Neogramscianismus, kulturelle Hegemonie und New Constitutionalism

Beim Lesen des Buches „Solidarisches EUropa – Mosaiklinke Perspektiven“ des Institut Solidarische Moderne herausgegeben von Sonja Buckel, Lukas Oberndorfer, Axel Troost und Andrea Ypsilanti, bereits aus dem Jahr 2012, über die ISM Summer Factory 2012, bin ich nun auch mal über den Begriff und das Erklärungsmodell der „Neoliberalen Hegemonie“ für das was in der EU, im Westen und generell weltweit in den letzten 2, 3 Jahrzehnten passierte gestolpert. Genau genommen im Aufsatz „Neoliberale Schocktherapie. Europa in der Krise.“ von Jens Wissel basierend auf dem Workshop „Autoritärer Wettbewerbsetatismus oder demokratisches Europa? Ist die Demokratie in Europa noch zu retten?“. Das Modell der „Neoliberalen Hegemonie“ basiert auf dem „kulturellen Hegemonie“- Konzept von Antoni Gramsci, und wurde ursprünglich von Robert Cox, einem Absolventen der McGill (sic!) Universität in Kanada, welche von James McGill (sic!!! „Buchanan-Kenner WTF- Moment“) gegründet wurde, entwickelt und dann von Stephen Gill (bisschen sic! -ohne Dnld-) fortgeführt. Dieses Erklärungsmodell basiert grob gesagt auf der Annahme, dass jeder der seine Interessen oder Werte durchsetzen will und alleine dazu nicht mächtig genug ist, sich Verbündete suchen muss und dafür auch Abstriche bei der Durchsetzung seiner eigenen Interessen hinnehmen muss, um kompatibel genug zu sein. Zum Koalieren. Damit wird auch gleich deutlich, dass dieses Konzept an sich erstmal von den Zielen her nichts neues ist. Neu ist aber die Idee, seine eigenen Interessen kulturell, also über Massenmedien, Bildungseinrichtungen so zu verankern, dass sie auch von jenen mitverfolgt und als ihre eigenen betrachtet werden, welche eigentlich andere oder nicht genau passende Interessen haben. Das hat dann den Vorteil für diejenigen die diese kulturelle Hegemonie aufgebaut haben und am Laufen halten, aktuell weniger Abstriche bei den eigenen Interessen machen müssen und auch eventuell auch noch in der Lage sind die Machtposition zu verbessern um zukünftig auf weniger „Partner“ angewiesen zu sein eventuell gar auf gar keine mehr. Dazu bieten sich zur aktuellen Machtkonstellation passend verpackte Verfassungsänderungspakete an oder gleich die Aktivierung eines neuen Golden Buches, „wenn neeedig“. Um solches geht es bei Gills „New Constitutionalism“, also um die, für die zustimmende aktuelle Macht eher nicht beabsichtigte und eher nicht gewollte, schrittweise Anpassung der Verfassung hin zu einer nach mehr oder weniger Oligarchisch- „neoliberalen“ „Gerechtigkeits-“ (Aristoteles) Maßstäben passenden Version. Und genau so eine Umsetzungsvorgehensweise beschriebt auch die Historikerin der sozialen Bewegungen Prof. Nancy MacLean in ihrem Buch „Democracy in Chains“ aus dem Jahr 2017. James M. Buchanan wäre da der „Verfassungsarchitekt“ der „Neoliberalen Kreise“ rund um die „FEEn“ (gut, die hatte sie glaube ich nicht erwähnt) und „Mont Pelerins“, an den von den Koch- Brüdern finanzierten Instituten in den USA gewesen. Zumindest ist sie beim durchforsten seines Nachlasses, er war 2013 gestorben, zu diesem Ergebnis gekommen. Und das es von Ex- Fellows von James M. Buchanan in Deutschland nur so wimmelt schreibt sogar das Walter Eucken Institut selbst. Das Land mit den mit-besten Standortbedingungen in einem gerade neu gebildeten neuen Binnenmarkt und dann sogar noch mit teilweise gemeinsamer Währung bietet sich als „Partner“ für solch ein temporäres Bündnis eben extrem an. Und durch fördern „verantwortungsvoller Gewerkschafts- und Parteipolitik“ (Beverly J. Silver – Welt-System Theorie -) kann man schauen, die Sozialdemokratie, die Grünen und genügend Gewerkschaftler auf seine Seite zu bringen.

Wenn man auf diesem Terrain agiert sollte man als „Proprietärer“ aber stark aufpassen. Wenn man keine Verfassung mit Klassenwahlrecht etabliert bekommt und stattdessen einfach nur den bestehenden gemeinsamen Staat zu sehr beschränkt, nutzt man nur dem Außen und ist quasi „genudgter“ Partner einer neuen Hegemonie Macht von Außen. Und eine atomare Hegemonie eines „Roten Chinas“, dafür müssten die es noch schaffen, dass jemand, zum Beispiel Russland, weil der Westen sie zu sehr unbedacht in die Enge treibt, sie in einem Tausch zur Firstlevel Atommacht macht und gleichzeitig zumindest die USA durch einen Bürgerkrieg seinen Firstlevel Status einbüßt, oder alleinige AntiAtomwaffen- Nanobotschwarm- Firstlevel Macht zu werden, würden einige von diesem Terrain bestimmt nicht ungerne sehen. Also an „Gustav von Schmollers“ Mahnung denken: „Nur der Inkonsequente und derjenige der die aktuelle Gesellschaft ruinieren will, kann komplett freihändlerich sein“. Aber in einem Zwangssystem wirtschaftlicher Freiheit ist genau das jeder. Trottel !!!

