Offener Brief an Isabella Weber (China-Escape-IW)

Anti-faschistische Wirtschaftspolitik, der New Deal und der internationale Standortwettbewerb mit ungleichen Karten

Hallo Isabella Weber,

ich schreibe ja lieber an "persönliche öffentliche" Emailadressen um nicht die Arbeitsemailadressen mit zuzuspammen. Aber da Sie eine eigene Homepage ohne Kontakt-Email haben und ihre Arbeitsplatz-Email keine "Nur beruflich"-Bitte enthält nehme ich mal an, dass das noch okay ist.

Ich habe gerade ihr Buch "How China Escaped Shock Therapy" zu Ende gelesen und auch ihren Aufruf zu einer Anti-Faschistischen Wirtschaftspolitik gelesen.

Ihre Vorschläge für solch eine Politik richten sich ja nach den Erfahrungen, die sie in ihrem Buch beschrieben haben. Diese Vorschläge finde ich schonmal gut.

Nur ist eben kein Staat außer den USA, und Russland vielleicht, in der Lage alleine aus eigener Kraft durch wirtschaftliche oder soziale Reformen Probleme die aus wirtschaftlichen/wirtschaftspolitischen/Eigentumspolitischen Fehlentwicklungen/ -Entscheidungen entstanden sind zu lösen.

Der New Deal hatte in den 1930ern die USA vor Faschismus oder Totalitärem Sozialismus bewahrt. Auch wenn das "Neoliberale"/"Neoproprietäre"- Lager gegen diesen Deal mobil machte und ihn wohl auch heute noch lieber in keinem zu gutem Licht in der öffentlichen Wahrnehmung sehen will.

In West-Europa gab es keine gemeinsame Institution die hinreichend Verteilungsmacht besessen hätte um solch eine gemeinsame soziale Grundsicherung für alle mit einfacher Mehrheit umsetzen zu können. Und auch in der EU gibt es weiter so eine Institution nicht. Wohl dank des "Neoliberale"/"Neoproprietäre"- Lagers und wohl auch wegen ein paar von "Von Schmollers Ruinierungsfreudigen der heutigen Gesellschaft". [Zu unserer Wirtschafts-/Sozialvertrags-Geschichte könnten sie auch mal so ein Buch schreiben. 🙂 Wenn das nicht zu mutig wäre 🙂 ]

Stattdessen kam das "Zwangssystem Wirtschaftlicher Freiheit" (Zitat: Christian Felber). Also Zwang zum Freimarkt. Zu dem meinte "Von Schmoller" eben: "Nur der Inkonsequente und derjenige der die heutige Gesellschaft ruinieren will kann komplett freihändlerisch sein." (Zitat-Herkunft kann man sich aus meinem Blog rkslp.org raussuchen).

Und Freimarkt bedeutet Standortwettbewerb. Und dass da die Lage eine wichtige und für ungleiche Bedingungen sorgende Rolle darin spielt schrieb schon Max Weber in "Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus".

Und unsere Lage zwischen Arm im Osten und Reich im Westen in Europa ist eben so ein Lagevorteil. Das macht einige, auch einige gewerkschaftlich Organisierte Lohnabhängige, bei uns zu (temporären) Profiteuren einer Freimarkt/Neoliberalen/Neoproprietären Ordnung.

"Unser" Außenbeitragsüberschuss seit 2002 ist der Nachweis dafür.

Dadurch spalten sich die Lohnabhängigen in der EU in diejenigen mit Lage-Vorteil und in die ohne. Auf diesem Nährboden wurde und ist es weiterhin das "Neoliberale"/"Neoproprietäre" mehrheitsfähig, durch kulturelle Hegemonieprojekte (Gramsci) den Wählern dazu zu verleiten. Auch weil es keine politische Partei gibt die "Genug Für Alle" bis "Fair-Gleich" mit Erhalt und Sicherheit vereint.

Da versuche ich seit 2017 als mir das auffiel dagegen zu steuern.

