

Bei uns in der EU gibt es ja, bekanntlich einen Zwang für die einzelnen Nationalstaaten sich gegenseitig die 4 wirtschaftlichen und individuellen Freiheiten für Waren, Dienstleistungen, Kapital und Personen zu gewähren.
Also genau zwei von drei der klassischen Produktionsfaktoren. Und die Endprodukte. Nur der Boden, also die Standorte nicht. Die können eben nicht wandern. Nur ist es eben wie schon so häufig angemerkt eben die „Aufgabe“ des Marktes, die Produktionsfaktoren, bezogen auf den Preis, bestmöglich zu kombinieren.

Und nun ratet mal zu welchen Standorten, die Leute und das Kapital dann wandern (müssen).

Richtig. Zu denjenigen mit den optimalsten Wirtschaftsbedingungen, die können entweder historisch gewachsen so sein oder von Natur aus. Und diese Standorte sind nun mal eben unterschiedlich verteilt. Und durch Synergieeffekte wird der Sog erstmal immer stärker.

Also Kapital und Personen werden in der Mehrzahl der Fälle ungleich verteilt, wenn man einen gemeinsamen „freien“ Markt erstmals etabliert.

Aber Kapital und Personen zahlen Steuern. Und mit denen werden u.a. Schulden abbezahlt.

Nun werden die Schulden aber im Zielland abbezahlt und nicht im Herkunftsland.

Also zusätzlich zur steigenden sozialen Last für die zuhause gebliebenen kommt dann auch noch eine höhere Prokopfverschuldung daher. Und wenn die Arbeitsplätze wandern haben auch die Arbeitnehmer kaum eine andere Wahl als mitzuwandern.

Also dass es dann fair ist, auch einen Teil der Schulden mit zu übernehmen, sollte wohl allen klar sein.

Es gilt eben, wenn man gemeinsam wirtschaftet muss man hinterher auch fair teilen, sonst kann man nicht gemeinsam wirtschaften. Und das gilt auch für Schulden.

Außerdem wird die Neuverschuldung in Staaten mit abwanderndem Kapital und Personen meist von den Zinsen her teurer, zumindest relativ, da die wirtschaftlichen Voraussetzungen und die Zahlungsfähigkeit dieser Staaten wegen der nun relativ höheren Schulden schlechter werden.

Wenn man das Land verlässt muss man ja Steuern und Sozialabgaben dort zahlen. Zusätzlich zum Konsum der dort stattfindet.

Also man muss schon sehr unfair veranlagt sein oder zu einem Übermaß an Selbsttäuschung neigen, wenn man da nicht zumindest für eine fair anteilige Übernahme von Bestands- und Neuschulden ist. Und sehr optimistisch bezüglich zukünftiger Unruhen. Und nochmal. Diejenigen die kommen werden irgendwann wohl mal die Mehrheit der Wähler in Deutschland stellen. Sollten wir, die alteingesessenen, den nachfolgenden Generationen der Alteingesessenen dann wirklich eine so hohe unmoralische Hypothek mit auf den Weg geben, solange wir noch die Mehrheit haben, alles, auch noch unfair, blockiert zu haben, was das Leben der Zurückgeblieben aus den Herkunftsländern verbessert bis weniger verelendet hätte?

Und der Unterschied zwischen den östlichen und den südlichen EU- Staaten ist, dass die östlichen ihre alte Industrie mehr oder weniger sofort verloren hatten, da die gar nicht konkurrenzfähig war. Da gab es also sehr schnell gar nichts mehr, weit weniger als nötig. Deshalb passte sich dort recht zügig eine neue nationale Wirtschaft auf niedrigem Niveau an den EU- Binnenmarkt und die „freie“ Weltwirtschaft an. Das durchaus spürbar dort vorhandene Elend, vor allem im Südosten, wurde erstmal als „normal“ und unvermeindlich hingenommen. Als ob es Friedrich List und Chris Freeman, und die Lehre der Erziehungszölle, nie gegeben hätte.

Deshalb wirken die aktuell auch auf manche eher wie die Gewinner der EU. Die haben eben einen gewaltigen historischen Rückstand. Deshalb wirken da auch schon geringe Investitionszahlungen sehr viel stärker. Außerdem sind diese Staaten eben unmittelbar abhängig von Hilfszahlungen der EU und auch da braucht es weniger für das gleiche Resultat als wie in Griechenland zum Beispiel.

Das macht den Osten der EU eben zu billigen Verbündeten der Nord- EU Staaten mit ihren Standortvorteilen.

Anstatt das sich zügig eine Süd- Ost EU- Koalition bilden könnte. Im alten Süden findet die Anpassung nach unter eben schleichender statt. Mag sein, dass sich in der EU mal ein neues Zwischen- Gleichgewicht einstellt, dann ist der Süden aber schlechter gestellt als vorher. Und zumindest auf dem Weg dorthin kann es, und kommt es ja schon mehr oder weniger stark zu schlechterer Versorgung und Elend.

Außerdem bewirkt „Schumpeter’s kreative Zerstörung“ ja mit Sicherheit immer mal wieder neue Wanderbewegungen. Eventuell auch mal in eine andere Richtung. Mit neuem Elend wenn zuviel Kapital und Personal abfließt und es keinen hinreichenden fairen Ausgleich gibt.

Aber zurück zur Schuldenunion.

Interessant ist ja auch die Frage was man, über den Staat umverteilen/umsteuern will, Investitionen oder Konsum bzw. Kaufkraft oder Schuldentilgung.

Konsum und Schulden, außer Umschuldung, sollten meiner Ansicht nach über Steuern umverteilt werden. Also die Zuschüsse für die Daheimgebliebenen, bzw. die Ausgleichszahlungen für einen gleichmäßigeren Konsum in der EU sollten unbedingt durch Prozentanteile an Steuern finanziert werden und nicht über Schulden. Denn länger andauernder Schulden- basierter Konsum und Zinstilgung ist nun wirklich der sichere Weg in die Überschuldung. Zur Not kann man, wenn man als gemeinsame Institution nur über die EZB verfügt, und da jemand „Verbündetes“ am Hebel ist, da mit Hilfe von MMT Maßnahmen noch was „monetär“ umverteilen. Aber das ist dann eher ein suboptimaler Workaround. Aber besser als nichts. Eventuell ein berechtigter Grund für den Süden lieber im Euro zu bleiben als sein Glück ohne hinreichend viele Verbündete alleine mit einer eigenen Währung zu versuchen. Aber das sind Abwägungsfragen.

Anders sieht es bei staatlichen Investitionen aus, die sollen ja im Idealfall zukünftig deckende Einnahmen über den Konsum generieren. Dann kann man den Investoren durchaus fairerweise, unter Berücksichtigung der Risikoübernahme, mit Zinsen ihre dem Staat überlassenen Mittel wieder später zurückzahlen. Es soll ja kein Investor bei staatlichen Investitonsprojekten, zumindest relativ, spürbar schlechter gestellt werden als bei privaten. Investitionen sollen ja zukünftigen Konsum ermöglich und Konsum „nur“ kurzfristig „satt machen“.

Also bleibt zum Abschluss festzuhalten, wer gemeinsam wirtschaftet muss fairerweise und meist auch schon im längerfristigem eigenen Interesse auch seine Schulden fair gemeinsam bewirtschaften. Sonst kann man nicht zusammenwirtschaften. Und das können wir uns als Import- abhängiges Land nun wirklich nicht leisten.

Öffentliche Konsultation der EU- Kommission zur Überprüfung der Handels- und Investitionspolitik der EU

Unter der Bezeichnung „A renewed trade policy for a stronger Europe“ hat die EU- Kommission am 16.6.20 eine 3-monatige öffentliche Konsultation gestartet .

Während dieser Zeit konnten und können noch alle EU- Bürger, soziale Organisationen und die Industrie ihre Ansichten dazu mitteilen, wie die zukünftige Handels- und Investitionspolitik der EU, ihrer Meinung nach aussehen sollte. Hierzu sollen sie die 13 Fragen aus diesem Dokument https://trade.ec.europa.eu/doclib/docs/2020/june/tradoc_158779.pdf beantworten.

Meine Antworten darauf sind die folgenden:

Frage 1:

Wie kann die Handelspolitik dazu beitragen, die Widerstandsfähigkeit der EU zu verbessern und ein Modell einer offenen strategischen Autonomie aufzubauen?