Aber zurück zu dem Workshop bei der ISM Summer Factory 2012. Die Aufsätze „Postdemokratie in Europa oder europäische soziale Demokratie?“ von David Salomon und „Autoritäres oder demokratisches Europa? Ist die Demokratie in Europa noch zu retten?“ von Lukas Oberndorfer welche auch basierend auf diesem Workshop entstanden sind, basieren zumindest teilweise auf dem „neoliberalen Hegemonie“- Ansatz von Gill. Letzter empfiehlt zur Lösung des „Demokratieproblems“ in der EU quasi die Durchführung eines Verfassungskonvents direkt von den Bürgen Europas. Also eine neue Verfassung und ein neuer Gesamt- Staat für Europa.

Davor warnte Herr Salomon, da ein gemeinsamer demokratischer Staat noch keine sozial gerechte Gesellschaft zur Folge haben müsste, da eben Bündnisse hinreichend Vieler sozial unfair gegen zu Wenige weiter möglich seien. Zum Schutz davor empfiehlt er Vetorechte für diese Gruppen. Je nach Intention war das durchaus ein sozial wichtiger Einwand. Die Mehrheit kann eben wirklich unfair sein und Minderheiten weniger lassen als diese zum (Über-)Leben brauchen und/oder wie es fair wäre. Aber ein Veto setzt eben voraus, dass man aktuell schon genug hat, und man nur nicht zu viel an andere durch den Staat abgeben soll. Für alle die aktuell nicht genug oder unfair wenig haben nutzt ein Veto nichts, die brauchen vielmehr ein Recht etwas zu bekommen und dem steht ein zu starkes Vetorecht für die überdurchschnittlich viel Besitzenden eben im Weg.

Lukas Oberndorfer ist zu dem Thema übrigens weiterhin lobenswerterweise fleißig am schreiben: https://awblog.at/sozial-oekologischer-umbau-braucht-reform-der-eu/.

In dem Buch zur Summer Factory 2012 gab es übrigens noch einen Beitrag mit Rückgriff auf den „neoliberalen Hegemonie“- Ansatz von Gill. Einen aus dem „Feminismus-Lager“: „Genderdimensionen der neuen EU Economic Governance: maskuline Steuerungsmechanismen und feminisierte Kosten- und Risikoabwälzung“ von Elisabeth Klatzer und Christa Schlager.

Zum Abschluss für heute lässt sich festhalten, dass wenn sich die Regierungschefs und Parlamente der EU nicht hinreichend schnell auf eine neue hinreichend soziale, ökologische, Sicherheits- und Zukunftsorientierte Verfassung für die EU oder eine tragfähige Trennung einigen, wir in der EU so „verbaut“ wurden, dass wirklich nur noch ein Bürger- Verfassungskonvent, eine temporäre Ermächtigung eines Perikles, oder weniger friedlich dafür aber vom Ergebnis und der situationsangepassten Mittel durchaus passend ein Lincoln, weiterhilft. Sonst bliebe nur noch ein Ausgründungsalleingang sozial und sicher Williger, die müssten dann aber alleine international bestehen können. Eine Oligarchie, wie in Venedig, im gesamten Westen wäre vielleicht einige Zeit Überlebensfähig. Aber eher kurz als lang. Selbiges gilt wohl für eine Hegemonie Chinas. Vielleicht und hoffentlich setzt sich ab einem bestimmten Punkt der Menschheits- und der Europa- Entwicklung eine hinreichend interventionsbereite mehrzentrische Koalition hinreichend Williger, die sich auf eine gemeinsame Ordnung tolerierbar und freiwillig einigen können, mit Recht mit einem fairen Anteil an allem wieder gehen zu können, meistens durch. Dann aber auch mit Zwang zur hinreichenden Mobilität damit hinreichend zusammenhängende Herrschaftsblöcke entstehen können.

Man wird sehen …

Von Aristoteles zur Attac ESU 2022

Aristoteles hatte ja in seinem Werk „Politik“ unter anderem die Frage aufgeworfen, ob es eigentlich gerecht ist/wäre, wenn über die demokratische Mehrheit auf Vermögen und Einkommen (daraus) zugegriffen werden darf/dürfe. Er hat diese Frage selbst zwar nicht direkt beantwortet, aber aus dem Kontext heraus kann man es leicht wenn man das denn will eher als: „Nein das wäre Diebstahl“ interpretieren. Aus „bedarfsgerechter-gleichheitsbestrebter“- Sicht kann man ihm zugute halten, dass er es sich wohl (auch) nicht zu sehr mit den Reichen und/oder Mächtigen verscherzen wollte, z.B. damit sein Werk auch deren Herrschaftszeiten überstehen konnte.

Wie und warum auch immer, diese Frage war wie man sieht schon in der attischen Demokratie von großer Bedeutung und sie ist es bis heute noch. Auch wenn darüber vor allem in Deutschland wenig öffentlich diskutiert wird.

Also einige Wohlhabende sorgten sich schon immer um ihre Anteile am Gesamtvermögen. „Anteilssammler“ führten und führen Kriege darum, versuchen bei Tauschgeschäften Zugewinne zu erzielen und hoffen auf Geschenke und Erbe.

Das so „Zusammengeklaubte“ wollen sie natürlich ungern wieder abgeben, auch nicht an die Herrschaftsmacht. Und wenn sie schon selbst nicht Herrschen können, soll zumindest die aktuelle Herrschaft nicht auf ihre Anteile zugreifen können. Und am besten auch nicht wollen, aber das ich eine andere Geschichte.

Also sind einige Superanteilsammler und ihre Zuarbeiter/Berater (wohl) immer dabei in Demokratien den verfassungsgegeben Handlungsspielraum der durch die Mehrheit gewählten einzuschränken. Bis zu einem gewissen nachhaltig fairen, der Zukunftsfähigkeit der anderen nicht unfair im Weg stehendem Anteil, ist das wohl auch in Ordnung bis unterstützenswert.

Aber gierige „Sammler“ werden soviel wie für sie nachhaltig möglich ihrer Sammlung vor dem staatlichen Zugriff geschützt sehen wollen. Zu gierige „Sammler“ wohl noch mehr.

