Der Geist des Kapitalismus, der Glaube und Max Weber

Ich lese gerade „Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus“ von Max Weber. Ohne Anmerkungen sind das ja nur 130 Reclam- Buchseiten, das sollte also auch nebenbei nicht so lange dauern.

Im ersten Drittel geht es da um den „Geist des Kapitalismus“, den habe ich unmittelbar und noch unreflektiert nach Webers Sicht so verstanden, dass dieser in Abgrenzung zum „Traditionellem Geist des Wirtschaftens“ nicht nur darauf ausgerichtet ist dasjenige, dass man gewohnt ist mit so wenig Arbeitseinsatz wie möglich zu erreichen, sondern seine ökonomischen Möglichkeiten voll auch bei Risiko aber durchaus nachhaltig mit Blick auf die zukünftigen Chancen auszuschöpfen. Er zitiert hier Benjamin Franklin. Wobei bei Tugenden mehr die Einhaltung des Scheins zählen würde als deren tatsächliche Einhaltung. Also Tugenden aus Sicht der anderen nur soweit wie nötig wirklich erfüllen und die eigene Tugend ist ja quasi der Erwerb.

Wenig überraschend stand bisher in den Buch nichts darüber wie er selbst darüber denkt und was er politisch empfiehlt. 🙂

Das muss dann das Gustav von Schmoller Lager übernehmen. 🙂

Bei dem „Geist des Kapitalismus“ hat man es also mit dem „Geist des Tuns“ zu tun, handeln nicht weil man es muss sondern weil man es kann. Höchstens begrenzt durch die Aussicht bald nichts mehr tun zu können weil man es übertrieben hat. Aber diesen Zusatz diese Begrenztheit zumindest des Selbsterhalt Willens werden wohl nicht alle „Kapitalisten“ verinnerlicht haben. Hier ist wohl der Unterschied zwischen dem „reinen freien Kapitalismus“ und dem „zumindest für sich selbst nachhaltigen Kapitalismus“. Also derjenige für die, die ihr Tun zumindest dem eigenen Erhaltungswillen unterordnen wollen und können. Welche die Tugend der Selbstkontrolle zumindest in diesem Punkt nicht nur zur Wahrung des ökonomisch notwendigen Scheins einhalten wollen sondern aus eigener Einsicht.

Dafür muss man aber natürlich auch definieren was nachhaltig heißt. Mit Sicherheit nicht nur aber auch Klimakontrolle soweit möglich.

Man muss eben zumindest alle Mindeststandards einhalten um sich selbst und seine Tun- und seine Handlungsoptionen auch für die Zukunft erhalten zu können. Dass es dafür auch für vielleicht alle nötig ist auch diese Handlungsoptionen für machbar alle anderen verfügbar zu halten, habe ich ja schon öfters begründet, also daher hier nur nochmal in Kürze:

1. Weil man eventuell ein eigenes Bedürfnis zum Streben nach dem Wohl auch (einiger) anderer hat und man keinen Sinn, auch keinen kapitalistischen, darin sieht diesen zu unterdrücken,

2. Weil einem eventuell jemand wichtig ist dem wieder rum jemand anders wichtig ist, also die Menge an anderen die einem dann zumindest mittelbar auch selbst eventuell wichtig sind wird dadurch erhöht,

3. Weil man jemand anderes eventuell aktuell und oder später vielleicht mal braucht, klassisches Nutzenprinzip, und dann nimmt man besser auch gleich hinreichend viele von denjenigen die dem wichtig sind mit auf die unter 2. begonnene mittelbare Liste auf.

4. Weil man sich aus Abwägungsgründen keinen zum Feind oder Gegner machen möchte der noch nicht auf der Liste steht oder dem jemand wichtig ist der noch nicht auf der Liste steht.

5. Weil einem ab einem bestimmten Punkt das Aufstellen einer solchen Liste wegen des Einzelprüfungsaufwands zur Prüfung zumindest hinreichend vieler inklusive der Frage wie viele denn nun hinreichend sind teurer erscheint als allen zumindest genug oder gleich ihren fairen Anteil zu überlassen und Unverträgliches selbst anteilig mit einzudämmen, um an dieser Stelle als Blogschreiber, auch mal diejenige Liste mit anzusprechen in welcher nicht die Triebfeder des Unterstützens als Basis dient sondern diejenige des Schaden- Wollens.

6. Wenn man nach 5. noch nicht jeden mit einem Eintrag für zumindest das kleinere des „Zumindest Genügend“ und des „Fairer Anteil“ auf seiner Liste stehen hat bleibt dann meines aktuellen Wissens „nur noch“ die Metaphysik also die Überlegung was eigentlich nach dem Ableben kommen könnte und wie rational es ist sich da nicht auch drauf vorzubereiten. Also genau genommen kann man, nach meiner Meinung die Optionen was dann kommen kann durchaus überblicken und dadurch auch die Vorbereitung darauf rational geboten machen.
a) Entweder kommt ein neues Leben in der gleichen Umgebung oder einer andern, dann würde man sich jetzt diesbezüglich in John Rawls Originalposition befinden denn man weiß nicht in welcher Position man sich später befindet, wenn auch mit der Option sich außerhalb des „Vertragsgebiets“ wieder zu finden.
b) Man landet vor einer Art „jüngstem Gericht“ und weiß aktuell nicht wie die Rechtslage ist und die Entscheidung dort gilt dann entweder für die Art des nächsten Lebens oder gleich für die Ewigkeit. Dann befindet man sich erst recht aktuell in einer John Rawls Originalposition.
c) Oder es kommt einfach Nichts mehr. Dann hat man aber das Problem das wohl alles mal aus einem Nichts heraus entstanden ist und man dann nicht doch beim nächsten mal wieder irgendwie mit drin hängt.
Auch das entspricht dann wieder schon Rawls Originalposition.
d) Man könnte auch immer wieder hier landen und hier könnte es langsam für höhere Existenzformen wegen des Auseinanderdriftens aller Dinge im Universum zu ungünstig werden. Aber auch da weiß man dann nicht ob es nicht doch noch ein Außen gibt und doch wieder weitere Optionen. Also auch wieder John Rawls Originalposition.