Antwort 1:

Der Vorteil eines gemeinsamen Weltmarktes ist es zweifellos, dass sich jeder teilnehmende Staat, jede Staatengemeinschaft oder einfach jeder einzelne Mensch auf die Leistungserbringung konzentrieren kann, die ihm am besten liegt, für die er oder sie die besten natürlichen Voraussetzungen hat.
Dies führt aber, wenn man das Maß dieser verteilten Produktion einfach komplett den Kräften des Marktes überlässt, dazu, dass zumindest kurz bis mittelfristig neue Abhängigkeiten entstehen können und praktisch immer auch entstehen. Und zwar nicht nur solche die sowieso schon bestanden hatten, z. B. da man über einige Rohstoffe gar nicht in hinreichendem Maße auch zuvor schon verfügt hatte, oder da man gar nicht genügend produktive Standorte im Landesinnern verfügbar hatte oder einfach keine solch umfangreiche Menge an Arbeitskräften.
Sondern zu neuen, prinzipiell vermeidbaren zumindest temporären Abhängigkeiten, z. B. da die eigene Arbeiterschaft nicht mehr über die nötigen Fähigkeiten und das nötige Wissen verfügt, oder die verfügbaren Standorte mittlerweile anderweitig in Verwendung sind, und vor allem die nötigen Produktionsstätten inländisch nicht mehr vorhanden sind.
Vor allem einseitige Abhängigkeiten verschlechtern immer die Verhandlungsposition für die Zukunft. Und man ist von den zukünftigen Fähigkeiten anderer abhängig.

Vor allem in Versorgungs- kritischen Bereichen der wirtschaftlichen Wertschöpfung sollte man daher darauf achten entweder Reserven von Gütern oder gleich hinreichend zügig eigene skalierbare Produktionskapazitäten verfügbar zu haben.
Ebenso sollte man darauf achten, dass man sich von niemanden unnötig zu sehr einseitig abhängig macht.

Frage 2:

Welche Initiativen sollte die EU – allein oder mit anderen Handelspartnern – ergreifen, um
Unternehmen, einschließlich KMUs, dabei zu unterstützen, Risiken zu bewerten sowie Lieferketten zu festigen und zu diversifizieren?

Antwort 2:

Auch hier sind gemeinsame Reserven an Gütern und hinreichend schnell skalierbare Produktionskapazitäten und zusätzlich spontane Unterstützung anzuraten und nötig. Ebenso senkt es Abhängigkeiten wenn man nie nur von einem oder einigen Anbietern abhängig ist und im Zweifelsfall Verbündete hat. Hier sollte die EU durch Regulierungsmaßnahmen entsprechende Mindestvorräte und hinreichende Diversifizierung verpflichtend festsetzen, damit in diesem Bereich kein Race- To The Bottom stattfindet und dann später die Allgemeinheit, hauptsächlich durch Einkommens- und Konsumsteuer und/oder durch anschließende Austeritätspolitik, rettend einspringen muss, wenn durch den nächsten externen Schock, sich wieder einmal gezeigt hat, dass zu billig angeboten wurde, da diese Externalitätskosten preislich durch den zu wenig regulierten freien Markt nicht an die Nachfrageseite weiter gegeben werden mussten und auch konnten.

Frage 3:

Wie sollte der multilaterale Handelsrahmen (WTO) gestärkt werden, um Stabilität zu gewährleisten
Vorhersehbarkeit und ein regelbasiertes Umfeld für fairen und nachhaltigen Handel und Investitionen?

Antwort 3:

Am wichtigsten ist es zunächst mal, dass man versteht, dass es die Aufgabe des Marktes ist, die funktional bestmögliche Kombination von den Produktionsfaktoren zu finden und zwar zu einem bestimmten Zeitpunkt für die Kunden. Nicht mehr und nicht weniger. Ohne Vorgaben entweder durch die einzelnen Kunden oder durch gemeinsame nationale oder supranationale Institutionen nimmt der Markt dabei auf nichts Rücksicht, nicht die Umwelt, nicht die Menschen, nicht die Sicherheit nicht mal auf sich selbst.
Und da man von einzelnen Kunden oder sonstigen Marktentscheidern kaum erwarten kann über alle Informationen jederzeit zu verfügen und diese in jede einzelne Entscheidung einfließen können zu lassen, muss man vor allem Regeln festlegen, welche entweder gemeinsame Institutionen schaffen, die demokratisch legitimiert über genügend Macht verfügen um solche Vorgaben durchzusetzen. Oder man lässt oder gibt den einzelnen staatlichen oder suprastaatlichen Institutionen, welche bereits existieren, genug Macht um solche Vorgaben zu erzwingen.
Dann muss man eben sehen inwieweit man sich dafür auf gemeinsame Regeln einigen kann, welche Handlungsfreiheiten die Staaten haben, oder ob man zu einem gemeinsamen Welthandel „mehrerer Geschwindigkeiten“ wechseln muss. Sehr wichtig ist es auch sich klar zu werden, dass die Konzentrationskraft des Marktes, auch bei unterschiedlichen Währungen, zu groß ist, als dass man ohne Umverteilung auskommen könnte. Ansonsten hat man entweder den nächsten großen Krieg zu verantworten oder man macht sich schuldig Menschen und Staaten mit schlechteren Bedingungen unnötig im Stich gelassen zu haben.
Freihandel ohne Ausgleich ist auch nicht fair, da nicht jeder die gleichen Möglichkeiten hat. Diese Diskussion gab es schon zu Zeiten des Manchesterliberalismus, nur diesmal mit teilweise vertauschten Rollen. Und zwischen damals und heute liegen zwei Weltkriege mit Millionen Toten und jeder Menge Kriegsverbrechen. Daraus sollte man eigentlich gelernt haben, dass es ohne hinreichende Kooperation für das gemeinsame Wohl nicht gehen kann.

Frage 4:

Wie können wir unser breites Netzwerk bestehender oder neuer Freihandelsabkommen nutzen, um den Marktzugang für EU-Exporteure und -Investoren zu verbessern und zur Förderung der internationalen regulatorischen Zusammenarbeit – insbesondere in Bezug auf digitale und grüne Technologien und Standards – beitragen, um deren Potenzial zu maximieren?

Antwort 4:

Zunächst mal indem man statt Freihandelsverträge, Handelsverträge zum gemeinsamen Wohl abschließt. Selbst die Konzepte zum ursprünglichen „Neoliberalismus“ wurden mit dem Ziel entwickelt, den Liberalismus zumindest ausreichend sozial und stabil zu gestalten, nachdem man damals gemerkt hatte, dass reiner Freihandel zu unsozial und instabil ist, um für sich alleine bestand haben zu können. Erst durch Herrn Hayek, Ayn Rand (https://de.wikipedia.org/wiki/Ayn_Rand) und dem „deutschen Hang zum Handelsüberschuss“ wurde dies wieder aus der öffentlichen Meinung getilgt. Gemeinsame Märkte brauchen eben einen Ausgleich, wirtschaftlicher oder finanzieller Art, eine Priorisierung der Wirtschaftstätigkeit hin zur gemeinsamen Grundbedarfssicherung und hinreiche Regulation, sozialer, ökologischer oder sicherheitsbezogener Art. Und diese Regulation muss dann natürlich in hinreichendem Umfang für alle gelten, damit nicht diejenigen die aus globaler Sicht zumindest ausreichend ökologisch, sozial und sicherheitsbewusst nachhaltig handeln am Ende nicht den Kürzeren ziehen. Wer da nicht hinreichend mitmacht gegen den muss man sich wehren können.

Frage 5:

Mit welchen Partnern und Regionen sollte die EU ihr Engagement priorisieren? Genauer gefragt,
wie können wir unsere Handels- und Investitionsbeziehungen zu den Nachbarländern und
Afrika zum gegenseitigen Nutzen stärken?

Antwort 5:

Prinzipiell sollte man einen nachhaltigen, solidarischen und fairen Handel in hinreichendem, aber nicht zu großem Umfang, mit allen Staaten und sonstigen Partnern anstreben. Zumindest das Wohl der eigenen direkten Nachbarn sollte man aber natürlich schon aus reinem Eigennutz- Interesse mit anstreben, und sei es nur damit es „auf den Straßen ruhig bleibt“. Wenn man die weltweiten Ressourcen nachhaltig optimal Bedarfs- priorisiert nutzen würde und ein Ausgleichssystem schaffen würde, dass jedem eine hinreichende Kaufkraft garantiert müsste wohl recht schnell keiner mehr Mangel leiden. In diesem Zusammenhang ist auch eine kooperative global- Nachfrage- orientierte Wirtschaftspolitik anzuraten. Denn wenn jede Regierung nur die Optimierung der eigenen Angebotskapazitäten im Sinn hat, und es dafür auch noch für sinnvoll halten die nationale Nachfrage möglichst klein zu halten, ist das für die gesamte globale Nachfrage nicht gerade förderlich, um es mal vorsichtig zu formulieren. Ebenfalls konkurrieren so die Staaten nur destruktiv miteinander indem es zu Race- To- The- Bottom Effekten kommt, welche die weltweite Ungleichveteilung nur verstärken.

Frage 6:

Wie kann die Handelspolitik die erneuerte europäische Industriepolitik unterstützen?