Damit sind wir wieder bei Aristoteles Frage nach der Gerechtigkeit der demokratischen Umverteilungsmöglichkeit.

Hat er hier vergessen zusätzlich zu Fragen: „Also solange die Oligarchie-freudigen Reichen es noch nicht geschafft haben, auch tatsächlich wieder eine Oligarchie, inklusive sich selbst, an den Start zu bringen, ist der vorhandene Zugriffsspielraum der aktuellen Demokratieherrschaft auf das Gesamtvermögen und das Gesamteinkommen aller (noch) groß genug um international bestehen zu können?“

So sieht es leider aus. Also das Aristoteles diese Frage vergessen hat.

Und die Aristoteles-Abschreiber- Fraktion rund um und nach James M. Buchanan hat diesen Fehler natürlich einfach übernommen. Und damit auch das „Atlas Network“, das Walter Eucken Institut und damit wohl auch aktuell die FDP. Und die CDU. Und Teile der SPD, Grünen und Gewerkschaften.

Wenn da bei Buchanans „Streng individualistischer Sozialvertragstheorie“, die freiwillige Zustimmung aller Betroffenen zu Verfassungsregeln letztlich legitim ausschlaggebend sein soll, stellt sich eben auch für den Reichen die Frage: „Was macht er, wenn nicht alle Betroffenen, was eben auch an einem Einzigen liegen kann, freiwillig einer, den hinreichenden Zugriffsspielraum des gemeinsamen Staates mit Zugriffs-Monopol ermöglichenden Verfassungsregel, zustimmen?“

Oder kurz. Aristoteles hätte fragen müssen: „Ist das nötig?“. Anstatt nur „Ist das gerecht?“.

Dann würde die FDP wohl „Ist das nachhaltig Sozial Genug?“- Foren veranstalten, genauso wie die Sozialen/Linken Sozial- Forums ins Leben gerufen haben.

Wir bräuchten nun keine 2/3-Mehrheit im Parlament um unseren Verteidigungsetat auf ein fair angemessenes Niveau zu bringen.

Und die CDU/CSU hätte in ihr Programm für die letzte Bundestagswahl nicht „Erwirtschaften statt verteilen“, sondern wenigstens „Erwirtschaften Und möglichst wenig aber nicht zu wenig verteilen“ reingeschrieben.

Und ihre Juristen, sind ja einige, würden nicht immer mit so einem unterdrückten „Was geht denn eigentlich“- Gesichtsausdruck rumlaufen.

Und wir hätten in der EU wohl keinen Zwang zur wirtschaftlichen Freiheit, sondern hätten auf Gustav von Schmollers Mahnung „Nur der Inkonsequente und derjenige der die aktuelle Gesellschaft ruinieren will kann komplett freihändlerisch sein“ gehört.

Aber alles „Hätte, wäre, wenn“ bringt eben im nachhinein direkt erstmal nichts.

Noch können wir schon froh sein, wenn nicht morgen schon die Zwangsjacke der Hyperglobalisierung für alle (im Westen) verfassungsgestützt-„nachhaltig“ zugeschnürt wird und wir nicht mehr „das Nötige“ staatlich-institutionell tun können selbst wenn die von der Mehrheit Gewählten das eigentlich wollen.

Globalisierungskritik ist ja eine schöne Überleitung zur Attac ESU 2022.

Da kommt zwar am Sonntag noch eine zweistündige Abschlussveranstaltung, aber der größte Teil ist seit Samstag Abend schon rum.

Für mich begann es, nach einem kurzen, Anfahrtszeitbedingt verspätenden mittwöchlichen mitverfolgen des Auftakts, am Donnerstag mit einer Vorstellung in einem Workshop der aktuellen sozialen und unsozialen Reformen in Spanien und Italien von Attac-Mitgliedern dieser Staaten. Gefolgt von einem Forum zu „Kapitalismus“ bei dem auch mal erfreulicherweise von jemand anders als mir davor gewarnt wurde, dass „der Westen“ zusehens Gefahr läuft eine internationale Koalition gegen sich zu erzeugen ohne es wirklich selbst zu merken, wenn er sich nicht nachhaltig wenigstens schrittweise mit einem fairen Anteil an allem begnügt und für Fairness und fair ausreichende Anteile für jeden eintritt. Und sowohl dort wie auch im folgenden Workshop ging es auch um die Frage, ob der Neoliberalismus sich wirklich dem Ende entgegen neigt. Wobei auch hier mal wieder klar wurde, dass es keine eindeutige Definition für den Begriff „neoliberal“ gibt. Grob lässt sich wohl sagen: Solange Gier und Gut- und Gernglaube einen zu großen wesentlichen Anteil von allem kontrollieren, also solange jemand von ihnen abhängt, wird es auch sowas wie den „Neoliberalismus“ weiter geben, also zu viel Freiheit zum „Schlechten“ aus sozialer, ökologischer, sicherheits- und zukunftsorientierter Sicht.

Der Freitag begann mit einem Forums- Vortrag zum Thema „Wohnen“, gefolgt von einem Forum zum Thema „Rechtsextremismus“. Da hatte ich, als man aus dem Publikum fragen durfte, gefragt ob rechte „Standortwettbewerbler“ / rechte „Neomerkantilisten“, rechte „Freimarktler“ und rechte „Zentrum oder Semizentrumler (WeltsystemAnalyse)“ die von Natur aus oder historisch gewachsen über die besseren Produktionsstätten bzw. Standorte verfügen nicht den rechten Kräfte im restlichen Ausland Zulauf verschaffen. Da hatten die Dolmetscher allerdings Schwierigkeiten das zu übersetzen. 🙂 Muss ich wohl nächstens, und hatte ich dann auch gleich, langsamer und mit weniger „zielgebunden saloppifizierten“ Fachausdrücken sprechen. Aber zumindest wurde so der rechte unfaire Standortwettbewerb auch angesprochen. Das war mir fairerweise wichtig und das hielt ich für nötig.