Also wie man es auch dreht und wendet die Metaphysik läuft immer zumindest bis das mal jemand tatsächlich widerlegt hat auf John Rawls Originalposition hinaus. Falsifizierbar wäre diese Annahme natürlich nur logisch nicht empirisch. Und in der Originalposition berücksichtigt man die (fairen) Interessen anderer eben schon aus Selbstnutz mit.

Bis auf die Inkonsequenten, diejenigen ohne Selbstkontrolle und diejenigen die an das Eintreten einer bestimmten metaphysischen Option fest glauben und daher alle andern ausschließen, sollten dann eigentlich alle eine rationalen Grund haben dass auf ihrer Liste alle stehen. Bei den Gläubigen hängt das dann vom Glauben ab.

Damit wären wir dann beim 2. Teil des Max Webers Buch angelangt welchen ich allerdings noch nicht gelesen habe.

Aber im Protestantismus ist eine der Hauptaussagen ja, dass der Glaube reicht. Deshalb auch das Glaubensbekenntnis. Damit konnte sich Martin Luther von seinem Gelübde, dass er vor Gott spontan aus Not abgelegt hatte, befreien. Passt schon wenn man (dran) glaubt.

Für mich persönlich stellt sich die Glaubensfrage nicht, ich mache mein Verhalten von einem universell moralischem Selbstanspruch abhängig. Also ich verhalte mich so wie ich finde, dass jeder es gut finden können sollte.

Und ich erwarte dann, dass das auch Gott, die Frage nach dessen Existenz ist für mich auch unerheblich, gut zu finden hat, wenn er(, sie oder divers) mal was zu entscheiden hätte was mich betrifft. Bin halt UMSA (Universell moralischer Selbstanspruch)- Werte- gebunden.

Aber zurück zu den Protestanten wo ich ja auch kritisches Mitglied bin.

Wenn man mal soweit ist, dass man sich an ein Gelübde, dass man in einer Notlage spontan abgegeben hat, da würde einen wohl auch Karlsruhe hoffentlich entbinden, nicht gebunden sieht, hat man eine wichtige aber auch gefährliche Tür zum kritischen Umgang mit Kirche und Glaubenstexten aufgetan.

Ab dann kann man entweder anfangen einfach alles, ganz ohne Rücksicht auf die Bedürfnisse Anderer, was einem gerade Spaß macht auch vor Gott und Glaube passend zu reden. Reicht ja wenn man dran glaubt. Oder man überlegt sich mal wirklich ein Regelwerk von dem man selbst sagen würde, dass man dabei wirklich mit universell moralischem Anspruch rangegangen ist, man kann ja gerne auf das bereits vorhanden aufbauen und das übernehmen was diesen Ansprüchen genügt und das was noch fehlt hinzupacken. Auch hier bietet sich wieder John Rawls Originalposition an, sich gedanklich auch in andere hineinzuversetzen und deren faire Interessen mit zu berücksichtigen. Auch wenn es wohl tatsächlich die eine universell moralische Ethik gibt, wird man sich wohl kaum auf eine Einschätzung, und damit ein Regelwerk, einigen können, wie die wohl aussieht. Aber auch hier ist eben Toleranz gefragt solange das die eigenen fairen Interessen und die der Anderen noch zu lassen. Wie auch immer von diesem Regelwerk sollte man dann glauben oder hoffen, dass Gott dass dann noch durchwinkt. Und sich selbst natürlich auch dran halten.

Aber wie gesagt eignet sich der Protestantismus als Glaube, oder vielmehr die Richtung die durch ihn eingeschlagen wurde, eben auch dazu sich aus Protest nur das rauszupicken was einem gerade passt. Ganz wie bei der Ethik der streng individuell legitimierten Verfassungsregeln eines James M. Buchanan. Also eine Ökonomisierung, eine Profitorientierung des Glaubens, nur weniger Scheinheilig als wenn man versucht noch so zu tun als würde man den traditionellen Glaubensregeln noch folgen. Dann wird aus dem Erlangen von Reichtum, also wohl mehr als dem fairen Anteil, schnell eine Tugend vor Gott. Und wenn man den erstmal hat kann man ja ruhig die katholischen 10% für Bedürftige mit vorsehen. Die globale 15% Mindeststeuer für Unternehmen liegt da ja auch kaum drüber und die ist ja noch dazu zumindest nicht mal nur für Bedürftige gedacht.

Glaube dient eben schon immer zumindest auch zur formalen Legitimation von Herrschaft, dass ist bei der Herrschaft des Geldes oder besser Vermögens bzw. dessen Eigentümern auch nicht anders. Und je weniger Schein man dabei waren muss desto ökonomischer.