Antwort 6:

Die Wirtschaft und das Kapital sollte den Menschen dienen. Also auch die Industrie. Zunächst mal den eigenen Bürgern aber auch dazu seinen fairen, solidarischen, sicherheitsbewussten und nachhaltigen Beitrag zum weltweiten Gemeinwohl zu leisten. Die Handelspolitik sollte sicher stellen, dass wir zumindest eine hinreichende Anzahl von Handelspartnern haben, die dies auch so sieht oder dieses Ziel zumindest toleriert. Vor allen anderen sollte sie uns hinreichend schützen.

Frage 7:

Was kann noch getan werden, um KMUs dabei zu helfen, von den Möglichkeiten des internationalen Handels und Investitionen zu profitieren?
Wo haben sie spezifische Bedürfnisse oder besondere Herausforderungen, die
durch Handels- und Investitionspolitische Maßnahmen und Unterstützungen angegangen werden könnten?

Antwort 7:

Sicherstellen, dass die „KMUs der EU“ internationaler Konkurrenz soweit wie möglich nur insoweit ausgesetzt sind, also wie dadurch unsere Werte- und Vernunfts- orientierten öffentlichen Regulierungen ihnen keinen ernsthaften und unfairen Nachteil einbringen.
Es kann auch helfen in Kooperation mit nicht EU- Staaten die globale Nachfrage zu stärken und stabil zu halten.
Ansonsten gilt für KMUs das gleiche wie für den Rest der Wirtschaft. Sie müssen für die Menschen da sein und nicht umgekehrt, dabei aber die KMUs- Eigentümer natürlich fair behandeln. Zur Erfüllung dieses Ziels muss die Politik allerdings notfalls steuernd zur Erreichung oder Wahrung des Außenhandelsgleichgewichtes, auf mindestens Wert- gebunden hinreichendem aber nicht zu hohem Niveau, eingreifen.

Frage 8:

Wie kann die Handelspolitik den Übergang zu einer grüneren, gerechteren und verantwortungsbewussteren Wirtschaft im In- und Ausland erleichtern? Wie kann die Handelspolitik die Erreichung der UN- Nachhaltigkeitsziele (SDGs) nachhaltig fördern?
Wie sollten die Umsetzung und die Durchsetzung diese Ziele unterstützen?

Antwort 8:

Diese Frage wurde in Antwort 3 schon mit beantwortet.

Frage 9:

Wie kann die Handelspolitik dazu beitragen, ein verantwortungsbewussteres Geschäftsverhalten zu fördern? Welche Rolle sollte die Handelspolitik zur Förderung transparenter, verantwortungsbewusster und nachhaltiger Lieferketten beitragen?

Antwort 9:

Durch Werte- gebundene angemessene öffentliche Regulierung, auch des Außenhandels, und eventuell durch Steuervorteile für Unternehmen die nachweisen können, dass sie sich entsprechend verhalten. Es muss jedem klar gemacht werden, dass man hierfür nicht auf die „Selbstregulierungskräfte“ der Märkte vertrauen darf. Und auch gar nicht kann, denn der Markt kann nur mehr oder weniger optimal Produktionsfaktoren kombinieren, bezogen auf den Preis. Alle Standards die für alle gelten sollen, kann nur eine öffentliche Institution durchsetzen.

Frage 10:

Wie können digitale Handelsregeln EU-Unternehmen, einschließlich KMUs, zugute kommen? Wie könnte der digitale Übergang innerhalb der EU, aber auch bei Handelspartnern aus Entwicklungsländern durch die Handelspolitik unterstützt werden, insbesondere wenn es um digitale Schlüsseltechnologien und wichtige Entwicklungen (z. B. Blockchain, künstliche Intelligenz, Big Data Flows) geht?

Antwort 10:

Die (Handels-) politik sollte sich z. B. für Sicherheitsstandards, die Einhaltung von Arbeitsschutzstandards, wie die Arbeitszeiten, und dafür dass im Bereich der Digitalisierung und Automatisierung keine kritischen Abhängigkeiten, vor allem mit Akteuren außerhalb des politischen Machtbereichs der EU und/oder ihrer Mitgliedstaaten entstehen, einsetzen. Aber auch dafür, dass durch die Digitalisierung keine Schocks für den Arbeitsmarkt entstehen. Vor allem nicht auf Kosten des Gemeinwohls, also jedes oder einzelner Bürger. Auch nicht in Nicht- EU Staaten.

Frage 11:

Was sind die größten Hindernisse und Chancen für europäische Unternehmen, die in Drittländern im digitalen Handel tätig sind, oder für Verbraucher, die im elektronischen Handel einkaufen? Wie wichtig sind die internationalen Datenübertragungen für die Geschäftstätigkeit der EU?

Antwort 11:

Die größte Gefahr ist, dass europäische Unternehmen, sowohl in als auch außerhalb der EU mit Staaten konkurrieren müssen, die eventuell nicht in hinreichendem Maße gleichwertigen Werte- und Vernunfts- gebundenen öffentlichen regulativen Standards unterworfen sind wie sie selbst und dadurch einen zu großem Nachteil haben. Und für die Verbraucher ergeben sich dadurch unmittelbare und mittelbare Gefahren und Kosten. Zum Beispiel wenn später staatlich wieder ausgebügelt werden muss, was zuvor regulativ versäumt wurde und daher im Angebotspreis der Unternehmen nicht enthalten war.

Frage 12:

Wie sollte die EU neben bestehenden Instrumenten wie der Handelsverteidigung gegen erzwungene, verzerrende und unfaire Handelspraktiken von Drittländern vorgehen? Sollten bestehende Instrumente weiter verbessert oder zusätzliche Instrumente in Betracht gezogen werden?

Antwort 12:

Ein gemeinsamer Markt kann nur nachhaltig sozial und stabil sein, wenn alle Teilnehmer ihren hinreichenden und angemessenen sozialen, ökologischen und sicherheitsbezogenen Beitrag leisten.
Gegen Staaten oder nicht-staatliche Akteure, die dies nicht tun, muss man sich schützen können.
Sei es durch Zölle, Handelsbeschränkungen oder durch regulative Mindeststandards. Schon die WTO- Verträge sind da, zurückhaltend formuliert, nicht gerade hilfreich, da sie den freien Markt ideologisch- oder Interessens- bedingt glorifizieren. Die EU wäre also nicht nur aus ethischer Sicht gut beraten, wenn sie sich vom Dogma „Freihandelsverträge sind gut für alle“ verabschiedet und stattdessen endlich „Gemeinwohl- orientierte“ Handelsverträge anstrebt und auch verabschiedet.

Frage 13:

Welche anderen wichtigen Themen, die in den obigen Fragen nicht behandelt werden, sollte die Überprüfung der Handelspolitik behandeln?

Antwort 13:

Auch an dieser Stelle möchte ich zum Abschluss nochmals betonen, dass die EU, ihre Mitgliedsstaaten und am besten auch der Rest der Welt sich endlich vom Dogma „Freihandelsverträge sind gut für alle“ verabschieden sollen und Werte- und Vernunfts- gebunden auch müssen, denn, man kann es gar nicht oft genug wiederholen:

„Ein gemeinsamer Markt, national oder transnational, braucht einen Ausgleich, wirtschaftlicher oder finanzieller Art, eine Priorisierung der Wirtschaftstätigkeit hin zur allgemeinen
Grundbedarfssicherung und hinreichende staatliche Regulierung für soziale, ökologische oder
sicherheitsrelevante Zwecke.
Ein Ausgleich ist wichtig, da die wirtschaftliche Konzentrationskraft des Marktes hin zu Standorten
mit optimalen Produktionsbedingungen einfach zu groß ist, um die unkorrigierte
Marktentscheidung einfach komplett akzeptieren oder tolerieren zu können.
Das ergibt sich ja schon aus der Hauptaufgabe des Marktes, durch einen fairen Wettbewerb der
Ideen, die optimale Kombination der Produktionsfaktoren Arbeit, Boden und Kapital zu finden. Zur
Erfüllung der Kundenwünsche.“

Oskar Lafontaines und Heiner Flassbecks wirtschaftspolitische Konzepte im Vorfeld der Bundestagswahl 1998

Ich hatte mal etwas nachgeforscht mit welchen wirtschaftspolitischen Konzepten die SPD unter ihrem damaligen Vorsitzendem Oskar Lafontaine und seinem damaligen ökonomischen Chefberater Heiner Flassbeck eigentlich in der Wahlkampf für die Bundestagswahl 1998 gegangen war.

Dabei bin ich auf einen Kommentar von Herrn Lafontaine vom 27.6.1997 in der FAZ gestoßen, in welchem er genau auf diese Frage recht ausführlich und deutlich eingegangen war:

Titel: Wie werden aus Ersparnissen Investitionen? (fazarchiv.faz.net – kostet 1 €)

Der Untertitel ist „Aufgaben einer modernen Wirtschaftspolitik“.