Dann gab es noch ein Forum zu „Demokratie“. Das hatte mich zum Titelthema dieses Beitrags inspiriert. Abends kam dann noch eine „Strategie“- Veranstaltung, also was man machen kann und zu welchen konkreten Zielen, die ich aber schon vorher verließ, um keinen allzu späten Bus nehmen zu müssen.

Der Samstag startete für mich dann mit einem Workshop zur Frage „Wie geht es mit dem Weltsozialforum und dem europäischen Sozialforum weiter?“. Da wurde angesprochen, dass aus Deutschland, außer mir, kaum einer Veranstaltungen beim Weltsozialforum, auch nicht online, mehr macht. Und auch sonst aus Europa wenig käme. Da hatte ich dann nochmals die Wichtigkeit dieses Forums betont. Quasi als einzige internationale Möglichkeit zu Themen die man aus sozial, ökologischer, sicherheits- oder zukunftsorientierter Sicht für zu kurz kommend ansieht einfach selbst eine Veranstaltung veranstalten zu können. Dann kam noch ein „Krieg und Frieden“-Forum. Dort hatte ich nochmal gefragt, ob man für den Ukraine-Russland Krieg nicht doch stärker auf eine faire zumindest tolerierbar faire Friedenslösung hinarbeiten sollte, und nicht einfach nur entweder komplett gegen Waffenlieferungen und militärischer Intervention oder uneingeschränkt ohne über Fairness und akzeptablen bis tolerierbaren Frieden nachzudenken für Waffenlieferungen sein sollte. Danach ging es für mich dann schon, unter anderem zum Artikel schreiben, zurück ins Hotel. Die „Braunkohleausstiegs“-Protestaktion hatte ich daher weggelassen. Beim Mitlaufen bei Aktionen bin ich eh etwas vorsichtig. Zu viele, die da nicht konkret vorher drüber reflektiert haben ist auch da eher nicht gut.

Am Sonntag bin ich dann noch für eine Stunde, Sonntags fahren die Busse eben spät, auf der Abschlussveranstaltung. Dann geht es nach Hause.

K. H. Roth, Zissis Papadimitriou und die Stiftung für Sozialgeschichte des 20. und 21. Jahrhunderts

Bei der 2022er Anarchistischen Buchmesse in Mannheim hatte ich mir das Buch „Die Katastrophe verhindern – Manifest für ein egalitäres Europa“ von Karl Heinz Roth und Zissis Papadimitriou gekauft. Beide waren mir bis dahin kein Begriff. Auf den ersten Blick wirkte die Flugschrift auch wie ein typischer Aufruf für ein soziales Europa. Wichtig aber wohl ohne viel Neues oder erweiternden Tiefgang. Und wenn im linken Umfeld was über den „Krieg gegen Jugoslawien“ steht weckt das erst mal Abwehrreflexe bei mir. So viel wurde da schon von linken Antimilitärs oder Totalitären ein völkerrechtlicher Angriffskrieg angeprangert anstatt auf das Selbstbestimmungsrecht der Völker und Schutz vor Menschrechtsverletzungen hinzuweisen und den Vorrang zu geben. Es ist zwar wohl richtig, dass die humanitäre Intervention des Westens auch mehr oder weniger stark durch „Unabhängigkeit für regionale Sahnestücke“- Motivierte zustande kam und die Ausgleichzahlungen von den Regionen/Staaten mit den besseren Standorten bzw. den reicheren zu den ärmeren und weniger begünstigten seit dem nicht mehr stattfinden, sowas mag man in der EU eben nicht hinreichend. Aber die Zentral-Jugoslawische / Serbische Regierung wurde unter Milosevic zu Rechts und nationalistisch. Da war das Einschreiten human und wichtig. Ob die Teilung in Bezug auf Meerzugang und Co. fair war ist nochmal eine andere Frage. Aber man sollte diese Frage jetzt besser im Rahmen des Streben nach einer hinreichenden humanen Ausgleichs-, Priorisierungs- und Regulierungs- (APR-) Union in Europa zu sozialen, ökologischen, Sicherheits- und Zukunftsorientierten (SÖSZ-) Zwecken klären in einer Koalition der Betroffenen und/oder Wertegebundenen von (Süd-)West bis Ost. Friede zu nachhaltig tolerierbaren Bedingungen ist (wohl) immer tausendmal besser als die Schrecken des Krieges. Vor allem wenn man die „Kosten“ und die Erfolgsaussichten für einen Krieg für das was man für fair hält nicht wirklich einschätzen kann oder diese unverhältnismäßig sind. Wobei natürlich Unfairness auch nicht ewig bestehen sollte. Das ist eben immer eine Abwägung.

Bis zum Abschnitt über den „Krieg gegen Jugoslawien“ bin ich aber in dem Buch auch noch nicht ganz gekommen.

Die Analyse und Beschreibung der historischen Entwicklung der EWG zur EU und die deutsche Rolle dabei fand ich aber schon beeindruckend genug, um meinen wöchentlichen Beitrag, ab nächsten Jahr wohl nur noch 2 mal im Monat da ich in meinem „APR-SÖSZ-kritischen“- Zeitfenster etwas mehr Raum für Anderes haben möchte, den Autoren und den ersten Thesen des Buches zu widmen.

Das Buch ist schon 2011 erschienen und Herr Papadimitriou leider 2015 schon gestorben. Herr Roth hatte hier einen schönen Nachruf auf ihn verfasst. Papadimitriou war ein griechischer „Industriesoziologe“ der auch mal beim Institut für Soziologie in Frankfurt zu dem Thema mitgearbeitet hatte. Später war er Professor in Thessaloniki und Kritiker der Austeritätspolitik der Troika.