Also für eine Anti-Faschistische Wirtschaftspolitik ist nicht nur die jeweils nationale Verteilungspolitik (und Preissetzungspolitik) wichtig (ohne innere Verteilung bekommt selbst in Staaten mit Lagevorteil nicht jeder genug) sondern vor allem auch die gemeinsame Internationale. Da sollte man [dazu hatte ich beim WSF 2024 eine online Präsentation dazu gehalten - vor 2 Asiatischen Studenten, stand aber im offiziellem Programm mit Bild 🙂 -] dann (a) zwischen gemeinsam gegenfinanzierten Grundsicherungsansprüchen über eine gemeinsame Verfassung und/oder gemeinsame Institutionen mit genug Verteilungsmacht (b) Freiwilligen Einmal-Hilfen und (c) einer Ausgeglichenen wirtschaftlichen Außenbilanz/kein Außenbeitrag unterscheiden. (a) bereitet Vorsichtigen, wie ich auch einer bin, wohl die meisten Sorgen, da man da neue Verpflichtungen eingeht, die man eventuell nicht stemmen kann. Stichwort: Teil des Elends werden. Wenn nicht genügend Ressourcen/Exportkraft da ist. Das stößt daher auf nachvollziehbaren Widerstand, zumindest bis es durchdacht und sicher ist. Oder man geht halt wie die "Nicht-BigBang"-Chinesen in ihrem Buch schrittweise vor. Ohne das Panik und Widerstand entsteht. (b) ist Überschaubar. (c) ist ein wichtiger Hebel der eigentlich für vorsichtige Tauglich ist, wenn die nicht Panik vor staatlichen Eingriffen in den Handel anerzogen bekommen haben. Ein nicht negativer Außenbeitrag heißt, dass man genug exportiert für seinen Importbedarf. Und einen positiven sollte es nach "Neoliberaler" Logik durch freie Wechselkurse gar nicht lange geben dürfen.
Das war ja denen ihr Argument gegen Bretton-Woods/Feste Wechselkurse.
Bei einer gemeinsamen Währung in Staaten-Gruppen, wie der Euro-Gruppe, mit ungleichen Standortbedingungen, kommt es aber fast zwangsläufig in der Zeit nach der Etablierung der gemeinsamen Währung zu einem Aussaug-Strom über Drittstaaten mit anderer Währung, denke ich. Also zum Beispiel kaufen Spanier in der USA Medikamente und die Amis dann damit Autos bei uns, da wir durch die nähe billiger Vorprodukte und BilliglohnArbeiter aus dem Osten bekommen. Die Arbeiter aus dem Osten haben es auch nicht so weit, dass ist denen wohl auch lieber.

Also zwischen den Währungen bleibt es relativ gleich. Nur über die Drittstaaten kommt es zu einem Aussaugen bis sich die schlechter gelegenen Staaten nichts mehr leisten können.
Italien wird wohl über Target2-Notenbanken-"Schuldengeld" auf einem höheren Ausgaben Niveau gehalten.

Wobei auch verschiedene Währungen im Standortwettbewerb mit ungleichen Lage-Vorteilen zu unfairer Ungleichheit bis hin zu Elend oder Zusammenbruch führen kann und wohl auch führt. Vor dem Zusammenbruch gibt es aber meist Eroberungs-/Vereinigungs-krieg. Über Faschisten einen rechten. Über "EU-Süd-Lincolns" einen Linken.

Auch das sollte man bei Anti-Faschistischer Wirtschaftspolitik bedenken. Das hatte ja selbst Hayek erkannt "Genug verteilen damit es auf den Straßen ruhig bleibt." Das dürfte wohl aktuell Target2 sein. Die Hayeks sind aber meist irgendwann zu optimistisch und/oder werden von "Von Schmoller's Ruinierungswilligen" (der hatte da spezielle Sozialisten im Sinn; geht aber natürlich auch unsozial bzw. von rechts außen/innen) unterwandert.

Ich habe das hier (https://rkslp.substack.com/) öffentlich in deutsch und englisch noch etwas "bloghafter" beschrieben. [Vielleicht sollten wir auch mal ein paar zusammen auf Land verbannenden, damit mal politisch nach 10 Jahren etwas Schwung in die Sache von links und rechts kommt. Sonst ist wohl die Hemmschwelle zu groß. So bleibts weiter alleine an mir hängen. 🙂 ]

Gruß,
Thomas Hinkelmann
rkslp.org

„Sonst ist wohl die Hemmschwelle zu groß. So bleibts weiter alleine an mir hängen.“ Damit meinte ich die politisch-aktiven, sich zur Wahl stellenden, vorsichtigen, erhaltenden (erhaltungswilligen) (relativ konservativen) Linken.