Zu Beginn regt er sich darüber auf, dass die damalige Bundesregierung den französischen Vorschlag für „die Aufnahme eines Beschäftigungskapitels in den Vertrag von Maastricht“ mit der Begründung abgelehnt hatte, das dieser Vorschlag „unmodern“ sei. Dann schreibt er, dass die damalige Regierung komplett gegen staatliche Beschäftigungsprogramme gewesen sei. Vielmehr sei diese der Meinung gewesen, dass nur „staatliches Sparen, Abbau von Regulierung und die Flexibilisierung der gesamten Gesellschaft … das Gebot der Stunde [seien], weil nur der Rückzug des Staates die Kräfte freisetze, die in der globalisierten Welt dauerhaft für Beschäftigung sorgen können“. Und dass die damalige Regierung „internationale Koordination“ ablehnen würde, da diese ein „Einfallstor für Protektionismus, als Rückschritt im Kampf der Nationen um den besten Standort für den auf dem globalen Markt agierenden Unternehmer“ sei.

Klingt nach gewollter Hyperglobalisierung, inklusive aller negativer Folgen.

Dann schreibt er, dass die Währungsunion ein „Konzept der wirtschaftspolitischen Abstimmung unabhängiger Staaten“ sei und dieses Konzept eigentlich nicht „zur wirtschaftspolitischen Ideologie der von [Helmut Kohl] geführten Bundesregierung, nämlich des Wettkampfs der Nationen“ passen würde. Und er schreibt, dass sie die Währungsunion auch nicht zu den „neoliberalen Kreisen“ passen würde, da diese den „Wettbewerb der Währungen als die Krönung des Wettbewerbs der Nationen“ auffassen würden.

Dann schreibt er, dass diese „neoliberale Politik“ eigentlich, wegen der damaligen „Rekordarbeitslosigkeit“ als „gescheitert“ gelten „müsse“, durch den Druck der Hyperglobalisierung aber als „Alternativlos“ in der Bevölkerung angesehen würde.

Dann stellt er die Frage: „Auf welche Weise aber schafft all dies [die Kohl’sche Politik] mehr Arbeitsplätze?“

Und stellt fest: „Durch die Verbesserung unserer Position im internationalen Wettbewerb, ist die stereotype und – wenn man es genau betrachtet – auf den ersten Blick einzig sinnvolle Antwort. Wie aber bauen die übrigen Länder Europas ihre hohe Arbeitslosigkeit ab? Nach dem gleichen Rezept?“

Man könne seine eigenen Probleme, wie Massenarbeitslosigkeit, im „Wettbewerb der Nationen“, welchem er ein kooperatives Modell gegenüberstellt, also nur auf Kosten der anderen, welche „im internationalen Wettbewerb verlieren“ zu lösen versuchen. Diese anderen würde dann aber, wenn z. B. die ganze EU diese Taktik versuchen würde, einfach ihre Währung „abwerten“ und die EU würde dann so dastehen wie Japan in den Neunzigern, nämlich „am Rande einer Katastrophe“.

Nach einer kurzen Darstellung der wirtschaftlichen Entwicklung der USA und der EU in den letzten Jahren und den seiner Meinung nach wichtigsten wirtschaftspolitischen Entscheidungen geht er dann auf die „neoliberale“ Strategie ein, durch Senken der Arbeitskosten, z. B. Löhne und Lohnnebenkosten für mehr Beschäftigung zu sorgen. Das könnte für ihn aber höchstens dadurch einen positiven Effekt haben, dass die Arbeitnehmer dann prozentual weniger sparen würden, um ihren Lebenstandard nicht zu verringern. Das kann aber kaum im Interesse der Arbeiter und Angestellten sein.

Dann stellt er fest, dass „Deutschland aber unter dem Deckmantel der Standortverbesserung mit einer realen Abwertung der Mark Arbeitslosigkeit zu exportieren“ versucht. Damit würde die „Regierung Kohl“ eine „Wirtschafts- und Finanzpolitik“ in „Form des Merkantilismus“ betreiben. Also versuchen sich durch den Außenhandel auf Kosten anderer einen Vorteil zu verschaffen,

Zum Schluss schreibt er noch, dass Deutschland in Bezug auf die EU und die Währungsunion „kein Zeugnis seiner Reife ab[legt, wenn es versucht] auf Kosten der anderen seine Probleme zu lösen.“

Fazit:

Da hatte Herr Lafontaine, zugegebener Maßen, dann das zu verhindern versucht, was, nach meiner Meinung, dann ohne ihn tatsächlich eingetreten ist.

Also ich bin auch, wie Heiner Flassbeck und einige andere, der Auffassung, dass Deutschland seinen Haushalt, seine Schulden und das Problem seiner Arbeitslosigkeit, durch den Außenbeitrag, also in auch noch unnötig umfangreichem Maße, „auf Kosten“ seiner, vor allem südlichen und süd-westlichen „Nachbarn“ gelöst hat. Bewusst oder unbewusst. Dies wurde vor allem durch die gemeinsame Währungsunion in Verbindung mit dem Zwangssystem wirtschaftlicher Freiheit des EU- Binnenmarktes ermöglichst. Allerdings hat sich Deutschland diese kurzfristige „neo-merkantilistische“ Lösung seiner Probleme u.a. mit starken Lohneinbußen einiger Teile seiner Bevölkerung erkauft.
In der aktuellen Corona- Krise zeigt sich Deutschland zwar finanziell „solidarisch“, eine wirkliche nachhaltige Lösung der Herausforderungen Deutschlands, Europas und der Welt lässt sich aber nur in hinreichender Kooperation mit den anderen Nationen erreichen, nicht im „Wettstreit der Nationen“. Dafür brauchen wir wieder, zumindest so wie zu Zeiten von Oskar Lafontaine als SPD- Vorsitzendem, eine Ideologie freie und tabulose Diskussion über den aktuellen wirtschaftspolitischen Status Quo, national und international.
Und auch keine Freimarkt- Ideologische Politik, die davon ausgeht, dass man überall nur international den freien Markt etablieren müsste, und sich dann automatisch für alle Wohlstand oder gar nur „Genug zum Leben“ einstellen würde. Denn die wirtschaftliche Konzentrationskraft des Marktes ist einfach zu groß, und die natürlichen Standortbedingungen zu unterschiedlich, als dass man ohne einen Ausgleich, wirtschaftlicher und/oder finanzieller Art, eine Priorisierung der Wirtschaftstätigkeit hin zur allgemeinen Grundbedarfsdeckung und hinreichende Regulierung, sozialer, ökologischer und sicherheitsbezogener Art, auskommen oder zu einem hinreichend fairen Handel kommen könnte.

Das wichtige ist, dass man international hinreichend Werte- gebunden kooperiert.

Freimarkt ohne diese Kooperation, ist nur ein „nicht selten tödlicher Wettstreit zwischen den Nationen“ und keineswegs besser als „Merkantilismus“. Das war wohl auch Herrn Lafontaine damals noch nicht so bewusst als er schrieb „Die Wirtschafts- und Finanzpolitik der Regierung Kohl ist antiquiert. Es handelt sich nämlich um eine Form des Merkantilismus, die schon vor mehr als 250 Jahren durch die Idee des Freihandels überwunden wurde.“

Aber das ist ja schon über 20 Jahre her. Neo- Merkantilismus beschreibt eben gerade die Strategie sich durch die Forderung zum oder den Zwang zum Freihandel/Freimarkt auf Kosten anderer, zum Beispiel durch Überschüsse, welche nicht dem Schuldendienstleisten dienen, zu bereichern.

Nur ein hinreichend kooperativer internationaler Handel kann dem Wohl jedes einzelnen dienen.

Vor denjenigen, die das auch heute noch nicht begriffen haben, oder bewusst ablehnen, muss man sich, früh genug, hinreichend schützen und wappnen.

EU-Binnenmarkt ohne Ausgleich, Priorisierung und gemeinsamer sozialer, ökologischer und sicherheitsbezogener Regulierung?

Dass ein gemeinsamer Markt, wie der EU- Binnenmarkt, wohl nicht nur nach meiner Meinung, einen hinreichenden Ausgleich, wirtschaftlicher und finanzieller Art, eine hinreichende Priorisierung der Wirtschaftstätigkeit hin zur allgemeinen Grundbedarfsdeckung und hinreichende staatliche oder Staaten- gemeinschaftliche Regulierung braucht, da die wirtschaftliche Konzentrationskraft des Marktes hin zu Standorten mit besseren Produktionsbedingungen einfach zu groß ist, habe ich ja schon mehrfach geschrieben und auch begründet.