Und Herr Roth ist in Deutschland im sozial kritischen Umfeld schon lange aktiv. Er hatte die Stiftung für Sozialgeschichte des 20. Jahrhunderts (mit-)begründet und ist dort weiterhin einer der drei Vorsitzenden. Von dieser Stiftung wurde die Online- Zeitschrift „Sozial.Geschichte Online“ mehr oder weniger „initiiert“.

Aber zurück zur Geschichte der EWG bis zur EU. Die Autoren stellen da die These auf, dass Deutschland schon spätestens seit dem Ende der Marshallplan- Kredite eine neomerkantilistische Wirtschaftspolitik betreiben würden. Also vor allem auf Exporte- und Leistungsbilanzüberschüsse im freien globalen Wettbewerb setzen. Nun zumindest während Karl Schillers (SPD) Globalsteuerung und allgemein zu Zeiten des Stabilitäts- und Wachstumsgesetzes und dem Magischen Viereck war das explizit nicht Ziel der deutschen Regierung. Also genau zu Zeiten der 68er Proteste, nur mal so nebenbei erwähnt, das erklärt wohl auch Ortliebs „Anti-Links Radikalisierung“ :). Das war wohl das einzige mal wo Deutschland mal einen global nachhaltigen Steuer- Kurs eingeschlagen hatte zumindest von den Zielen her. Da war die FDP dann aber (gleich) „Besitz- freiheitlich“ abgesprungen. Auch zuvor gab es, außer von Ehrhard vielleicht, keinen expliziten Neomerkantilistischen Plan würde ich sagen. Das Deutschland nach dem Krieg recht schnell einen Boom erlebte dürfte auch der Konsumgüterproduktionslücke durch den Koreakrieg zu verdanken sein, zumindest sind die Argumente dafür Recht einleuchten. Und wohl auch weil die „Amis“ ihre Kredite zurückbezahlt haben wollten und zumindest damals noch den Zusammenhang zwischen Wirtschaftskrise und staatlichem Zusammenbruch kannten. Also der so zügige Aufbau des beachtlichen Kapitalstocks an Produktionsmitteln dürfte neben dem natürlichen Standortvorteil, den auch Max Weber schon kannte, auch an günstigen Rahmenbedingungen und einer ordentlichen Portion „Glück“ gelegen haben. Und durch Bretton Woods und der anfänglichen Europäischen Zahlungsunion im Geiste Keynes, von welcher ich aus diesem Buch zum ersten Mal erfahren habe, weshalb ich u. a. eben von dem Buch beeindruckt bin, konnte die westliche Staatengemeinschaft auch noch hinreichend Druck auf Deutschland ausüben sein temporär „magisches“ Staatsziel einer ausgeglichenen Außenwirtschaftsbilanz auch aktiv herbei zu führen. Also bis dahin würde ich Deutschlands politischen Kurs nicht als bewusst neomerkantilistisch bezeichnen. Das änderte sich aber langsam mit dem „bürgerlichen“ Koalitions-Schwenk der FDP Anfang der 80er und der Etablierung des Kronberger Kreises, quasi als Laus im CDU/CSU- Pelz.

Das lag nicht zuletzt an dem schon von Aristoteles beschriebenen Reflex einiger Wohlhabender, Bessergestellten, Profiteure des Status-Quo, dem möglichen oder tatsächlichen demokratischen Zugriff auf ihr Vermögen und/oder Einkommen durch Beschränkungen des Handlungsspielraums oder „ändern“ des -willens zuvorzukommen. Die „NewDeal“- Reformen von Roosevelt hatten diese Affekte enorm verstärkt. Und beginnend mit der Gründung der FEE in den USA und Hayeks Mont Pelerin Gesellschaft in der Schweiz wurden auch nach dem 2.Weltkrieg die Konsequenzen von zu wenig Umverteilung, global oder nationale, wieder vergessen und die Lust am Spiel und der Abwehr-Affekt überwogen langsam wieder. Wohl auch schon damals verstärkt durch Agenten von außen, denen an einer Schwächung des Westens durch nicht hinreichend ausgeglichenen, priorisierten und regulierten und daher destruktiven Wettbewerb gelegen war und ist. Davor hatten schon Schmoller und Ortlieb gewarnt.

Aber zurück zum Buch. Dort habe ich auch erstmals im Detail gelesen, dass in der EWG, wie sie Anfang der 70er entstand, die beteiligten Staaten einen festen Rahmen von 2-3 % vereinbarten indem sich die Wechselkurse der beteiligten Staaten pro Jahr bewegen durften.

Zusammen mit dem, soweit ich weiß, damals schon eingeführten Zwang zur Gewährung wirtschaftlicher Freiheiten zwischen diesen Staaten, war der Rahmen schon bereitet, dass Staaten mit Bilanzdefizit nur durch interne Abwertung, also Lohn-, Sozialkürzungen und so weiter, also Austerität reagieren konnten, wenn die Staaten mit Überschuss nicht freiwillig etwas unternahmen. Das dies nicht schon früher zum Problem wurde lag wohl an der dann recht schnell gekommen deutschen Wiedervereinigung und dem damit verbundenen „Umstrukturierungsbedarf“ Deutschlands. In den 90er hatte Deutschland dann erstmal keinen Überschuss mehr. Dass das aber nicht zuletzt durch Deutschlands Lage in der Mitte Europas und damit nach der Aufnahme der ehemaligen Ostblockstaaten in die „Zwangsunion wirtschaftlicher Freiheit“ auch noch zwischen Arm und Reich liegend mit sehr hoher wahrscheinlich nur vorübergehend der Fall sein dürfte sollte eigentlich allen klar gewesen sein.

Deswegen wollte Frankreich, wie es in diesem Buch schön dargelegt wurde, als Gegenleistung für sein Einverständnis zur Wiedervereinigung auch eine stärkere Integration Gesamtdeutschlands in die EU. Dafür sollte die gemeinsame Währung und die gemeinsame Notenbank sorgen. Durch den deutschen Widerstand und Verhandlungsgeschick bei der Ausarbeitung wäre dann aber dabei etwas rausgekommen, was dafür sorgte, dass man deutschen Wirtschaftsüberschüssen durch seine natürlichen Vorteile nichts mehr bzw. nicht genug entgegensetzen konnte.

Diese These aus dem Buch wird durch die von mir seit Beginn meiner wöchentlichen Schreibbeiträge immer wieder angesprochene Tatsache, dass im Umfeld der deutschen Verhandlungsdelegation damals führende Vertreter der „Streng individualistischen Sozialvertragstheorie“ von James M. Buchanan, dem Vertragsexperten der FEEn um Hayek und den Cato- Koch- Brüdern, im nachhinein sehr auffällig vertreten waren noch stark bis kaum widerlegbar bestätigt. Es mag ja sein, dass die deutsche politische Elite soziale Absichten hatten, die Detail- Entscheider und Berater hatten da aber ganz anderes auf der Agenda. Und ein Vetorecht bei zwischenstaatlicher Umverteilung wurde zumindest 2020 noch vom Europa-Union- und CDU-Ex-Europaparlaments- Vorsitzenden bei der online Hauptversammlung gefeiert.

Und als Deutschland dann mit der Agenda 2010 die Weichen durch Niedriglohnsektor, soziale Einsparungen und Lohnzurückhaltung auf die eigene „Wettbewerbsfähigkeit“ anstatt auf eigenen nachhaltigen Wohlstand, Europas, des Westens, oder gleich aller Nationen stellte, war es nur noch ein kleiner Schritt bis hin zur eventuell nicht hinreichend reflektierten oder aus welcher Intention auch immer durchgeführten neomerkantilistischen Politik der CDU Merkel- Regierung.

Da wurden Forderungen der Obama Administration nach ausgeglichenen Außenwirtschaftsbilanzen mit Verweisen auf die Unvereinbarkeit mit internationalem Freimarkt beiseite gewischt. Und als dann der zu rechte Trump kam und dies durch Zölle und Co. durchsetzen wollte bzw. so tat oder tun sollte als ab, wurde dass dann als Vorwand genommen um generell Kritik und Schutzmaßnahmen gegen Neomerkantilistische Staaten, welche ihren Staatenbündnissen nur Schaden können, generell als rechts und populistisch zu diffamieren. Und seit „NurKlimaRettung“, Corona und dem Ukraine-Russland Krieg hält „man“ es in Deutschland eh nicht mehr für von den Prioritäten vertretbar über Ungleichheiten in Leistungsbilanzen, über die destruktive Wirkung von neomerkantilistische Staaten oder überhaupt über Fairness bei Anteilen zu reden. Oder man behauptet im Laufe der gemeinsamen Bekämpfungen der Corona- Pandemie- Folgen bereits gezeigt zu haben, dass nun jeder dauerhaft freiwillig seinen ausgleichenden Beitrag für die Gemeinschaft leistet. Obwohl keiner aus der Regierung soweit ich es mitbekommen habe in letzter Zeit unseren immer noch vorhandenen neomerkantilistischen antinachhaltigen Leistungsbilanzüberschuss angeprangert hatte. Warum auch immer nicht.

Solange wir unsere Wirtschaftsstandorte nicht hinreichend zumindest auch in den Dienst derjenigen Partnerstaaten stellen von denen wir selbst auch abhängen sägen wir uns den Ast ab auf dem wir selbst sitzen und reißen alle Verbündeten mit. Vom universell moralischem Selbstanspruch mit dem wir eigentlich nach innen und außen handeln sollten ganz zu schweigen.

Es fehlt immer noch viel zu sehr an der nötigen Einsicht zur zumindest hinreichenden strategischen Fairness und Solidarität und sogar schon am Streben danach.

Es ist zwar richtig dass man sich vor der Tyrannei der Mehrheit egal ob von Staaten oder Menschen schützen muss. Aber was ist mit der Tyrannei von Minderheiten? Egal ob Reich, Moralistisch oder was auch immer.

Es bleibt dabei, wenn man eine Herrschaft nicht mehr tolerierbar findet muss man diese mit einem fairen Anteil an allem zu Gunsten einer neuen tolerierbaren Herrschaft verlassen können.

Und wenn man seinen Anteil oder den eines anderen nicht nachhaltig tolerierbar findet muss man eben kämpfen. Zur Not durch Angriff. Zu viel zu verteidigen ist unfair und unsolidarisch.

Der Schwede kommt: Wählen.

Am 11.9 ist ja auch in Schweden wieder Wahl. Von der Rot-Rot-Grünen Koalition blieben da für die aktuelle Legislaturperiode nur die schwedischen Sozialdemokraten übrig. Die sind da ja meist in der Regierung vertreten. Seit Ende November letzten Jahres führt da Magdalena Andersson eine Minderheitsregierung an.

Die schwedische sozialdemokratische Parlaments- und Regierungstradition geht ja mehr oder weniger vor allem auf den Friedensnobelpreisträger Hjalmar Branting zurück. Dem ersten Reichstags-Abgeordneten und Ministerpräsidenten der „Sveriges socialdemokratiska arbetareparti“ (SAP). Später ging der SAP- Ministerpräsident Per Albin Hansson mit seiner „Volksheim“-Rede, als Begründer des schwedischen Modells eines Wohlfahrtstaates in die Geschichte ein.
Wenn man Wikipedia folgt führte das Platzen einer wohl nicht zuletzt durch Steuervergünstigungen begünstigte Immobilienblase zunächst Anfang der 90er zu einer Bankenkrise und in der Folge zu sozialen Einschnitten, durch eine gerade nicht sozialdemokratische Regierung, passend zur damals und leider auch zu sehr heute noch globalen anti- Wohlfahrt- oder gleich sozialstaatlichen politischen Stimmung.

Danach, also nach Herrn Carl Bildt, kamen dann mit Ingvar Carlsson und Göran Persson noch mal Sozialdemokraten an die Regierungsspitze.