Zumindest Herr Martin Höpner vom Max-Planck-Institut für Gesellschaftsforschung hatte in einem Artikel bei Makroskop https://makroskop.eu/2019/12/eine-strategie-fuer-das-soziale-europa/ (nur für Abonnenten) auch zumindest mal ein konkretes Projekt zur Realisierung eines gemeinsamen EU- Rechtsrahmens für soziale Grundsicherungssysteme gefordert. Zunächst soll damit nur existenzbedrohende Armut verhindert werden. Er schlägt 40% des Median im jeweiligen EU- Staat vor.
Das würde erst mal das schlimmste verhindern und wäre politisch leichter durchsetzbar und würde keine Änderung der EU- Verträge (zwingend) nötig machen. Man könnte für solch ein Projekt teilweise auch schon auf bestehende Forschungsarbeit zurückgreifen (Kingreen: https://www.bmas.de/SharedDocs/Downloads/DE/PDF-Publikationen/Forschungsberichte/fb491-eu-rechtsrahmen-soziale-grundsicherungssysteme.pdf?__blob=publicationFile&v=2 , Benz: https://www.dgb.de/themen/++co++bf617a3e-611b-11e9-8ad5-52540088cada) und müsste nicht bei Null anfangen. Laut den Ergebnissen von Herrn Prof. Vandenbroucke (Seite 303: https://www.palgrave.com/de/book/9780230348134#aboutAuthors), sollten die zwischenstaatlichen finanziellen Transfers auch beherrschbar bleiben. Und eine gewisse Bereitschaft in der Bevölkerung wäre laut dieser Studie (http://www.euvisions.eu/crafting-the-european-social-union-ferrera/) auch vorhanden. 

2 Jahre zuvor hatte sich Herr Fritz W. Scharpf, ebenfalls vom Max-Planck-Institut für Gesellschaftsforschung hier https://pure.mpg.de/rest/items/item_2467937/component/file_2479324/content auch schon mit dem EU- Binnenmarkt und vor allem dem gemeinsamen Währungsraum auseinandergesetzt.
Er schrieb um eine dauerhafte reine „Transferunion“ zu verhindern sollte man die Währungsunion zweistufig gestalten, eine Stufe mit gemeinsamer Währung und eine mit getrennten Währungen aber festen Wechselkursanpassungen, die bei Bedarf auch angepasst werden könnten. Bretton Woods lässt Grüßen. Das würde zusammen mit dem Druck Überschüsse wieder im Herkunftsstaaten- Block ausgeben oder reinvestieren zu müssen, die Möglichkeit bieten durch kluge Politik einen primären Ausgleich der Wirtschaftskraft erzielen zu können. Damit wären dann wohl finanzieller Transfers nicht mehr in allzu großem Umfang nötig.
Also nach der von mir beschriebenen Logik ist er für einen Ausgleich, wirtschaftlicher Art.
Wenn der sich in der von Herrn Scharpf beschrieben Konstellation einstellen würde, was durchaus nicht ganz unwahrscheinlich scheint, wäre solch ein primärer Ausgleich tatsächlich vorzuziehen. Denn wenn die ganze Wirtschaftskraft sich erst mal in einigen wenigen Staaten konzentriert hat, ist deren „Verhandlungsposition“ für Interessen- geleitete „Kompromisse“ im alltäglichen politischen Geschäft bis hin zu Entscheidungen mit der Tragweite von Verfassungsänderungen, so komfortabel, dass sie den Staaten, bei denen die Wirtschaftskraft abgenommen hat, mehr oder weniger die Bedingungen diktieren können. Zumindest wenn diese letztgenannten Staaten auch noch in eine zumindest kurzfristige Abhängigkeit gerutscht sind, und sich noch nicht in genügend mächtige Interessensgemeinschaften mit anderen Staaten in der gleichen Situation, zusammengefunden haben.

Was mir bei dem Aufsatz von Herrn Scharpf etwas weniger gut gefällt, ist seine Aussage, dass die Transferunion sowieso, quasi von selbst, kommen würde. Diese Behauptung wurde noch bis vor einigen Jahren recht inflationär gebraucht, vor allem von denen die sie nicht wollten. Ein Schelm wer, bei denen, böses dabei denkt. 🙂 Und nun heißt es, vor allem in einigen Parteien, nur noch, eine Transferunion, auch nicht vorübergehend bis zum machbaren primären Ausgleich, möchten die Wähler in Deutschland eh nicht, dann würden alle nur die AfD wählen. Das hätte man sich dann auch vorher schon überlegen können und nicht ständig schreiben, dass die Transferunion eh kommen würde.

Und er schrieb recht häufig, dass Deutschland mehr oder weniger sowieso nicht genügend gegen den Überschuss tun könnte. Löhne anheben würde nichts bringen, da die Arbeit sonst nach Osten gehen würde. Und einige anderen Möglichkeiten wären mit unseren Gesetzen nicht vereinbar.
Ebenso könnte es sich Deutschland aufgrund seiner Vergangenheit nicht leisten aus dem Euro oder gar aus dem EU- Binnenmarkt raus zu gehen.
Das sehe ich anders, vielmehr kann es sich Deutschland vor allem ethisch aber wohl auch aus purem längerfristigem Eigeninteresse nicht leisten untätig in einem, wohl nicht nur meiner Meinung nach, auch noch instabilen System zu bleiben, in dem einige wenige, inklusive Deutschland selbst, zumindest kurz- bis mittelfristig zu den Profiteuren gehören durchaus unfair auf Kosten anderer.
Und auch wenn eine rein finanzielle Ausgleichs- oder von mir aus Transferunion, solange sie zur Deckung des gemeinsamen Gesamtgrundimportbedarfs durch gemeinsame optimale Exportanstrengung nicht zwingend nötig ist, mit Sicherheit keine anstrebsame Dauerlösung sein kann, ist es dennoch offensichtlich, dass sie als sofortige Unterstützungsmaßnahme, für die von der reinen unkorrigierten Markt- gesteuerten Verteilung zu sehr benachteiligten Staaten zumindest Werte- gebunden, aber wohl auch schon einfach dafür, damit es auf den Straßen ruhig bleibt, unabdingbar ist.

Aber zurück zur Gegenwart.

Gibt es von Seiten der deutschen Regierung, zu Beginn ihrer EU- Ratspräsidentschaft ein klares Bekenntnis dazu das ein gemeinsamer Markt, wie der EU- Binnenmarkt, einen Ausgleich, Priorisierung und hinreichende Regulierung braucht?

Nein.

Allenfalls noch die Erkenntnis, dass auch Deutschland einen funktionierenden EU- Binnenmarkt braucht, ohne zu beschreiben wie der auszusehen hat, oder der Nennung, wen man mit der Gewinnung dieser Erkenntnis beauftragt hat und dass man durch die aktuelle, Corona- Pandemie bedingte, Krise gemeinsam durch muss ist da zu lesen (https://www.bundeskanzlerin.de/bkin-de/aktuelles/rede-von-bundeskanzlerin-merkel-zur-deutschen-eu-ratspraesidentschaft-2020-vor-dem-europaeischen-parlament-am-8-juli-2020-in-bruessel-1767368) und zu hören. Von der Forderung einer Tabu- losen Diskussion über den Status Quo in der EU, wie Macron sie mal gefordert hatte, und über die Frage wie es weitergehen kann und soll, hoffentlich Werte- gebunden, findet sich da nichts. Immerhin wird die „Aristotelische“ Originalposition, also dass man die Welt auch mal mit den Augen des anderen sehen soll, bemüht. Wenn man das, wenigstens einmal machen würde und dabei auch noch zu Ende denkt und die Scheuklappen ablegt, könnten wir vielleicht tatsächlich mal noch zu einer zumindest genügend sozial, sicher und standhaft – im Sinne von international bestehen können -; je nach innen und außen; EU- internen aber auch weltweiten Ordnung kommen.

Aber bisher schafft es ja weder die SPD noch die Grünen, von den Unionsparteien und der FDP ist man sowas mittlerweile ja gewohnt, von denen erwarte ich da gar nicht mehr erst eine zumindest Werte- gebunden hinreichende Vorreiterrolle mehr, bei der Forderung von staatlicher Mindestabsicherung für jeden Bürger innerhalb „ihres“ EU- Einzelstaates auch gleichzeitig die Forderung nach einem gemeinsamen Ausgleich der hierfür nötigen Finanzierung zu stellen, zumindest solange diese einigermaßen „tragbar“ bleibt.
Sowohl die Vize- Fraktionsvorsitzende der Grünen im Europaparlament, hatte sich in einem Webinar diesbezüglich auf eine Formulierung ohne die Forderung solch einer gemeinsamen finanziellen Absicherung festgelegt als auch die Parteivorsitzenden der SPD bei einem Schreiben an ihre Mitglieder zu Beginn der deutschen Ratspräsidentschaft.

Das halte ich für zu wenig. Zumindest als Projektversuch muss man das doch schnellstmöglich mal zu Ende planen und auch nach Möglichkeit schon mal, mit der gebotenen Vorsicht, starten.

Deshalb habe ich in meinem aktuellen SPD Bezirk, in der Partei bin ich seit 1,5 Jahren, einen entsprechenden Antrag mit solch einer Forderung für den Bezirksparteitag vorbereitet und an den dortigen Europaausschuss, in dem bin ich auch, weitergeleitet. Mal sehen was draus wird.