Bis 2006 die Allianz für Schweden übernahm. Diese Allianz der „Bürgerlichen“ hielt bis 2014, seit dem regiert wieder die Sozialdemokratische Partei (mit) und stellte mit Stefan Löfven wieder den Ministerpräsidenten. Und seit 2021 eben mit Frau Andersson.

In der EU gehört Schweden wegen seiner Lage neben dem Öl- Staat Norwegen und, wie Deutschland wenn auch mehr am Rand, zwischen „Arm und Reich“ zu den Profiteuren des Zwangs zur wirtschaftlichen Freiheit im gemeinsamen Binnenmarkt. Und ebenso wie Deutschland sind sie in den letzten Jahren nicht gerade als treibende Kraft hin zu einem zumindest nachhaltig hinreichend sozialen Europas aufgefallen. Auch ein gemeinsamer Markt liefert eben nur das was man bei ihm bestellt und bezahlt. Und wenn da kein hinreichender Anteil der Wirtschaftskraft und des gemeinsamen Ertrags für den Süden und Osten dabei war, läuft man Gefahr sogar die strategische Fairness und Solidarität zu unterlaufen und riskiert dadurch zu viel Unruhe.

Eigentlich müsste sich jeder Schwede genau wie jeder Deutsche, Italiener, Franzose oder sonst ein Europäer fragen: Was brauche ich über mein aktuelles Einkommen und Auskommen hinaus mit Blick auf die Zukunft und die der nächsten Generation. Dann müsste er sich eigentlich schon von selbst Gedanken über die Umwelt machen, denn wenn der Planet für zu viele nicht mehr genug Ertrag und Platz bietet wird sich das auch bald sogar in Schweden bemerkbar machen. Okay, Klimaerwärmung würde dort vielleicht zu mehr Ertrag und Platz führen zumindest wenn das Ex- Eis nicht zu Überschwemmungen sorgt, aber Schweden ist eben auch „keine Insel“ und wird negative Auswirkungen für andere auch irgendwann zu spüren bekommen.

Als nächstes wird sich der smarte Schwede dann Gedanken über seine physische Sicherheit machen. Mit wem zusammen ist er in einem Verteidigungsbündnis? Die Frage beschäftigt Schweden ja gerade besonders. Mittlerweile ist für militärischen Schutz im Westen ja eine Nato- Mitgliedschaft scheinbar obligatorisch. Na ja, da, soweit ich weiß, Russland keinen Militärhafen in einer Region in Schweden hat, welche es denen mal als quasi Zeichen ewiger Verbundenheit geschenkt hatte und dort auch keine Landbrücke braucht, droht wohl Stockholm oder Uppsala keine Russeneinfall als Ablenkungsmanöver, zur „Entnazifizierung“ oder warum auch sonst immer.

Auch die Finnen sollten da wohl „save“ sein. Zumindest solange sie das atomare Gleichgewicht nicht gefährden. Naja, die werden kein Kuba werden wollen.

Aber zurück zur Sicherheit des Schweden. Also er wird eine hinreichende Verteidigungsunion anstreben. Der konsequente soziale Schwede wird da auch selbst seinen Beitrag auch für andere Nationen anstreben oder auf Pflichtdienst setzen, der unsoziale überdurchschnittliche auf eine „hinreichende Marktlösung“ und möglichst wenige unnötige andere im Bündnis setzen wollen.

Beide werden aber hoffentlich hoffen, dass solch ein Bündnis zumindest die strategische Fairness auch nach außen nicht vergisst. Zuviel Feind wegen eigener Unfairness ist eben weder ehrbar noch „nachhaltig“.

Überlegungen zur durchdachten Fairness nach außen, sind aber gerade nicht das wodurch die Nato nach meiner Meinung aktuell auffällt. Sonst würde sie einerseits die Ukraine dazu drängen den Militärhafen (also die Krim) und eine hinreichende, passende Landbrücke (also wesentliche Teile des Donbass) als Teil Russlands anzuerkennen, die Ukraine aber ansonsten auch zumindest mit aller verfügbarer Militärausrüstung ausstatten und auch im Rahmen des möglichen aktiv militärisch unterstützen. Ein Angriffskrieg einfach nur zum Einverleiben von Ex-Regionen ist nicht akzeptabel und recht schnell auch nicht tolerabel. Bei einem Angriff für den fairen Anteil und erst recht für das Kleinere des nachhaltigen Genug und des Fairen sieht die Sache aber natürlich anders aus. Da ist nun mal schon rein logisch der Verteidiger der unfaire bis existenzbedrohende. Also der Täten. Zu einem Krieg gehören eben immer zwei. Zu viel sollte man nicht verteidigen. Das gilt auch für die Nato. Und natürlich auch Russland in Bezug auf Öl und Gas.

Dadurch dass die Nato diese Position nicht einnimmt, treibt sie die Ukraine aber auch in die Hände derer, die für Militärausrüstung die Chance auf die nachhaltige oder zumindest möglichst lange Schwächung Russland zumindest unterbewusst erwarten. Wenn Kiew nur so an Waffen kommt und Russland sich nicht auf das nachhaltige Genug für sich oder andere beschränkt und über das Faire zumindest erst mal offenen verhandelt anstatt gleich einzufallen, kann man aber zumindest verstehen wieso die Regierung in Kiew da „schwach wird“ und von der „Rückeroberung“, wohl eher erstmaligen Eroberung der Krim fabuliert und „tätert“. Die Nato darf nicht Pro-Ukrainisch, egal ob zum Schein oder echt, sein sie muss Blauhelm (Uno; aber auch ohne Mandat eben mit universell moralischem Selbstanspruch legitimiert) sein. Oder zumindest Blau- Waffenlieferant.

Es ist eben auch für den Schweden die Frage: Sicherheit um welchen moralischen Preis. Und auch eine Frage der Nachhaltigkeit.