Immerhin die Partei „Die Linke“ fordert dies soweit ich weiß auch. Die sind mir bei den Punkten „Sicherheit“ und „international bestehen können“ aber gegenwärtig zumindest zum direkt wählen, sagen wir mal etwas zu „mutig“ und „optimistisch“.

Es ist ja schön und zwingend notwendig, dass wir durch die aktuelle Krise solidarisch durch gehen wollen und hoffentlich auch werden. Aber darüber hinaus gilt weiterhin, wie beschrieben und begründet:

Meine Damen und Herren das reicht, nicht nur Werte- gebunden, noch nicht!

Ausgleichsunion oder Ende der Austeritätspolitik im Süden der Eurozone: Was fehlt mehr?

Ich kann mich noch an einen Aufruf von einigen Wirtschaftswissenschaftlern 1992 oder so erinnern, in welchem diese vor der Einführung des Euros gewarnt hatten, da die südlichen Eurogruppen- Staaten wirtschaftlich nicht mit Staaten wie Deutschland mithalten könnten und es damit zwangsläufig zu einer Transferunion kommen müsse.

Nun gut. Zumindest mit dem ersten Punkten hatten Sie recht. Wir haben, zumindest gegenwärtig, eben den besseren Produktionsstandort und hatten damals zusätzlich noch einen Vorsprung in Sachen Produktivität.

Nur die Einrichtung einer Transferunion ist ausgeblieben. Höchstens in die andere Richtung, der Süden und der Rest der Welt kaufte mit den Euros der EU-Südstaaten bei uns Güter und wir kauften dort nicht für ebenso viele Euros im Gegenzug auch Güter, höchstens einige Unternehmen und Gebäude aber nicht im gleichen Umfang.
Wir haben lieber einen Leistungsbilanzüberschuss erwirtschaftet und die Euros behalten oder als Gläubiger weitergegeben.

Bei getrennten Währungen wäre dies nicht gegangen. Die kann man nur im Herkunftsland ausgeben. Das gilt auch für Drittländer die im Süden Waren verkauft hatten und dann bei uns oder anderen „Euro- Überschuss“ das Geld ausgeben konnten. Diese Transfers können auch in keiner bilateralen Leistungsbilanz auftauchen. Zumal ja seit einiger Zeit nicht mal mehr sicher ist, ob wir mit den USA als EU nun eine ausgeglichene Leistungsbilanz haben oder nicht. Die einzigen beiden Statistiken darüber weichen stark von einander ab. Wie groß der Transfer also wirklich war und ist lässt sich also kaum sagen.

Die gemeinsame Währung wurde ja von Staaten wie Frankreich damals beworben, dass damit die Leistungsstärke der deutschen Wirtschaft zum Wohle eines vereinten Europas in dieses eingebettet werden können würde und einen wichtigen Schritt hin zu einer politischen Union darstellen würde.
Und bis dahin gäbe es eben einen Ausgleich. Das hatte bestimmt auf die pro- europäisch, also diejenigen die für eine echte handlungsfähige politische Union waren, eingestellten Bürger in den einzelnen zukünftigen Eurogruppen- Staaten anziehend gewirkt und damit deren ihre Zustimmung gefunden.

Ebenso wird es auch den Regierenden in den südlichen EU- Staaten gegangen sein.

Auf dem Weg in eine politische Union wollten Sie nicht zurückbleiben. Das kann man ja gut verstehen. Und zur Not würde es ja sicher zu einem Ausgleich der Leistungsbilanzdifferenzen kommen. Das sagten ja auch die deutschen Ökonomen voraus.

Dieser Ausgleich kam aber nie. Allerhöchstens über Target-2 Salden. Das sind aber eben eigentlich Schulden und kein Ausgleich für den fehlenden „Waren oder Dienstleistungs- Einkauf“ des Nordens im Süden. Die Leistungsbilanzdifferenzen blieben einfach.

Dafür kam die Austeritätspolitik, also starke Einsparungen bei den Ausgaben der Regierungen, da mit Leistungsbilanzdefiziten meist auch ein Anstieg der Haushaltdefizite einhergeht und damit steigen dann auch die zu zahlenden Zinsen für Staatsanleihen. Zur Gewährung von Unterstützung, zum Beispiel von der EZB, wurden den Staaten des Südens die Austeritätspolitik dann auch noch von außen aufgezwungen.

Und zum Thema Transferunion hieß und heißt es in vielen deutschen Partei und Medien plötzlich nur noch, das möchten die Wähler sowieso nicht, das ist politisch nicht durchsetzbar.
Ohne die geringste Anstrengung die Wähler von der Notwendigkeit des Ausgleichs der Leistungsbilanzen zu überzeugen, wenn man den Euro den behalten und den Weg hin zu einer politischen Union oder zumindest zu einem kooperativen Europa denn ernsthaft beschreiten will.

Also erst „Transferunion kommt sowieso“ im Raum stehen lassen und sich dann hinter einem „Das ist politisch nicht durchsetzbar“ verstecken. Das passt irgendwie nicht zusammen. Außer man wollte bewusst falsche Erwartungen im Süden wecken. Aber das war hoffentlich nicht die Intention.

Fazit:

Anderes als einige andere sozial progressive Autoren sehe ich die Lösung der Überwindung der Austeritätspolitik nicht im dauerhaften Machen von Schulden, sei es auch direkt oder indirekt über die EZB, da müsste man wohl schon entsprechend starke Negativzinsen einführen, um eine Abwertung des Euros, zumindest im Vergleich zum Wechselkurs ohne diese Maßnahme, zu verhindern, sondern entweder in direkten wirtschaftspolitischen Maßnahmen, welche einen Ausgleich der Leistungsbilanzen herbeiführen, zum Beispiel hinreichend höhere Löhne in den Überschuss- Staaten. Oder bewusste Vorgaben an die Unternehmen ihre Produktion besser zu verteilen. Das wären Maßnahmen für einen primären Ausgleich.
Oder man führt einen sekundären Ausgleich über die Steuereinnahmen oder Sozialversichungsbeitragseinnahmen durch. Oder man hebt die Verpflichtung auf, seine Sozialabgaben und Steuern komplett in dem EU- Staat zahlen zu müssen, in welchem man aktuell arbeitet, bzw. Arbeit bekommen hat, anstatt in dem EU- Staat dessen Staatsangehörigkeit man von Geburt an hat. Solcher reiner sekundärer Ausgleich hat für Defizit- Staaten aber den Nachteil, dass ihre Produktionskapazitäten weiter abnehmen und sie damit immer schlechter zunächst alleine zurechtkommen könnten. Ohne eine politische Union mit Mehrheitswahlrecht und Minderheitenschutz würden Sie somit immer mehr von der, jeder Zeit aufkündbaren, Gnade der Überschussstaaten abhängen.

Wenn die Eurogruppe sich auf keine dieser Maßnahmen, in hinreichendem Umfang, einigen kann ist ein Ausstieg der defizitären EU- Staaten wohl die beste Option. Wobei dann wohl am Ende nur ein Staat mit dem Euro übrig bleiben wird, denn mindestens einer wird praktisch immer ein Defizit haben.

Wir brauchen eine politisch freiwillige Staaten- Union in Europa, in welche die Mitglieder zum gegenseitigen Vorteil ihren Beitrag in sozialer, ökologischer, sicherheitspolitischer und natürlich auch wirtschaftlicher Hinsicht leisten und leisten müssen. Wer sich weigert gegen den muss man sich wehren können.
Kein Zwangssystem zur Gewährung unbegrenzter wirtschaftlicher Freiheit mehr, unabhängig vom Bündnis- Gemeinwohl- Beitrag den die Einzelnen leisten.
Und solch eine politisch freiwillige Staaten- Union sollte dann auch in Werte- gebunden machbaren Schritten auf die ganze Welt ausgeweitet werden.

Ein Kommentar zu den anstehenden Wahlen in GB und zum Brexit

Als Befürworter des europäischen (sozialen) Integrationsprozesses würde ich den Brexit, also den kompletten Rückzug von Großbritannien aus der EU, zunächst einmal als Rückschritt bezeichnen.

Wobei die Motivation für den Brexit natürlich eine zentrale Rolle spielt.
Wenn es nur darum geht „unter sich“ zu bleiben, sich nicht mit anderen abstimmen zu müssen, sich nicht an gemeinsame Standards halten zu müssen und sich gegen einen angemessenen Beitrag zu gemeinsamen Sicherheits- und Sozialsystemen zu stemmen, wird der Brexit auch für Großbritannien sicherlich nur einen Rückschritt darstellen.

Bezogen auf die Einwohnerzahl, Landesgröße und den auch dort vorhandenen Rohstoffbedarf wird auch GB weiterhin auf die Kooperation mit anderen Staaten angewiesen sein. Und im internationalem Geschehen ohne Partner nur ein Spielball für andere sein.

Aber das dürfte allen dort zur Wahl stehenden Parteien und Politikern klar sein.

Nun muss man aber leider attestieren, dass die letzten „Integrationsschritte“ der EU, der gemeinsame Binnenmarkt und die Einführung des Euros, keine Schritte waren, welche die gemeinsame soziale Sicherheit oder die gemeinsame Verteidigungsfähigkeit zum Ziel hatten. Es wurde nur ein freier Markt geschaffen [mit dem Ziel, wohl zumindest der meisten damals beteiligten, international wirtschaftlich wettbewerbsfähiger zu sein] ohne gemeinsame soziale Sicherheit, gemeinsame soziale Mindeststandards, sogar ohne einen gemeinsamen demokratisch legitimierten sozialen politischen Handlungsspielraum. Und es gibt auch (bisher) keine Sanktionsmöglichkeiten für Staaten, welche ihren Beitrag zur gemeinsamen Verteidigung nicht leisten wollen. Für alle diese Punkte ist die freiwillige Zustimmung jedes einzelnen Staates nötig.

Hmm. Klingt stark nach einer libertären Traumvorstellung. Mit Public Choice Anstrich in der Farbe Buchana- Gelb, eventuell gut durchgekocht (das lässt sich noch nicht genau sagen). 🙂

Da haben sich wohl die „reichen“ und „temporären Überschuss“ Staaten in ihrem Streben bloß nichts abgeben zu müssen, wobei „abgeben“ eigentlich das falsche Wort ist, das Geld wird ja wieder ausgegeben, und fließt damit eventuell komplett wieder zurück, von ideologischen Beratern überrumpeln lassen.

Also einzelner oder „alle bis auf einen Wertebund“ von EU Staaten hat man, wenn man damit aus kurzfristigem oder langfristigem Eigeninteresse, oder aus sozialer Motivation nicht einverstanden ist, nur die Möglichkeit des Austritts oder auf die Zustimmung wirklich aller zu EU- Vertragsänderungen hinzuarbeiten.

Nun würde ich, mal zurückhaltend formuliert, eher davon ausgehen, dass Boris Johnson’s „Brexitianer“ die EU nicht primär deshalb verlassen wollen, da ihnen die Zustimmung aller zur gemeinsamen EU Sozialunion nicht schnell genug kommt. Hier werden vermeintliche oder tatsächliche Gründe das Eigeninteresse betreffend wohl eher von Bedeutung sein. Und mit Blick auf das Leistungsbilanzdefizit GB´s allgemein und speziell mit Deutschland, und auf das aktuelle unkooperative Verhalten speziell der deutschen Unionsparteien und der FDP als potentieller Regierungspartei, aber auch mit Blick auf das eher (noch) zögerliche Verhalten der SPD, und des Gewichts des Öko- Libertäre Flügels bei den Grünen kann man da in diesem Punkt nicht unbedingt von rein unberechtigten Gründen sprechen. Und beim Punkt gemeinsame Verteidigung ist die SPD zurzeit nun auch nicht unbedingt ein Bollwerk der „besser zu viel als zu wenig“- Anhänger.

Nichts desto trotz hätte ich mir gewünscht und wünsche es mir immer noch, dass GB seine Unzufriedenheit mit der augenblicklichen EU mit einer Aufforderung zu grundlegenden Reformen zum Ausdruck bringt. Und statt eines direkten Austritts, den anderen EU Staaten die Möglichkeit bieten würde mit GB zusammen einen besseren, sozialeren und mehr auf Sicherheit ausgelegten EU- Vertrag auszuhandeln, welcher entweder den Einzelstaaten noch genug Handlungsspielraum lässt oder der EU endlich, demokratisch legitimiert, den nötigen politischen Freiraum lässt. Und erst, und nur, falls in einer angemessenen Frist keine solche Einigung zustande kommt, tatsächlich austritt.

Aber wie auch immer die nächste Wahl in GB ausgeht. Und wie auch immer dann die dortige Regierung und das dortige Parlament sich dann entscheiden werden, es bleibt die Hoffnung, das der eventuelle Brexit nur eine Episode hin zu einem sich gegenseitig sozial und verteidigungs- technisch absichernden Europa bleiben würde und das die globalen Aufgaben wie der Erhalt einer lebenswerten Umwelt und der Aufbau eines sozialeren und sichereren globalem Systems (weiterhin) kooperativ gemeinsam angegangen und auch vollbracht werden kann.

An die neue EU- Kommission: Freihandel vs. Umwelt, Soziales und Sicherheit?

Eine Frage mit welcher sich die neue EU- Kommission auseinander setzen werden muss, ist, wie sie den internationalen Handel und die weltwirtschaftlichen Rahmenbedingungen insgesamt mitgestalten möchte.

Soll sie weiter daran arbeiten TTIP, also das Freihandelsabkommen zwischen den USA und der EU, und Co umzusetzen?

Und mit welcher Begründung?

Man kann den Markt ja als einen Ort der bestmöglichen Verwendung der Produktionsressourcen: Arbeit, Boden, Kapital durch Auswahlalternativen ansehen.

Jede unnötige Vorgabe oder Beeinträchtigung bei dem Angebot von und der Nachfrage nach Auswahlalternativen erhöhen dann die Wahrscheinlichkeit, dass die Angebote hinter ihren Möglichkeiten zurückbleiben.

Damit bleiben unter anderem 2 Fragen übrig:

  • Welche Vorgaben und Restriktionen sind notwendig oder wünschenswert?
  • Wer darf über die Verteilung entscheiden und wer darf/kann welche Mengen nachfragen?

Die erste Frage betrifft dann aus dem sozialen Bereich Punkte wie
– Mindestlohn
– Arbeitszeit
– Entfernung zum Arbeitsplatz
– usw.
Aus dem Bereich Sicherheit Punkte wie
– Sicherheit am Arbeitsplatz
– Sicherheit auf dem Weg zur Arbeit
– Verbraucherschutz
– Investitionssicherheit
– usw.
Und aus dem Bereich Umwelt Punkte wie
– Klimaschutz
– Abfallbeseitigung
– Ressourcenschonung
– usw.

Die zweite Frage ist eine Frage der Verteilung:
– Wessen Wünsche soll der Markt bedienen, also wer soll über welche anteilige Kaufkraft
verfügen?
– Welche Priorisierung bei der Realisierung der Wünsche soll es geben?
– Soll nur Angeboten werden was zuvor nachgefragt/beauftragt wurde?

Man könnte diese beiden Hauptfragenkategorien auch Mindeststandards bei der Erzeugung und gerechte Verteilung des Gesamtertrags nennen.

Für die EU- Kommission bedeutet das also einerseits, dass Sie bei internationalen Handelsverträgen eine Möglichkeit bieten muss zumindest EU – seitig demokratisch legitimierte Mindeststandards aus den genannten Bereichen initial verhandeln und zukünftig neu verhandeln zu können.
Natürlich ist es hier von Vorteil, wenn die eigene Verhandlungsposition komfortabel genug ist, um seine eigenen als, aus sozial-, sicherheits- und umwelt- orientierten Gründen für zwingend nötig und den anderen Vertragspartnern gegenüber als fair und gerecht (John Rawl, Immanuel Kant) gehaltenen Mindeststandards auch tatsächlich durchsetzen zu können. Die gewünschte Mindeststandards, jenseits des zwingend nötigen, sind dann Verhandlungssache.

Andererseits muss bei solchen Verträgen natürlich auch die Frage der Verteilungsgerechtigkeit, der sozialen Sicherheit und des zumindest EU- seitig demokratisch legitimierten politischen Handlungsspielraums zur Markt korrigierenden als gerecht empfunden Umverteilung (Müller-Armack, Konrad Adenauer und aktuelle SPD?) gestellt und beantwortet werden.
Sowohl innerhalb der Vertragsparteien als auch unter ihnen.
Denn es wird wohl kaum jemand ernsthaft behauten wollen, dass ein freier Markt jemals aus sich heraus zu einer Verteilung der Wirtschaftskraft und des Gesamtertrags führen wird, der als sozial gerecht oder auch nur, im Rahmen des Möglichen, den lebenswerten Mindestbedarfs deckend bezeichnet werden kann.
Die gewünschte Priorisierungsregel des notwendigen Staatsbedarfs und des Bedarfs der privaten Haushalte bei der Verwendung der Ressourcen muss natürlich auch festgelegt werden. Konkret gilt es hier den fairen Anteil an Gemeinschaftsaufgaben wie gemeinsame militärische Verteidigung und innerer Sicherheit und ein keine Seite überforderndes Netz an sozialer Sicherheit festzulegen und einzufordern.

Bezogen auf Nachhaltigkeit und Umweltschutz ist es natürlich auch wichtig auf einen Ressourcen- und Klima- schonenden Gebrauch und Verbrauch der Produktionsressourcen zu achten.