Damit wären wir auch bei dem Punkt der Zukunftstauglichkeit. Dem Schweden wird es wohl nicht nur um sein aktuelles Genug und Mehr gehen, sondern auch um solches in der Zukunft.

Er wird also wenn er clever ist eine Union anstreben, welche zumindest seine Grundsicherung nachhaltig auch in Zukunft garantiert. Also seinen hinreichenden Anteil vom Gesamtertrag. Durch das schwedische Modell hat Schweden da sogar mal eine Vorreiterrolle bei der Grundsicherung und mehr innerhalb des eigenen Staates übernommen. Aber in der EU gibt es eine solche gemeinsame Grundsicherung nicht. Nur den Zwang die Marktkräfte mehr oder weniger frei walten zu lassen. Dass dies aber mit sozialen, ökologischen, Sicherheits- und Zukunftsorientierten Zielen nicht hinreichend vereinbar ist wurde nun wirklich schon oft genug gezeigt und war bis in die 1990er hinein eigentlich auch Konsens. Aber der aktuelle Überschuss hat den Norden Europas für solche sozialen nachhaltigen Überlegungen blind gemacht. Wir sind in ein destruktives jeder gegen jeden auf zwischenstaatlicher Ebene rein geschlittert. Auch die gemeinsame Pandemiefolgen Bekämpfung in der EU ist da leider noch kein sicheres Anzeichen dafür, dass diese Phase nun überwunden ist. Firmen bei externen Schocks wie einer Pandemie zu retten bringt jedem unmittelbar mehr als es Kosten würde diese pleite gehen zu lassen. Zumal wenn es sich um wichtige Zulieferfirmen handeln. Solche Firmen sind auch in einem freien unregulierten, unpriorisierten und nicht aktiv ausgeglichenen Markt ohne Krisen Überlebensfähig. In einem gemeinsamen Markt stellt sich aber die Frage wie man struktureller Arbeitslosigkeit, regionaler Ungleichheit und Wanderbewegungen der Produktionsfaktoren vor allem in der Initialisierungsphase begegnen kann, damit da zumindest die Grundsicherung nicht zusammenbricht und kein zu großes Machtgefälle entsteht. Die nötige Einsicht dafür und sei es nur zumindest soweit, dass es zumindest hinreichend ruhig bleibt, ist aber leider noch nicht wirklich hinreichend zu erkennen. Eher eine Gern- und Bequem- Gläubigkeit an irgendwelche Automatismen. Das könnte sich leider wieder so lange halten bis es zu spät ist. Zumindest für einen unabhängigen Westen. Das gilt leider auch für Schweden.

Die Zeit in der man im Westen international machen konnte was einem gerade in den Sinn kommt und sich um Fairness und das Wohl der anderen keine Gedanken machen musste ohne die Konsequenten fürchten zu müssen ist glücklicherweise mehr oder weniger (wieder) vorbei.

Von dieser Einsicht dürfen wir uns auch durch die Corona-Pandemie, Kriegen oder der Klimakrise nicht abhalten lassen.

Spätestens beim Staaten-Teilkollektive begünstigendem Standortwettbewerb mit ungleichverteilten Karten sind leider auch die nationalen Gewerkschaften und die nationalen Sozialdemokratischen Parteien stark in der Versuchung, wenn sie da von Natur aus bei den Standorten begünstigt sind, mit den anderen Freimarkt- und Status-quo Profiteuren gemeinsame Sache zu machen und dabei blind für die langfristigen Entwicklungen zu sein. Also affektiv Verteilungskonservativ.

Für den Erhalt der Gemeinschaft und das eigene nachhaltige Wohlergehen ist das aber eben selten vorteilhaft.

Es kommt eben darauf an, was man erhalten und sichern will. Auch konservativ ist eben relativ.

Eigentlich sollten gerade klassisch konservative Parteien diejenigen sein, die darauf achten, dass man es mit dem Eigennutz und der Gut- und Gerngläubigkeit nicht übertreibt. Aber wenn es darum geht etwas am der Verteilung der Nachhaltigkeit und/oder für andere zu ändern, sind die eben wohl vor allem zu vorsichtig. Oder nehmen das als Vorwand. Denen wird man die Konsequenzen von zu wenig Verteilung des gemeinsamen Ertrags aber auch schon der Wirtschaftskraft wohl plastische vor Augen halten müssen bis sich da mal was tut. Zu den Vorsichtigen gesellen sich eben auch immer diejenigen, die genau dass ausnutzten wollen.

Denn in einer vom Privatkonsum getriebenen Wirtschaft muss eben auch jeder privat zumindest genug haben und das geht nur über hinreichende Verteilung. Und dass, wenn jeder einfach nur tut und lässt was er will am Markt da keine hinreichende Verteilung rauskommt sollte gerade den Vorsichtigen klar sein. Und wenn sie da, aus Vorsicht, nicht zu viel aber auch nicht zu wenig geben wollen, sollte ihnen klar sein, dass man da eine Institution braucht die darauf achtet, dass es für jeden ausgewogen ist, und auch über die nötige Macht verfügt. Und dass es nicht gut sein kann, dass wir in der EU zwar einen Zwang zum gemeinsamen Markt haben aber eben keine solche Institution.

Also liebe mit Vorsichtigen: Auf die Barrikaden !!! Bis entweder dieser Zwang hinreichend abgebaut oder solch eine Institution geschaffen wurde. Und zwar nicht nur zum Schein.

Für Schweden heißt das, wählt zumindest hinreichend gemeinschaftlich, nach Innen und nach Außen.

Und bringt von oben, Norden, herab nicht im „guten“ Glauben zu viel zum Einsturz.

Und wenn unser Schwede sozial ist, wird er auch das Wohl anderer im Auge haben und zwar nicht nur strategisch motiviert, obwohl sich hinreichend Soziales da durchaus heraus ableiten lässt. Und er wird eine Partei wählen die sich genau auch dafür einsetzt auch in der EU und im globale Rahmen.