Zum Schluss stellt sich natürlich noch die Frage, wie man reagieren kann, wenn eine Vertragsseite ihren Beitrag in den genannten Bereichen nicht leisten möchte.
Die beste Möglichkeit stellt da aus meiner Sicht die Beschränkbarkeit der wirtschaftlichen Freiheiten aus Sicherheits-, sozialen und Umwelt- politischen Gründen dar.

Wenn man es sich denn leisten kann und zuvor der politische Handlungsspielraum durch Beschränkungen/Bremsen in der Verfassung oder in schon bestehenden internationalen Verträgen nicht bereits zu stark eingeschränkt wurde. Da sollte man drauf achten, dass sowas nicht passiert …

All diese Erwägungen gelten natürlich auch für den EU- Binnenmarkt und vor allem die Eurozone, solange wir den Prozess hin zur vollständigen politischen Union noch nicht abgeschlossen haben.

EU: Freie Wahl für welchen EU- Staat man Sozialabgaben und überregionale Steuern zahlen möchte?

In der EU ist ja jeder Staat weiterhin für die Finanzierung seiner Sozialleistungen und seines Staatshaushalts, z. B. für die innere Sicherheit, alleine zuständig. Und diese Einnahmen stammen, wenig überraschend, von seinen Bürgern.

Nun leben wir aber in der EU in einem gemeinsamen Binnenmarkt. Mit den 4 wirtschaftlichen (individuellen) Freiheiten: Personen, Waren, Dienstleistungen und Kapital.

Für den wirtschaftlichen Gesamtertrag der EU und für die gemeinsame Exportstärke ist dies mit Sicherheit kurzfristig und wenn man vernünftige Rahmenbedingungen und Mindest- und Maximalgrößen schafft wohl auch mittel- und langfristig von Vorteil.

Nur wird der höchste Gesamtertrag oder zumindest ein den Importbedarf deckender Exportertrag aber wohl zu keinem Zeitpunkt bei einer gleichmäßigen Verteilung der EU- Bürger auf alle EU- Staaten gemäß der Anzahl ihrer Bürger erbracht werden. Vor allem nicht wenn man ihr Einkommen noch mit berücksichtigt.

Also in einem Staat werden sehr viele gut verdienende EU- Bürger leben und arbeiten. In anderen Staaten dann vor allem Geringverdiener.

Ebenso werden die meisten EU- Bürger sich nicht bewusst für einen EU- Staat entscheiden, sondern sie werden dort arbeiten wo sie aktuell die besten Berufsaussichten haben und Sie werden ihre Entscheidung auch mittel- und langfristig durchplanen (müssen). Zum Beispiel wenn Sie eine neue Sprache lernen (müssen). Das dürfte durch die Technik wohl bald nicht mehr so wichtig sein, aber für die nächsten 10 Jahre wohl schon noch.

Wieso muss man dann als EU Bürger dort Steuern und Sozialabgaben zahlen, wo man aktuell wohnt (wohnen muss) und/oder arbeitet (arbeiten muss)? Vor allem auch noch, national begrenzt, überregional? Das betrifft ja auch noch die Mehrwertsteuer beim täglichen Einkaufen.

Was ist mit der Freiheit sein Geburtsland und dessen Bürger finanziell weiter primär zu unterstützen, zumal wenn in einem gemeinsamen Binnenmarkt soviel Mobilität von einem erwartet wird, dass man die Staatsgrenzen hinter sich lassen soll (muss), wenn dies wirtschaftlicher ist?

Und ist die Chancengleichheit im EU- Binnenmarkt für alle EU- Bürger den bestmöglichen Arbeitsplatz zu bekommen wirklich schon gegeben?

Ist der Wettstreit der EU- Bürger zur Finanzierung ihrer nationalen Staatshaushalte und Sozialversicherungssysteme also aktuell wirklich fair?

Falls alle EU- Bürger in ihre nationalen (+ anteilig die Region (nicht Staat) in welcher Sie aktuell leben) Staatshaushalte und Sozialversicherungssysteme einzahlen würden und jeder die gleichen Chancen auf jeden Arbeitsplatz hätte, auch unter Berücksichtigung der Sprache, wäre der EU- Binnenmarkt fair und kein EU Staat würde fast zwangsläufig in Zahlungsschwierigkeiten kommen.

Dann wäre auch die EU- Arbeitslosenversicherung sowohl ausreichend als auch politisch durchsetzbar.

Ansonsten benötigt man schon alleine aus Gründen der Fairness ein finanzielles Ausgleichssystem und sei es nur für den Übergang bis die Chancengleichheit und die Freiheit der Wahl sein Herkunftsland finanziell vorrangig zu unterstützen sichergestellt ist.

Ohne Fairness wird die EU und der europäische Wohlstand und Friede untereinander wohl kaum bestand haben. Und ohne Solidarität wohl auch nicht.

Das gleiche gilt natürlich auch international.

Fallbeispiel zum sozialen und kooperativen Reformbedarf in der EU und vor allem der Eurogruppe

Die EU hat aktuell noch 28 Mitgliedsstaaten. 

Und sie steht international in (u. a. wirtschaftlicher) Konkurrenz. (Kooperation wäre natürlich besser aber das ist ein anderes Thema.)

Und nehmen wir jetzt einfach mal den extremen Fall an, dass die Wirtschaft der EU am leistungsfähigsten wäre, wenn 80% der „Produktion“ in einem einzigen Staat stattfinden würde. 
Und dadurch auch 70 % der EU- Bürger in nur einem Staat leben und arbeiten würden. Und dadurch auch nur dort Steuern zahlen würden, denn das kann man sich ja gegenwärtig nicht aussuchen.
Damit würden auch fast alle Dienstleistungen in diesem einem Staat erbracht.  In den 27 anderen EU Staaten würden diejenigen zurückblieben, die in diesem einem Staat keine Arbeit gefunden hatten oder „zu Hause“ ein Auskommen haben und nicht gehen wollen. 
Diese 27 Staaten wären dann wohl kaum mehr in der Lage ihre öffentlichen Sozialsysteme zu finanzieren oder die übrigen öffentlichen Aufgaben wie innere Sicherheit usw.. 
Nehmen wir weiter an, dass in dem einen Staat, in dem fast die ganze „Produktion“ stattfindet, die Löhne aus Wettbewerbsgründen so niedrig wären, dass dort es sich keiner mehr leisten könnte zusätzlich zu der Finanzierung der öffentlichen Ausgaben in diesem einem Staat, auch noch seinen „Heimatstaat“ oder „- region“ zu unterstützen.  
Einzig umweltschädliche Heimflüge zur Verwandtschaft wären, da sehr preiswert, noch möglich.    
Kulturellen Veranstaltungen in der Heimat, wie Fußballspielen, könnten die aus beruflichen Gründen, zum Wohle der Produktivität, weggezogenen auch nicht mehr beiwohnen. 
Und in dem einem Staat in welchem fast alle arbeiten und leben, wäre der Platz pro Person extrem gering geworden.
So gering wie es die größtmögliche Produktivität noch zulässt. 

Ich nehme jetzt einfach mal an, dass so eine EU niemand, außer ein paar Marktradikalen vielleicht, haben möchte. 

Also stellt sich die Frage: Was kann man dagegen tun? 

Man wird sich wohl noch leicht darauf einigen können (wenn auch nicht im Konsens und nur demokratisch mit gleichem Stimmrecht für alle EU- Bürger), dass zunächst mal sichergestellt sein sollte, dass alle ein lebenswertes Existenzminimum haben und die öffentlichen Basisleistungen wie innere Sicherheit und Gesundheitsvorsorge für jeden verfügbar sind. [Rein National- Gesinnten reicht hier wohl die Bürger des eigenen Staates zu versorgen, dass dürften die Bürger aus anderen EU- Staaten aber wohl kaum lange hinnehmen.] 

Idealerweise wäre die EU, wenn Sie dieses ermöglichen würde, dann immer noch wettbewerbsfähig genug, um dieses Zielszenario zu finanzieren. 

Der nächste vernünftige Wunsch der EU- Bürger wäre dann wohl eine etwas weniger auf einen Staat zentrierte Entwicklung. 
Damit wären wir beim Punkt der Förderung regionaler Entwicklung und Verteilung der Produktion.          

Die Mittel dafür wären dann vor allem eine abgestimmte Wirtschafts- und Lohnpolitik: 
z. B.:

– Waren die in einem Staat produziert werden, müssen auch bis zu einem Gewissen Minimum dort hergestellt worden sein

– Quoten für die Produktionsverteilung

– höhere Löhne in Staaten mit höherer Produktivität

– extra Abgaben für Unternehmen, wenn sie in solch einem Staat produzieren wollen

– getrennte Währungen und dadurch automatische Abwertung

– usw. 

Die Obergrenze für die Erfüllung solcher weiterer Wünsche wäre dann der Punkt, wenn sich die EU dies wettbewerbstechnisch nicht mehr leisten könnte. 
Dann bliebe für eine weitere Verbesserung des menschlichen Daseins nur die internationale Kooperation unter sozialen Gesichtspunkten.